piwik no script img

AKW-Gegner starb 2004Gedenken an Sébastien Briat

Vor 15 Jahren starb der französische Anti-AKW-Aktivist Sébastien Briat bei einem Unfall. In Hitzacker wird nun ein Gedenkstein für ihn aufgestellt.

Atomkraftgegner 2005 bei einer Gleisblockade in Harlingen bei Hitzacker Foto: dpa

Göttingen taz | Nach mehr als 15 Jahre wollen Anti-Atom-Bewegte Sébastien Briat ein Denkmal setzen. Der Franzose ist der bislang einzige Tote bei den Protesten gegen Castortransporte. Am 7. November 2004 wurde er vom Fahrtwind des vorbeirasenden Atommüllzuges erfasst, auf die Schienen geschleudert und überfahren. Am 28. Dezember soll nun am Bahnhof Hitzacker um 15 Uhr ein Stein für ihn aufgestellt werden.

Der tödliche Unfall ereignete sich in Frankreich in der Nähe von Nancy. UmweltschützerInnen wollten den in La Hague mit hochradioaktivem Atommüll beladenen Zug auf seinem Weg nach Gorleben durch eine Gleisblockade stoppen. Sie hatten Metallrohre unter die Schienen geschoben, in denen sich einige Aktivisten anketten wollten. Eine „Vorwarngruppe“ sollte den Zug vor der betreffenden Stelle zum Halten bringen.

Wegen einer Verkettung unglücklicher Umstände – so war der dem Transport vorausfliegende Hubschrauber gerade zu einem Tankstopp gelandet –, aber auch wegen Kommunikationspannen der Atomkraftgegner, reduzierte der Zug seine Geschwindigkeit nicht, sondern jagte mit fast 100 Stundenkilometern auf die hinter einer Kurve gelegenen Blockadestelle zu.

Den neben den Gleisen liegenden, noch nicht angeketteten Aktivisten blieben nur wenige Sekunden Zeit, um sich von der Schiene zu entfernen. Sébastien schaffte es nicht. Er verblutete noch vor Ort. Sébastien, der auch Mitglied der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft CNT war, wurde nur 22 Jahre alt.

Gedenkveranstaltung mit großem Polizeiaufgebot

Im Wendland, wo sich Tausende DemonstrantInnen auf die Ankunft der Atommüllfuhre vorbereiteten, löste die Nachricht einen Schock aus. Es gab spontane Trauerkundgebungen, mehrere „Spaßaktionen“ wurden abgesagt, ansonsten gingen die Proteste aber weiter.

Am 15. Todestag Sébastiens, am 7. November also, kamen in Dannenberg rund 250 Menschen zu einer Gedenkveranstaltung zusammen. Auch die Polizei war mit einem großen Aufgebot vertreten. Beamte hinderten die Menge am Betreten des Bahngeländes. „Den Gedenkstein dort aufzustellen, war nicht möglich“, sagte Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg zur taz.

Das wird nun im 15 Kilometer entfernten Hitzacker nachgeholt. Der Stein soll auf einem Grundstück des „Kulturbahnhofs Hitzacker“ platziert werden. Dieser Verein baut das historische Bahnhofsgebäude aus Backstein derzeit zu einem Kulturzentrum aus. „Sébastien starb in einem Kampf, der der unsrige war“, erklärte die BI.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Eine Gelegenheit an Vital Michalon zu erinnern.

    Er wurde 1977 bei einer Demonstration gegen den Superphénix in Malville durch eine Blendgranate getötet.

    Außerdem gab es hunderte, zum Teil schwer verletze Aktivistinnen und Aktivisten.

  • Der Castor-Zug war zuvor von einer französischen Aktionsgruppe, ebenfalls mit einer gewaltfreien Ankett-Aktion längere Zeit aufgehalten worden.



    Nach einhelliger Ansicht der französischen Eisenbahngewerkschaft SudRail hätte der Zug auch daher ausschließlich mit "vorsichtiger Fahrt" fahren dürfen, das heißt so langsam, dass der Zug jederzeit im Sichtbereich des Lokführers anhalten kann.



    Die französische Polizei wollte die "Übergabe" des Zuges an die deutsche Polizei im Bereich des vorgegsehenen Grenzbahnhofes zur geplanten Zeit unbedingt einhalten.



    Wie, auch heute noch in Deutschland bei bestimmten umstrittenen Zügen, fuhren in der Lok mehre Polizeibeamte mit.



    Diese hatten dem Lokführer, der sich an rechtlichen Vorgaben zum Sichtfahrgebot halten wollte, die strikte Anweisung erteilt, statt "vorsichtiger Fahrt" die maximale Geschwindigkeit zu fahren, welche technisch auf der Stecke möglich war.



    Sie hatten dem Lokführer vorgelogen, dass die Polzei jederzeit sicherstelle, dass sich keine Personen im Gleisbereich aufhalten könnten.



    Daher fuhr der Zug statt maximal 30km/h fast 100kilometer in der Stunde schnell.



    Die Polizei hatte, wie auch heute in Deutschland absolut üblich, aus Polizeitaktischen Gründen, tagelang gezielt und absichtsvoll Falschmeldungen über den Unfall verbreitet.



    Die ersten wahrheitsgemäßen Nachrichten dazu veröffentlichte damals eine französische Teilnehmerin der ersten Zug-Blockade, nachdem sie in frankreich aus der Polizeihaft entlassen worden war, auf "Indymedia". Ihre damaligen Veröffentlichungen sind, wie auch die dummdreisten, niederträchtigen Lügen der deutschen Polizei, noch im Archiv von "Indymedia" zu finden.