AKW-Planung in Finnland: Erstmal Fakten schaffen
Noch ist nicht sicher, ob Finnlands sechstes AKW gebaut wird. Doch das Land wird schon mal gerodet. Von der EU drohen Einwände gegen den Bau.
![](https://taz.de/picture/53691/14/imago61638459h.jpg)
STOCKHOLM taz | Es gibt noch keine detaillierten Baupläne für den Reaktor, den Russlands Staatskonzern Rosatom liefern soll. Eine Baugenehmigung liegt noch in weiter Ferne. Und auch sonst gibt es um den geplanten Neubau eines sechsten finnischen Atomreaktors viele ungelöste Fragen: von fehlenden Investoren über die Versorgung dieses Reaktors mit Brennelementen bis zur Lösung des Atommüllproblems.
Das alles hindert die Betreibergesellschaft Fennovoima und ihre russischen Partner aber nicht daran, schon einmal Tatsachen zu schaffen: Derzeit werden auf dem vorgesehenen Bauplatz, der nordwestfinnischen Halbinsel Hanhikivi, 124 Hektar Wald abgeholzt. Mit den Erdarbeiten zum Bau einer Zufahrtsstraße ist Ende März begonnen worden.
Die AKW-GegnerInnen sind empört: Ein Großteil dieses Walds habe einen hohem Naturwert, kritisiert die Organisation Pro Hanhikivi, die seit Jahren gegen die AKW-Pläne kämpft. Das Gebiet sei ein wichtiger Rast- und Brutplatz für viele Vögel, darunter auch seltene Arten. Die würden durch derzeit nicht gerechtfertigte Bauarbeiten nun massiv gestört.
„Wir sind überzeugt, dass eine Mehrheit der Bevölkerung das nicht will“, sagt eine der Anti-AKW-AktivistInnen, die grüne Lokalpolitikerin Hanna Halmeenpää: „Seit 2007 haben wir viermal ein Referendum gefordert – immer ist das abgeschmettert worden. Man hat wohl Angst, uns zu fragen.“ Die Mehrheit im Kommunalparlament von Pyhäjoki, auf deren Gebiet der geplante Reaktorbauplatz liegt, hat nicht nur eine solche Volksbefragung abgelehnt, sondern auch die jetzigen Arbeiten genehmigt. In dieser strukturschwachen und von Abwanderung betroffenen Region hoffen die Befürworter mit dem AKW-Bau auf eine bessere wirtschaftliche Zukunft.
Quote nicht erfüllt
Obwohl eine Mehrheit des finnischen Parlaments im Dezember den Bau eines russischen Druckwasserreaktors mit einer Leistung von 1.200 Megawatt politisch abgesegnet hat, muss der Bau noch wichtige Hürden nehmen. Neben der staatlichen Rosatom als Hauptinvestor wollen über 50 Anteilseigner das AKW finanzieren – Unternehmen, Energieversorger und Kommunen.
Doch die gesetzlich geforderte Quote von 60 Prozent finnischem Kapital ist noch nicht erfüllt. Kürzlich hat die Stadt Nykarleby ihre Anteile gekündigt und in anderen Gemeinden steht diese Frage auf der Tagesordnung der Kommunalparlamente. Energieversorger, die sich am Bau beteiligen wollen, sind durch Boykottaufrufe zusätzlich unter Druck geraten, ihr AKW-Engagement zu überdenken.
Dass Rosatom den Reaktor mit Brennelementen aus der berüchtigten Wiederaufbereitungsanlage Mayak im Südural betreiben will, stößt bei der Umweltschutzorganisation Bellona auf heftige Kritik. Dies sei eine völlig veraltete Anlage, die „mit großen Emissionen von Radioaktivität die Umwelt verstrahlt“, sagt deren Nuklearexperte Nils Bøhmer: „Wer Mayak beauftragt, ist dafür verantwortlich, dass dieser Betrieb weitergeht.“
Einwände gegen russische Brennelemente könnte auch die EU haben – wegen der Versorgungssicherheit und aus wettbewerbsrechtlichen Gründen. So stellte die Kommission im März mit solcher Begründung bereits ausschließliche Brennelemente-Lieferverträge von Rosatom für zwei ungarische Reaktoren infrage. Und diese Verträge sind mit denen von Fennovoima nahezu identisch.
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