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Abgasskandal bei PorscheVW-Konzern trickst wohl weiter

Experten sehen Messergebnisse bei neuem Porsche-Modell als Beleg für illegale Motorsteuerung. Das Ministerium kündigt Untersuchungen an.

Neue Autos, alte Probleme: Porsche Cayenne-Fahrzeuge auf dem VW-Werksgelände in Leipzig Foto: dpa

Berlin taz | Knapp zwei Jahre nach dem Bekanntwerden des Abgas-Skandals verkauft der VW-Konzern nach Ansicht von Experten weiterhin Fahrzeuge mit illegalen Abschalteinrichtungen. Diese reduzieren die Abgasreinigung im realen Fahrbetrieb. Die Bundesregierung will diesen Vorwurf nun mit eigenen Tests überprüfen, sagte ein Sprecher des Ministeriums auf taz-Anfrage.

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel hatte nach Hinweisen von einem Insider ein aktuelles Modell eines Porsche Cayenne mit 3-Liter-Dieselmotor untersuchen lassen. Das am Wochenende veröffentliche Ergebnis war eindeutig: Beim offiziellen Testverfahren auf einem Prüfstand hielt der Wagen den Grenzwert für das gesundheitsschädliche Stickoxid ein. Doch nachdem das Auto vor dem Test einmal kurz mit einem Wagenheber aus der waagerechten Position gebracht worden war, lagen die Ergebnisse beim exakt gleichen Test auf dem selben Prüfstand plötzlich um 68 Prozent über dem Grenzwert.

Das Fahrzeug, so ermittelte der Computer-Experte Felix Domke für den Spiegel, verfügt über zwei verschiedene Betriebsmodi. Beim ersten Test befand sich der Porsche im sogenannten Aufwärmmodus. Im realen Betrieb wechselt das Fahrzeug hingegen nach kurzer Zeit in ein Dynamik-Programm mit höherem Schadstoffausstoß.

Anders als bei „einfachen“ Abschalteinrichtungen, die die Bewegung der Räder oder den Lenkwinkel messen oder die Abgasreinigung einfach nach einer bestimmten Zeit herunterfahren, ist die Technik bei Porsche komplizierter: Ausgelöst wurde das Umschalten dem Bericht zufolge durch Längs- und Querbeschleunigung des Fahrzeugs, also durch echte Kurven oder Anstiege und Abfahrten, die auf dem Prüfstand nicht vorkommen. Dies wurde im Test durch das kurze Aufbocken simuliert.

Für Martin Führ, Professor für Umwelt- und Verwaltungsrecht an der Hochschule Darmstadt und Sachverständiger im VW-Untersuchungsausschuss des Bundestags, ist die Sache klar: „Porsche verwendet hier eine Abschalteinrichtung, die nach europäischem Recht verboten ist“, sagte er dem Spiegel. Auch Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, fällt ein klares Urteil. „Wenn die Ergebnisse so stimmen, handelt es sich ganz eindeutig um eine illegale Abschalteinrichtung“, sagte er der taz. „Denn sie hat nichts mit dem Motorschutz zu tun, den die deutsche Politik bisher als legale Ausnahme gelten lässt.“

Der Motor reagiert auf echte Kurven, die auf dem Prüfstand nicht vorkommen

Das von Alexander Dobrindt (CSU) geführte Bundesverkehrsministerium kündigte am Montag eigene Tests an. „Das Kraftfahrtbundesamt ist angewiesen, eine Nachuntersuchung bei Porsche vorzunehmen“, sagte ein Sprecher. Ob dies unmittelbar durch die Berichterstattung ausgelöst wurde, ließ er offen, ebenso wie die Frage, bis wann Ergebnisse vorliegen werden.

