ARD-Krimi „Polizeiruf“ aus Magdeburg: Fragiles Provinz-Patriarchat
Ute Wieland erzählt einen Krimi über ein Dorf voller Frauen, die die Faxen dicke haben. Von den immer gleichen Typen: halsstarrig, träge, beharrend.
Wann hat das eigentlich angefangen, diese Halloweeninisierung des deutschen Fernsehprogramms? Auf die Schnelle lässt sich rausfinden: 2017 lief zum Anlass der Tatort „Fürchte Dich“ vom HR, 2018 „Blut“ aus Bremen, 2020 die Kieler Folge „Borowski und das Haus der Geister“ – und dieses Jahr gab es bei der Sonntagabendkrimi-Redaktion offenbar Abstimmungsprobleme und sie haben gleich mehrere von dieser Sorte bestellt.
Am 2. 10. lief der Wiener Exorzismus-Tatort „Das Tor zur Hölle“, vor zwei Wochen die HR-Folge „Leben, Tod, Ekstase“ über halluzinogenen Horror und jetzt eben, zum nordamerikanischen Event „Halloween“ selbst: „Hexen brennen“ aus der MDR-Filiale von Polizeiruf 110 mit Kommissarin Doreen Brasch.
Aber nun ja, wollen wir mal so tun, als sei das nur ein Sonntagabend-TV-Krimi, anlasslos über ein Dorf im apokalyptisch abgefressenen Harz, in dem die einen vermeintliche Hexenzeichen auf Fachwerkhäuser pinseln, andere mit Bannzeichen darunter antworten, in dem erst tote Hunde vor Häusern liegen und kurz darauf Frauen tot auf schwarz dampfenden Aschehaufen, erst gefoltert, dann verbrannt. Alles getaucht in einen permanenten Nebelschleier oder gleich ins tiefdunkle Dunkel, heiseres Geflüster durch die Gassen spukend.
Die Gründe fürs Trotzdem-Gut-Finden liegen auf der Hand: Claudia Michelsen als Hauptkommissarin Brasch, sowieso, wie jedes Mal. Außerdem die verlässlich umwerfende Gabriela Maria Schmeide als Mehrfach-Dorfhotel-Besitzerin Edler und trauernde Mutter – ihre Tochter lag auf einem Scheiterhaufen am Waldrand am Brocken.
Mordmotive gibt's so viele wie Frauen im Dorf
Regisseurin Ute Wieland zieht die Story von Wolfgang Stauch rund um die Frauen im Ort auf, die alle die Faxen dicke haben: ein Film über die Fragilität des Patriarchats in der Provinz.
Polizeiruf 110: „Hexen brennen“, So., 20.15 Uhr, ARD
Denn drumherum und mittendrin die immer gleichen Typen: halsstarrig, träge, beharrend auf Die-Frau-gehört-ins-Haus, mal auf der Jagd, mal mit Baumzweigen durchs Kaff ziehend, der Hexen wegen, und sonst am Stammtisch in der Kneipe, die zum Edler-Haus gehört. Der Arzt, der Edler-Sohn, der Hexenladenbesitzer. Mordmotive gibt’s so viele wie Frauen im Dorf.
Die nächste Recherche wäre dann wohl: zählen, wie oft in TV-Krimis die Horror-Formulierung „starke Frau“ auftaucht. In dieser Folge ist das schon gruselig genug. Aber okay, selbst das klingt aus Michelsens Mund nur halb grauenhaft.
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