Abend mit Verve in der Elbphilharmonie: Die Sache mit den Konventionen

Beethoven skelettiert, Paukendonner und ein wenig Distinktionsgehuber: Unter neuem Gastdirigenten eröffnet das Hamburger Ensemble Resonanz die Saison.

Klatschende Hände

Hauptsache, nicht an der falschen Stelle: applaudierende Konzertbesucher:innen-Hände

Sicher, „Verve“ ist ein altmodisches Wort, so stand es nun auch im Programmheft. Andererseits: Wo sollten sich Leute zusammenfinden, die solche Vokabeln, solche Konzepte noch kennen – wenn nicht im Konzertsaal? „Verve“ also hatte das Hamburger Ensemble Resonanz sein Konzert zum Saisonbeginn überschrieben, und das war durchaus von dem gedeckt, was man am Mittwochabend zu spielen vorhatte.

„boxen!“, eine Auftragskomposition des 1976 geborenen Gordon Kampe, ging über in Beethovens Konzert für Violine und Orchester – beides mit viel Pauke und angelegt auf humoristische Effekte, unterschiedlich offensichtliche allerdings.

Es war tatsächlich ein Übergang ohne Pause oder Umbau, bloß kam halt an entsprechender Stelle Soloviolinistin Alena Baeva hinzu; soll ja ein hartes Stück Arbeit sein, Beethovens Violinenpart, so gab es nachher auch Extra-Applaus.

Nach der Pause folgte Jörg Widmanns Con-brio-Konzertouvertüre für Orchester, vom Komponisten selbst als eine Art skelettierter Beethoven bezeichnet: Offensiv spielt Widmann da mit wie seziert wirkenden Klischees, und als nun die Holzbläser – wie gefordert – nur „30% Ton“ ausstießen, aber „70% Luft“, da klang’s beinahe, als spielte der Saxofon-Freigeist John Zorn taktweise mit.

Eine neue CD mit Mozarts „Linzer“ und „Prager“ Sinfonien, eingespielt vom Ensemble Resonanz und Ricardo Minasi, erscheint am 27. 10. bei Harmonia Mundi

Komponiermaschine Mozart

Und schließlich Mozarts Sinfonie Nr. 36, die „Linzer“. Auch die setzt offensiv auf, ja: Floskeln, entstanden ist sie einst in weniger als einer Woche; mit so etwas mal eine Kompositions-KI zu betrauen, das wäre interessant.

Nichts gegen Frau Baeva, aber der Star des Abends war eindeutig Ricardo Minasi, neuer „principal guest conductor“, „fester Gast-Dirigent“, des Ensembles. So alt wie der Elphi-Konzertbetrieb ist ja das – für entsprechend nach Distinktion Gierende – vermeintliche Übel, dass auch Leute sich Tickets kaufen können, die dann nicht mal wissen, dass zwischen Mozarts Sätzen spontan zu klatschen pfuibäh sei. Minasi nun nahm’s mit Humor; der prägte den Abend überhaupt mindestens so wie das altmodische Wort mit V.

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