Abgeordnetenhaus aus Sommerpause zurück: Mehr Spaghetti wagen
Schwarz-Rot streitet sich ums Schulessen. Wie die Opposition macht auch die SPD die CDU-Bildungssenatorin für das aktuelle Chaos verantwortlich.
Berlin taz | Die schwarz-rote Koalition steuert zusehends auf einen heftigen Konflikt in der Debatte um Milliardenkürzungen im Haushalt zu. Überlegungen, am von der SPD seit 2006 durchgesetzten Prinzip der Gebührenfreiheit zu rütteln und nur noch Kindern aus finanzschwachen Familien das Schulessen zu bezahlen, nannte SPD-Bildungsexpertin Maja Lasić „politische Schaumschlägerei“. Ihre Fraktion halte „an der Gebührenfreiheit fest“, sagte sie am Donnerstag im Abgeordnetenhaus.
Lasić äußerte sich in einer Debatte über das Chaos beim Schulessen. Die Linksfraktion hatte per Dringlichkeitsantrag den Senat verpflichten wollen, für verlässliches Schulessen zu sorgen. Im selbem Antrag drängte die Fraktion darauf, weder vom beitragsfreien Schulessen abzurücken noch die Beitragsfreiheit beim Kitabesuch infrage zu stellen. Lasić stellte das Schulessen als „essenziellen Beitrag“ des Ganztagsunterrichts dar. Aus ihrer Sicht wären zudem bei einer Abkehr davon die Gewinne für den Haushalt „extrem gering“.
Ihr seit Mai amtierender neuer Landesparteichef Martin Hikel hingegen hatte sich im Frühjahr mehrfach kritisch gegenüber kompletter Beitrags- und Gebührenfreiheit geäußert und angeregt, jene bezahlen zu lassen, die genug im Portemonnaie haben. Im SPD-Landesvorstand hat er sich mit dieser Sicht bisher nicht durchsetzen können. Auf CDU-Seite sprach Regierungschef Kai Wegner in diesem Zusammenhang im August von „ein paar sozialen Geschenken im Bildungsbereich“.
Im Streit über die Verantwortung dafür, dass der Essenslieferant 40 Seconds im Sommer übernommenen neuen Verpflichtungen nicht nachkommt, übernahm SPD-Politikerin Lasić teils die Haltung der Opposition. Die hatte dazu heftig Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) attackiert. „Die Schuld bei der Bildungsverwaltung abzuladen, hat vielleicht ein Körnchen Wahrheit“, sagte die SPD-Abgeordnete.
Grüne: Senatorin müsste sich entschuldigen
Günther-Wünsch wies solche Vorwürfe zurück. Sie sah sich, ihre Verwaltung und die Bezirke an geltendes Schul- und Vergaberecht gebunden, das den gewünschten schnellen und einfachen Lösungen im Wege stehen würde. „Das sind Zustände, die können Sie draußen Lehrern und Eltern nicht erklären. Aber das ist die Rechtsgrundlage“, sagte die Senatorin.
Grünen-Politikerin Silke Gebel sah das anders – aus ihrer Sicht hatte Günther-Wünschs Verwaltung einen „Realitätscheck“ für eine Musterausschreibung zur neuen Essensversorgung versäumt. „Wir hätten erwartet, dass Sie die Größe hätten, sich bei den Kindern zu entschuldigen“, sagte Gebel. Die Senatorin hingegen verwies darauf, dass es bei der Festlegung von Kriterien und Verfahren keine Kritik an möglichen Schwachstellen gegeben habe. „Entweder waren wir alle blind oder es war keiner“, sagte Günther-Wünsch.
Ihre Fraktion stärkte ihr den Rücken. Richtung Linksfraktion und deren Dringlichkeitsantrag sagte der CDU-Abgeordnete Lars Bocian: „Sie wollen der Senatorin einen Stolperdraht spannen, weil sie so erfolgreich ist.“ Er ließ durchblicken, dass ihn die gegenwärtigen ökologisch-regionalen Vorgaben für das Schulessen, bei dem viele Portionen im Müll landen würden, nicht gänzlich überzeugen: „Wir müssen vielleicht auch mal wieder italienische Spaghetti mit Tomatensauce wagen.“
Wie oder ob die widersprüchlichen Haltungen von CDU und SPD zusammen finden, soll sich offiziell bis Ende September zeigen. Dann will die Koalition ihren Milliarden-Einsparplan fertig haben. Senatssprecherin Christine Richter hat diesen Termin allerdings schon am Dienstag nach der Sitzung der Landesregierung relativiert: Sie schließe nicht aus, „dass es auch etwas länger dauern kann“.
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