ARD-Doku „Wer ist Thomas Müller?“: Der deutsche Durchschnitt
Regisseur Christian Heynen sucht ernsthaft das „wahre Gesicht Deutschlands“. Dabei hätte aus seinem Film etwas werden können.
Thomas Müller ist der häufigste deutsche Name. Thomas Müller ist der in allem durchschnittliche Durchschnittsdeutsche. Er ist so durchschnittlich, dass die Werbeagentur Jung von Matt das Jugendzimmer seines Sohns – Jan Müller – nachgebaut hat.
Dokumentarfilmer Christian Heynen hat sich dieses Zimmer angeguckt. In der Nachttischschublade des von den Werbern ermittelten Durchschnittsjugendlichen findet er nicht nur eine Packung Kondome, sondern auch einen Morgenstern. Anschließend fährt Heynen zu einem echten Jan Müller, und der holt unter seinem Bett eine Axt hervor.
Eigentlich hätte etwas aus dem Film werden können. Aber Heynens Problem ist, dass er keinen Humor hat und seine Ausgangsfrage also ganz genau so ernst meint wie Jung von Matts Werber: „Wer ist Thomas Müller?“
Er sucht, wirklich wahr: „das wahre Gesicht Deutschlands“. Er rechnet 11.435 Kilometer vor, die er durch die deutsche Pampa gefahren ist, und denkt sich: „So wird ein wertvoller Dokumentarfilm daraus, ich zeige dem Zuschauer, wie ich in meinem feuerroten Spielmobil eine Herde Schafe passiere und an der Tanke halte.“ Er versucht sich als emphatischer „Gernstl unterwegs“ und kumpelt etliche real existierende Thomas Müllers an, den Fußballspieler inklusive.
Regie: Christian Heynen. Dienstag, 22.45 Uhr, ARD.
Er gibt den naiven David Sieveking (“David wants to fly“) und lässt den Zuschauer an seinen läppischen Gedanken teilhaben: „Ist Deutschsein Zufall, weil ich nun einmal in Deutschland geboren bin? Oder gibt es eine emotionale Bindung?“
Und – Vorsicht: Spoiler – gelangt zu folgender Erkenntnis: „Wenn ich eines auf meiner Reise von den Durchschnittsdeutschen gelernt habe, dann dass ,deutsch‘ am Ende doch etwas ganz Individuelles ist.“
Auf eine dumme Frage bekommt man bekanntlich eine dumme Antwort. Heynen gibt sie sich selbst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau