„ARD Radio Tatort“ aus dem Grunewald: Im Schlamm versinken

Im Fall des getöteten Jägers im Berliner Grunewald ist derKommissar im „ARD Radio Tatort“ keine große Hilfe. Er stochert lieber in seiner DDR-Zeit.

Wald im Sommer

Berlin-Grunewald: Man denkt an Villen, Natur und Wald Foto: Christian Spicker/imago

Christian Wonder ist Oberkommissar und muss sich um einen Mord im Grunewald kümmern. Schick, denkt man sich beim aktuellen, sehr gelungenen „ARD Radio Tatort“: Grunewald. Villen und Natur und Wald, der im Sommer brennt.

Wonder aber denkt an so was nicht, sondern vor allem an: Schlamm, „mitten in einem hochzivilisierten Land, in dem es keine bösen Geister mehr gibt“. Damit meint er aber nicht den chronisch vertrockneten Grunewald, sondern das wiedervereinte Deutschland und seine eigene Familiengeschichte, die immer wieder den Plot sprengt und ablenkt vom eigentlichen Mordfall.

Wonder sieht sich selbst im Mann im Schlamm. „Sobald er sich bewegt, sinkt er tiefer in die zähe, saugende Masse hinein.“ Wonder hat Angst vor der eigenen Vergangenheit und trotzdem recherchiert er ihr nach und dadurch wird’s eben problematisch, inklusive Anruf von Herrn Weber vom Bundesministerium des Innern.

Gegenüber dem tut Wonder so, als würde er sich nicht bewegen, nicht recherchieren. Tatsächlich aber fragt er sich und andere ganz genau, warum seine Eltern die DDR und ihn, als er noch ein Baby war, verlassen haben Richtung militärische Uranforschung im Iran.

Vom Hochsitz geschossen

Gedanken über den Fall macht sich nur Wonders Kollegin Ariane Kruse. Dafür kommt die auf wirklich gute Einfälle. Im Grunewald eben wurde ein Jäger erschossen. Dann hat jemand der Leiche auch noch eigenartigen Schlamm in den Mund geschmiert. Der stinkt und ist schwarz und keiner weiß, was es ist, also vorsichtshalber mal Schutzklamotten an.

„Gift“ von Tom Peuckert

in ARD Audiothek

Schade, dass man den Reißverschluss nicht hört. Der Jäger stand auf dem Hochsitz und dann – zack – von unten ein Schuss schräg in die Seite: Leo­nard Löber, die Spitze der Nahrungskette im raubtierarmen Grunewald, und wie sich rausstellt, auch ein Teil der Spitze im Klassensystem, wurde von seinem Hochsitz gestürzt.

Löber ist einer, der dann doch ein paar Feinde hatte. Den ehemaligen Jäger des Reviers füllte er erst ab und zeigte ihn dann wegen Trunkenheit am Steuer bei der Polizei an, sodass er das Revier verlor. Den Sohn hatte Löber lange ausgehalten, aber dann war der Geldhahn plötzlich zu, die Wohnung gekündigt. Und: Löber betreibt ein Unternehmen, das für Mülltransport zuständig ist.

Auftritt Mülldetektiv: Hätte man sich auch sparen können. Ariane Kruse kommt von selbst auf Ideen, was hinter dem Mord stecken könnte: „Hypothese 1: Rache. Hypothese 2: organisierte Kriminalität.“ Das erklärt sie auch Wonder, der so tut, als gäbe es auch bessere Ansätze, dann aber keine Ideen liefert. Stattdessen darf Kruse ihn die 53 Minuten lang mitschleppen durch die Ermittlungen und durch Brandenburg und dann auch noch retten aus einer verseuchten alten Kiesgrube.

Ermittlungen auf Metaebene

Autor Tom Peuckert hat damit eine eher wenig gesunde Arbeitsdynamik für die Er­mitt­le­r*in­nen geschaffen, aber auch eine Chance für Wonder, das Ganze mal auf eine Metaebene zu heben, die dem Radio Tatort oft eigen ist und dem Fernseh-„Tatort“, der sich ja bereits in der Sommerpause befindet, oft gänzlich fehlt.

Also philosophiert Wonder über seine Familie, aber auch den fortwährenden Kampf von Natur und Kultur: „Manche Menschen halten die Biosphäre der Erde für einen lebenden Organismus. Wie jedes Lebewesen ist die Biosphäre zur Selbstregulation fähig. Schädliche Zustände im Inneren führen zu Abwehrreaktionen. Für die Biosphäre ist der Mensch heute der größte Feind.“

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