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ARD sendet wieder nach AfghanistanErst aufregen, dann fragen

Nachdem die Bild mächtig Alarm gemacht hat, empfangen die Soldaten in Afghanistan plötzlich wieder die ARD. Die Aufregung scheint aber nur eine Retourkutsche zu sein.

Kämpfen ohne die ARD: Bisher hat es niemanden im Feldlager gestört. Bild: dapd

BERLIN taz | Na also, geht doch! Wenn die Bild-Zeitung mal richtig auf Düse drückt, schlägt's die ARD lang hin. Und es wird doch noch eine richtig schöne Kriesgweihnacht, weil die BundeswehrsoldatInnen in Afghanistan nun wieder so Programmkracher wie "Weihnachten auf Gut Aiderbichl 2010" (Heiligabend, 18.15 Uhr) oder "Um Himmels Willen – Weinachten unter Palmen" (25.12., 20.15 Uhr) gucken können.

"So rückt unseren Soldaten im Einsatz die Heimat über die Fesstage ein kleines Stück näher", dankt der Verteidigungsminister in der Mittwochsausgabe von Bild, und Karl-Theodor zu Guttenberg klingt dabei schon fast wie früher, als Deutschlands Wehr nicht im Einsatz, sondern im Felde stand.

Im Felde der vorweihnachtlichen Kampgane ist Bild eben unbesiegt, was natürlich auch leicht fällt in einer Republik, die sich immer zuerst aufregt und erst dann fragt, worum es denn eigentlich geht. In der Politik reichte es sogar zur ganz großen Koalition von Union, SPD und FDP: "Unakzeptabel" sei das. "Etwas Patriotismus würde einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt schon gut tun", sagte der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags.

Offizell ging es darum, dass die ARD aus Kostengründen schon seit dem Sommer die Übertragung ihres Programms über den Satelliten Hotbird eigestellt hatte – kein Erstes in Kundus, und das schon verdammt lange. Scheint aber keinen groß gestört zu haben, sonst hätte es sich Johannes B. Kerner bestimmt nicht nehmen lassen, dass Thema in seiner groß beworbenen Extra-Talkausgabe aus dem deutschen Feldlager in Masar-i-Scharif am 16.12. taktisch gegen die öffentlich-rechtliche Anstalt zu verwenden.

ARD wie ZDF leisten sich bislang eine üppige internationale Verbreitung via Satellit, schließlich hat der deutsche Gebührenzahler ja bezahlt und soll daher auch im Mallorca-Urlaub oder auf seiner Südafrika-Safari nicht auf "heute" und "tagessschau" verzichten. Doch nun wollte und musste die ARD schlicht – sparen. Andere Sender wie die BBC gehen da deutlich restriktiver mit ihrem Heimatprogramm um: Die britischen BBC-Kanäle im Ausland zu empfangen, ist schwer – und auch dann nur mit einem speziellen Decoder möglich.

Jetzt sendet die ARD wieder, für Truppe und Taliban. "In einer Blitzaktion" sei eine Sondervereinbarung mit der Luxemburger Satelliten-Firma SES-Astra gezimmert worden, feiert sich das ARD-Hauptquartier im besten Deutsche-Wochenschau Vokabular. Fragt sich nur, warum der Bild-Protest ausgerechnet an diesem Dienstag kam. Sonst sind sie im Verlegerlager doch geradzu glücklich, wenn die Öffentlich-Rechtlichen mal irgendwo was abschalten!

Zur Antwort hilft ein Blick in den App-Store: Die ARD hat ihre lang bekrittelte, kostenlose "tagesschau"-App für Smartphones und iPads endlich fertig und just an diesem Dienstag frei geschaltet. Verlagslenker wie Springer-Chef Mathias Döpfner sind auf jedem Medienkongress des Jahres dagegen Sturm gelaufen. Die Verlegerbranche fürchtet hier, um in der weihnachtlich-militaristischen Diktion zu bleiben, nämlich nichts Geringeres als ihr Stalingrad. Was natürlich auch Quatsch ist. Aber in Sachen "Husch, husch, husch am Hindukusch" zeigt dies, worum es wirklich geht.

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