: Ab heute wieder Hamlet
■ Nach 29 Shakespeare-Inszenierungen bringt die Company heute „Hamlet“ heraus / Laut Auskunft des Regisseurs Pit Holzwarth als Familiendrama
Sie hat den „Sommernachtstraum“, „Othello“, den „Kaufmann von Venedig“ und 26 weitere Stücke Shakespeares inzwischen inszeniert und gespielt. Doch die wohl bekannteste Tragödie ihres Hausautors, „Hamlet“, steht erst jetzt auf dem Spielplan der Bremer Shakespeare Company. „Die Konstellation muß stimmen“, erläutert der Regisseur der Inszenierung, Pit Holzwarth, kurz vor der heutigen Premiere die Terminierung etwas orakelhaft. „Man kann in diesem Theater nicht einfach bestimmen: ,Das Stück machen wir jetzt!'“, fährt Holzwarth fort und beschreibt die Company-internen Prozesse einer Mehrheitsfindung. Wie auch immer: Es fand sich eine Mehrheit, und Hamlet kommt.
Und zwar nicht nach Dänemark. Die Geschichte des jungen Prinzen, dessen Onkel erst seinen Vater um die Ecke gebracht und dann seine Mutter geheiratet hat, spielt in einem Phantasieland, erläutert der Musiker und Komponist Willy Daum. Schon bei der „Perikles“-Inszenierung hat Daum mit Holzwarth zusammengearbeitet und seine Musik auf die Illustration der vielen Schauplatzwechsel ausgerichtet. Diesmal heißt der Schauplatz „Psyche“. Der live agierende Musiker Willy Daum entwirft am Bandoneon oder einem metallenen Percussionsinstrumentarium Gegenwelten zum gesprochenen und gespielten Bühnenleben. Für Hamlets Liebste Ophelia hat er Lieder komponiert, die mit ihrem fortschreitenden sogenannten Wahnsinn erstens immer klarer und zweitens immer atonaler werden. Bei Hamlet klaffen Schein und Sein oder Bewußtsein und Unterbewußtes in Wort und Musik dagegen noch weiter auseinander. „Robert Brandt muß zum Teil richtig gegen die Musik sprechen, sonst verschluckt sie ihn“, weiß Pit Holzwarth. Aber wer ist dieser Hamlet eigentlich?
In unzähligen Theateraufführungen und in der Flut von Sekundärliteratur wurde diese vielschichtige Shakespearefigur, die ähnlich wie Goethes Faust eine viel ältere Sagengestalt ist, völlig verschieden gedeutet. Da ist der Gutmensch in der bösen Welt, der Depp, der Psychopath, der Melancholiker oder der tatgehemmte junge Prinz. Allein Pit Holzwarth hält solche Etikettierungen für ziemlich blödsinnig. Und wenn man ihn dann noch nach der Verwendung von angeblichen Company-Stilmitteln wie „Frau spielt Mann“ oder „Hauptfigur wird vervierfacht“ fragt, dann wird er sogar grantig: Das seien Etiketten, die dem Theater nur in Bremen angeheftet würden. Und: Die Inszenierungsstile seien, wie an anderen Theatern, auch am Leibnizplatz völlig unterschiedlich. Indirekt fordert Holzwarth, der inzwischen als normaler Gastregisseur von Theater zu Theater tourt und – übrigens zusammen mit Willy Daum – bald in Kassel das normale Stadttheater-Mode-Stück „Top Dogs“ von Urs Widmer einstudiert, normale Maßstäbe für ein doch normal gewordenes Theater. Nein, halt, stop: „Wenn jemand wie Robert Brandt in einem Stück drei oder noch mehr Rollen spielt, leistet er das dreifache eines Stadttheaterschauspielers“, rechnet Holzwarth vor.
Auf die Familientragödie will der Regisseur seine Hamlet-Inszenierung konzentrieren. Teilweise entzückende Nebenfiguren wie Rosenkranz und Güldenstern oder Fortinbras sind aus der trotzdem noch über dreistündigen Inszenierung gestrichen. Das von sexuellen Anspielungen nur so wimmelnde Schauspiel soll die Verklemmungen der Figuren erforschen. Holzwarth nennt sogar das Dauerstichwort „Mißbrauch“, erwähnt Hamlets Wunsch, seine Mutter möge wieder jungfräulich werden, und dessen Verlangen, die Zeit zurückzudrehen. Auch über Hamlets künstlerische Neigungen will der Regisseur mehr erzählen als andere. Denn neben dem „Sommer-nachtstraum“ ist auch im „Hamlet“ ein Spiel-im-Spiel eine zentrale Szene. Hier überführt Hamlet seinen Onkel des Brudermordes. Oft wird diese Szene nur als Teil des Politkrimis inszeniert, doch nach Holzwarth verrät sie viel mehr über die Figur Hamlet: Künstler schaffen sich die Welt, Hamlet scheitert an ihr. Ob's so oder so wird, steht am Montag in der taz. ck
Premiere heute, Freitag, um 19.30 Uhr im Theater am Leibnizplatz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen