ARD-Krimi „Der Kommissar und die Alpen“: Das Raubein
Rocco Schiavone hat eine ausgezeichnete Spürnase. Er ist aber auch ein kettenrauchender, niemals lächelnder Kotzbrocken.
Nachdem ich zwei neue Krimis der Reihe gesehen habe, kam mir ein altes Wort in den Sinn, das heute niemand mehr gebraucht, aber einen bestimmten Typ von (heterosexuellem) Mann treffend beschreibt: Raubein. Das ist laut Duden ein „nach außen hin grob erscheinender Mensch, der aber im Grunde kein unangenehmer Mensch ist“. Das trifft auf den Haupthelden dieser mittlerweile zweiten Staffel von „Der Kommissar und die Alpen“ zu. Es handelt sich dabei um eine RAI-Produktion, die den August über als Free-TV-Premiere in der ARD auf dem Sendeplatz von Anne Will lief. Am Sonntag endet sie mit dem Krimi „Nächte ohne Mond“.
Der beginnt mit einer komischen Szene, obwohl es um einen Leichenfund geht. Der Pathologe weiß am Fundort natürlich noch nichts Genaues, obwohl Ermittler es ja immer sofort wissen wollen – könnte man auch mal anders drehen. So zum Beispiel: Der Pathologe weiß aber, wer den Mord im Krimi begangen hat, den die Kommissarin mit sich trägt, weil er das Buch auch gelesen hat. Der Bankdirektor!
Der tote Mann ist nicht zu identifizieren, hat aber einen Zettel mit einer Telefonnummer bei sich – die vom ermittelnden Vice Questore (so etwas wie der Vizepolizeidirektor, kein einfacher Kommissar!) Rocco Schiavone. Der wird nun aber nicht vom Fall abgezogen, wo kommen wir da hin. Rocco, grandios von Marco Giallini als ketterauchenden, nie lächelnden Kotzbrocken gespielt, ermittelt sowieso in einer privaten Angelegenheit.
„Der Kommissar und die Alpen: Nächte ohne Mond“, So., 21.45 Uhr, ARD, alle Folgen in der Mediathek
Eigentlich ist die Figur eine interessante, weil ambivalente. Mit so einem kauzigen und schroffen Typen möchte man nicht befreundet sein. Und doch hat Rocco treue Freunde – aus Kindertagen. Denn er ist in einem armen Viertel Roms aufgewachsen. Und die Jungs von einst sind heute Kriminelle. Deshalb macht Rocco hier und da krumme Geschäfte und verdient sich Geld dazu, verfügt über gute Kontakte ins Milieu und eine ziemlich klasse Spürnase – seine Intuition ist Gold wert. Dafür hat er von Political Correctness noch nie etwas gehört. Und pah, alle anderen sind eh „Schwachköpfe“. Rocco ist eine gebrochene Gestalt.
Das Raubein kann auch fürsorglich sein, aber das gilt nur seiner Hündin Lupa und einem Nachbarsjungen, um den sich Rocco kümmert. Und es gibt rührenden Momente, wenn ihm seine verstorbene Frau erscheint.
Daumen hoch oder runter? Sagen wir: halb, halb.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind