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Abgasskandal bei VWJetzt auch Müller, oder was?

„Anfangsverdacht der Marktmanipulation“: Auch der heutige VW-Chef ist in den Fokus der Staatsanwälte geraten – in einer früheren Position.

Matthias Müller würde sich gern der Zukunft zuwenden, das geht aber noch nicht Foto: dpa

Berlin taz | Die Welt des Matthias Müller könnte fast wieder in Ordnung sein: Auf der jüngsten Hauptversammlung zeigten sich die Großaktionäre der Volkswagen AG befriedet, EU-weit genehmigten die Regierungsbehörden kulant die Dieselumrüstungen, die Lage in den USA hat sich entspannt. Kurz: VW könnte sich der Zukunft zuwenden – wenn der Skandal um Abgasmanipulationen nicht noch auch strafrechtlich aufgeklärt werden müsste.

Am Mittwoch bestätigte die Staatsanwaltschaft Stuttgart, dass sie wegen des Verdachts der Marktmanipulation ermittelt – und zwar auch gegen den heutigen Vorstandschef Müller selbst. Käme es zu einem Prozess und einer Verurteilung, drohen bis zu fünf Jahre Haft.Die Ermittler untersuchen, ob Müller die Anleger in seiner damaligen Position als Vorstand von VW-Hauptaktionär Porsche SE „bewusst verspätet“ über die finanziellen Risiken des Dieselskandals informiert hat.

Die US-Umweltbehörden hatten am 18. September 2015 öffentlich gemacht, dass VW die Abgaswerte seiner Dieselautos manipuliert hatte. Wenn sich bei einem Aktien-Unternehmen Risiken auftun, muss das sofort der Börse gemeldet werden, damit alle Anleger die gleiche Chance haben zu reagieren. Die Ad-hoc-Mitteilung von VW ging aber erst vier Tage später raus. Zeitweise verlor die Aktie mehr als die Hälfte an Wert, viele Anleger machten Verluste.

Die Finanzaufsicht Bafin hatte deshalb 2016 Strafanzeige bei der Braunschweiger und der Stuttgarter Staatsanwaltschaft gestellt, die für VW beziehungsweise für Porsche zuständig sind. In Braunschweig wird gegen Müllers Vorgänger Martin Winterkorn und den Ex-Finanzvorstand und heutigen VW-Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch ermittelt, in Stuttgart geht es „in einem Anfangsverdacht“ neben Müller ebenfalls um diese beiden.

Verfahren gegen Italien

Die EU-Kommission hat in der Affäre um manipulierte Abgaswerte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien eingeleitet. Die italienischen Behörden hätten bei der Genehmigung von Fahrzeugtypen des Autobauers Fiat Chrysler die EU-Vorschriften nicht eingehalten, erklärte die Brüsseler Behörde. Sie forderte Italien auf, sich zu dem Vorwurf zu äußern, dass auf die von Fiat Chrysler "eingesetzten Emissionsminderungsstrategien unzureichend reagiert worden sei". (AFP)

Kein Problem, glaubt man bei Porsche. Die Holding habe „ihre kapitalmarktrechtlichen Publizitätspflichten ordnungsgemäß erfüllt“, heißt es in einer Mitteilung. Müller selbst äußerte sich zunächst nicht.

Experten bezweifeln, dass die Ermittlungen eine neue Schadensdimension für Volkswagen bedeuten. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach etwa sagte: „Der Skandal muss einfach auf- und abgearbeitet werden.“ Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen-Geislingen, schätzt, dass mit den Vergleichen in den USA der größte Schaden geregelt ist – wenn nicht noch „ganz gravierende Dinge“ herauskommen.

Neben Milliardenstrafen hat das Justizministerium in Washington dem Autokonzern auch einen Aufpasser verordnet, der drei Jahre lang Einblick in dessen Geschäfte und Prozesse nehmen darf. Er soll demnächst die Arbeit aufnehmen.

Wir müssen die Hosen runterlassen und dürfen nichts beschönigen

Hiltrud Werner, VW

Die neue VW-Vorständin für Recht und Integrität, Hiltrud Werner, empfiehlt eine Vorwärtsstrategie: „Wir müssen die Hosen runterlassen und dürfen nichts beschönigen“, sagte die Ökonomin, deren Vorgängerin den Konzern nach 13 Monaten mit 13 Millionen Euro Abfindung verlassen hatte, dem Wirtschaftsmagazin Capital. Das sollte auch für die Vergangenheit gelten.

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