AUFTAKT ZUR STREIKSAISON: Die Blumen als Warnung
1.600 öffentliche Beschäftigte demonstrierten für 6,5 Prozent mehr Lohn und legten ihre Arbeit nieder - aber so, dass es niemanden stört.
Bockwürstchen und Butterbrote, das ist wohl in vielen Kindergärten am Donnerstag das Essen gewesen. Denn die Küchen von Kita Bremen blieben gestern kalt, des Warnstreiks wegen: 1.600 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes haben am Donnerstag laut Ver.di in Bremen die Arbeit niedergelegt. Mit einer Demo zogen sie mittags vom Konsul-Hackfeld-Haus auf den Marktplatz. Aus dem Wasser- und Schifffahrtsamt, dem Studentenwerk an der Uni oder dem Alfred-Wegener-Institut waren sie gekommen. In gelben, grünen oder blauen Arbeitsjacken. Oder in weißen Kitteln. Denn auch die 8.000 Krankenhaus-MitarbeiterInnen der Gesundheit Nord sind von den Tarifverhandlungen betroffen.
Von ihnen aber kamen nur die 60 Auszubildenden aus dem Klinikum Bremen-Mitte und Bremen-Ost. Denn in Bremen wurde nur vorsichtig gewarnt. Zumindest nicht so wie in Hannover. Dort sind die Bus- und BahnfahrerInnen der Nahverkehrsgesellschaft von der diesjährigen Tarifrunde betroffen, sie fuhren nicht – und das während des großen Andrangs zur Computermesse Cebit. Nein, in Bremen blieben nur in der Augsburger Straße die Kindergarten-Türen dicht, dort gab’s einen Notdienst. Und die Mülltonnen im Ellener Feld, in der Vahr und in Hastedt, sowie in Sebaldsbrück blieben ungeleert. Das aber wird am Samstag nachgeholt.
„Wir wollten die Bremer jetzt noch nicht unter der Position der Arbeitgeber leiden lassen“, sagte der Bremer Gewerkschaftssekretär Uwe Schmid zur taz. In der aktuellen Tarifrunde fordert Ver.di für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes 6,5 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro mehr, als Sockelbetrag für die unteren Einkommensklassen. Im Land Bremen sind laut Ver.di 22.000 Menschen im öffentlichen Dienst, bundesweit sind es 2 Millionen. Am ersten Verhandlungstag, dem 1. März, waren den Arbeitgebervertretern der Kommunen die Forderungen zu hoch, sie hatten kein Angebot vorgelegt. Deshalb nun also der Warnstreik, jeden Tag in einer anderen Kommune. Gestern in Hannover, Oldenburg oder Lüneburg. Heute verstärkt in Südniedersachsen.
Unterstützung gibt’s dann jeweils aus dem Ver.di-Bundesvorstand. Am Donnerstag in Bremen von Ellen Paschke. Dass die Hansestadt unter den Kommunen das finanzielle Schlusslicht ist, macht für sie keinen Unterschied. Verschuldet nämlich seien sie alle: „Das haben die Beschäftigten aber nicht zu verantworten, es darf nicht auf ihrem Rücken gespart werden“, so Paschke zur taz. Selbst wenn alles Personal abgebaut würde, bliebe die Verschuldung. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ Vielmehr sollten Städte und Gemeinden insgesamt besser ausgestattet werden, anstatt Milliarden an Euros für die Rettung von Banken auszugeben.
Eine Lohnsteigerung von 6,5 Prozent würde Bremen laut Finanzressort 9,5 Millionen Euro jährlich mehr kosten. Zu viel: Die Angestellten der Stadt sollten ordentlich bezahlt werden, so eine Sprecherin des Finanzressorts, man dürfe jedoch nicht vergessen, „dass der öffentliche Dienst eine ganze Reihe an besonderen Angeboten für die Beschäftigten birgt, so die Teilzeit- oder Ruhestandsregelungen“.
Bundesweit sanken die Defizite der Kommunen im letzten Jahr. Städte und Gemeinden erwarten für 2012 ein Einnahmeplus von zwei Milliarden. Das stammt vor allem aus der Gewerbesteuer. Eine Erhöhung wird in Bremen Ende März diskutiert und könnte jährlich 12,5 Millionen Euro mehr bringen – vor allem, um Schulden abzubezahlen.
Für Bernhard Esters, den stellvertretenden Personalrat des Umweltbetriebes Bremen, sind das alles nur Ausreden. „Als im Sommer die Straßen in Huchting zuwucherten, da gab’s eine große Aufregung. Die Leute identifizieren uns vom Umweltbetrieb und machen uns verantwortlich“, so Esters. Dabei seien in den letzten Jahren im Betrieb immer mehr Stellen gestrichen worden, der Aufgabenbereich und die Anforderungen aber gewachsen, und dazu vor dem Hintergrund allgemeiner Preissteigerungen der Reallohn gesunken. „Die Leute im Betrieb sind stinkig“, so Esters. Seine Kollegen haben deshalb über 200 Stiefmütterchen organisiert und mit kleinen Fähnchen versehen: „Wir fühlen uns stiefmütterlich behandelt“ stand darauf. Auf den Treppen vor der Bürgerschaft wurden sie aufgereiht. Und liegen gelassen.
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