Porsche hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Bei einer eigenen Messung „an einem vergleichbaren Fahrzeug“ im firmeneigenen Messstand sei der Grenzwert auch im Dynamik-Modus eingehalten worden, teilte ein Sprecher mit. Im Dementi findet sich allerdings eine interessante Einschränkung: Keine unzulässigen Abschaltvorrichtungen gibt es nur „gemäß unseren vorliegenden Informatio­nen“. Die Dieselmotoren baut Porsche aber gar nicht selbst, sondern bezieht sie von der Konzernschwester Audi. Die Aussage kann also auch einfach heißen, dass über die genaue Funktion der Motoren bei Porsche keine Informationen vorliegen.

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7 Kommentare

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  • Es wird der Tag kommen an dem der Abgasbeschiss zur einer anerkannten Krankeit gehört. Dann gehen die Hersteller straffrei aus und die Politiker sind nicht mehr unter zugzwang. Die Untersuchungsausschüße werden zu Selbshilfegruppen umfunktioniert in denen sich die Hersteller ungestört darüber beraten können wie der perfekte Betrug zu erreichen ist !

     

    Mir wird Kotzübel wenn ich an die arroganten Führungsriegen denke die für solche Betrügereien verantwortlich ist !

    Der Mantel der Arbeitsplatzerhaltung im Kontext mit der Politik ist das größte Gift unserer Konzerngesellschaft.

    Wo bleibt die Innovation und der Mut nach neuen Ufern in sachen Mobilität zu suchen ?

    Zur Zeit beobachten unsere Hersteller leider nur wie sie von den Amerikanern, Indern und Chinesen überholt werden. Wenn so weiter gemacht wird , werden unterm Strich sowieso 50 - 60 % der Arbeitsplätze in der Automobieindustrie wegfallen. Für ein Land wie unseres wäre es ein leichtes den Wandel in Richtung Umweltfreundlichkeit anzuschieben. Dadurch würden dann auch eine menge neuer Arbeitsplätze entstehen . Leider würden die Konzernpatriarchen dann auch eine menge Macht und Geld verlieren.... Die Autoindustrie kommt mir vor wie ein starker Raucher dem so langsam nach und nach seine Körperteile absterben, er selbst es aber nicht mitbekommt weil er mit einer Multimediabrille durchs leben läuft.

  • Man kann doch den Zahnarztgattinnen jetzt nicht den dreckigen Cayenne verbieten, das ginge doch nun echt zu weit. :-)

    Bei all der Panik um diese Betrügereien sollte nicht vergessen werden, das Fleischproduktion den meisten Dreck verursacht. Die paar Porsches ... das sind peanuts.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "VW-Konzern trickst wohl weiter"

     

    und die unverbrüchliche Treue seiner Anhänger bzw. "Kunden" bestärkt ihn darin.

    Steckt im Volkswagen doch noch so etwas wie Kraft durch Freude?

  • Es wird immer wieder über die Betrügereien mit den Abgassystemen diskutiert.

    Ich finde viel mehr Handlungsbedarf an all den LKWs und Kleintransportern welche in den Städten rumfahren, welche ungefiltert den vollen Ruß rausballern.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @WortAbstrakt:

      Die neueren unter ihnen sind da nicht schlechter als Pkws.

  • ...and it goes on and on and on and on

  • Die Autoindustrie betrügt weiter. Sie verlangt von der Politik, dass sie die Verschrottung der alten Betrugsautos fördert, in dem sie neue Betrugsautos subventionieren soll. Dabei sind viele Euro-4 Dieselautos in der Praxis weniger dreckig als die aktuellen Euro-6 Dieselautos.

    Der Verkehrminister ist da genauso korrupt wie die Kanzlerin. Weder Recht und Gesetz noch die Gesundheit der Bevölkerung sind ihnen wichtig. Einzig wichtig ist die Autoindustrie, deren Parteispenden, Aufsichtsratsmandate oder andere Posten nach der Politikerkarriere.

    Kein Wunder, dass neue Parteien oder Kandidaten erst einmal großen Zulauf haben, bis sie entzaubert sind. Die Bevölkerung will ein Ende dieses korrupten Regimes - nur die Alternativen fehlen.