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Abflug Richtung Zypern-Lösung

In Nikosia starten direkte Gespräche. Der Zyperngrieche Glavcos Clerides und der Türke Rauf Denktasch wollen bis Juni einen Abschluss präsentieren. EU drückt aufs Tempo

NIKOSIA taz ■ Auf einem ehemaligen Rollfeld des seit fast 28 Jahren geschlossenen Flughafens von Nikosia begannen gestern die ersten direkten Gespräche zur Überwindung der Teilung Zyperns. Der Zyperngrieche Glavkos Clerides und sein zyperntürkischer Kollege Rauf Denktasch wollen sich ab dem nächsten Montag dreimal pro Woche treffen mit dem beidseitig erklärten Ziel, eine Lösung des Konflikts um die seit 1974 geteilte Insel bis Juni zu finden. Derart intensive Verhandlungen hat es auf Zypern noch nie gegeben.

UN-Vermittler Alvaro de Soto bezeichnete das 90-minütige Gespräch als „sehr ermutigenden Auftakt“. „Wir hatten ein sehr, sehr gutes Treffen“, bestätigte Denktasch auf der Rollbahn des Flughafens, der seit der türkischen Besetzung Nordzyperns außer Funktion ist und zur UN-Pufferzone zwischen der griechischen Republik Zypern und der international nicht anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ zählt.

Erzielt werden soll nicht nur ein Rahmenabkommen, erklärte Zyperns Außenminister Iannakis Kassoulides. Die gescheiterten Nahost-Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern hätten die Notwendigkeit unterstrichen, „dass nichts übrig bleiben darf“. Sollte der Dialog erfolgreich verlaufen, ist im Anschluss ein Referendum vorgesehen. Der enge Zeitplan ergibt sich daraus, dass Zypern schon im Herbst 2002 auf dem Kopenhagener EU-Gipfel grünes Licht für eine EU-Mitgliedschaft erhalten soll. Bis dahin will man in Brüssel wie Nikosia klar sehen, ob eine Einigung auf Zypern selbst machbar ist.

Als zentral bezeichnete der Zyperngrieche Kassoulides die Frage, ob Denktasch die Möglichkeit besitzt, die türkischen Militärs zu einem Rückzug aus Nordzypern zu bewegen. Im Falle einer Konfliktlösung schloss Kassoulides die Anwesenheit türkischer Truppen dagegen nicht aus. Dies sei im Rahmen einer gemischten internationalen Truppe zur Vertrauensbildung zwischen Zyperngriechen und -türken durchaus denkbar.

Der Europa-Beauftrage der Republik Zypern, Georgios Vassiliou, ist bemüht, zu große Erwartungen herunterzuschrauben. Vassiliou erklärte am Dienstag, alles hänge davon ab, ob die türkische Seite entsprechend den bestehenden UN-Resolutionen bereit sei, einen Bundesstaat mit den Zyperngriechen zu akzeptieren. Für einen bisher von der türkischen Seite favorisierten losen Staatenbund stünden weder die griechischen Zyprioten noch die EU zur Verfügung. „Ich hoffe, dass die Verhandlungen klappen“, sagte Vassiliou. „Aber ich kann es nicht garantieren.“

Sollte die zyperntürkische Seite einer bundesstaatlichen Lösung zustimmen, seien die Zyperngriechen zu weitreichenden Kompromissen in allen anderen Fragen bereit. Neue Verhandlungen über den Beitritt Zyperns zur Europäischen Union seien in diesem Fall nicht nötig, wohl aber weitreichendere Übergangsregelungen.

Auch für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen erwartete Vassiliou keine Verzögerungen beim EU-Beitritt. Vorgesehen ist, dass Zypern mit den osteuropäischen Kandidaten 2004 EU-Mitglied wird. Dann würde auch Nord-Zypern automatisch dazugehören, da das Gebiet völkerrechtlich als Teil der Republik Zypern gilt. Damit wäre ein Teil der Europäischen Union von türkischen Truppen besetzt – ein Szenario, dass in Brüssel und Berlin mit einigem Grausen betrachtet wird. KLAUS HILLENBRAND

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