Abgeordnetenhaus debattiert über drohenden Terror: Terror verbindet
Staatstragende Äußerungen prägen die Plenardebatte zur Terrorgefahr. Der Innensenator fordert einen Schulterschluss und kritisiert die Polizeigewerkschaft, weil sie Interna veröffentlicht hatte.
Wem noch nicht so richtig klar war, wie real die Terrorgefahr in Berlin ist, der musste bloß am Donnerstagnachmittag ins Abgeordnetenhaus gehen. Nicht wegen der seit Tagen geltenden Durchleuchtung am Eingang. Sondern wegen ganz außergewöhnlicher Äußerungen in einer Debatte zur Sicherheitslage. Wann sonst ist es vorgekommen, dass eine Linksparteilerin einen CDU-Innenminister lobt? Wann sonst hat ein sonst so scharfzüngiger FDPler und Kommunistenfresser einer Abgeordneten der Linken zugestimmt? Selten war eine Debatte in jüngerer Zeit staatstragender.
Denn richtig fand es die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Marion Seelig, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Terrorwarnung ausgab. Als richtig stufte sie auch die verstärkte Polizeipräsenz ein. In ausdrücklicher Bezugnahme auf seine Vorredner lehnte FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo nach ihr schließlich Überlegungen zu einem Bundeswehreinsatz im Inland oder zur Vorratsdatenspeicherung ab.
Und statt den Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wegen fast schon diskriminierender Formulierungen abzustrafen, gab sich Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann gnädig: "Auch ein Innensenator kann sich mal verhauen." Körting hatte vorige Woche in der RBB-"Abendschau" erklärt, Berliner sollten seltsam aussehende oder arabisch sprechende Nachbarn den Behörden melden. Kurz darauf hatte der Innensenator seine Wortwahl als "möglicherweise unglücklich" eingestuft.
Einzig der CDU-Abgeordnete Robbin Juhnke ging den Senat schärfer an und forderte, wieder mehr Polizisten einzustellen. "Es kann keine Lösung sein, sich auf die Unterstützung durch die Bundespolizei zurückzuziehen", sagte der Unionspolitiker. Der allgemeine Verzicht auf übermäßige gegenseitige Kritik war ganz im Sinne von Körting. "Wir brauchen in dieser Situation den Schulterschluss und nicht das Auseinanderdividieren in Gute und Schlechte", sagte der Senator. Heftige Kritik übte er lediglich an der Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Fassungslos" sei er, dass ein führender GdPler Polizeiinterna öffentlich gemacht hatte. Er bezog sich dabei auf Äußerungen, wonach die Polizei wegen der Antiterrormaßnahmen Ermittlungen wegen Brandstiftungen in Marzahn eingeschränkt hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen