AKW Brokdorf unter der Lupe: Atomfreie Zone
Das AKW Brokdorf ist wegen Oxidablagerungen auf den Brennstäben seit über drei Monaten nicht am Netz. Jetzt liegt die Fehleranalyse des Betreibers vor
Schleswig-Holstein, eine atomfreie Zone. Seit dem 4. Februar ist das letzte verbliebene Atomkraftwerk des Bundeslandes nicht mehr am Netz – und das wird wohl noch eine Weile so bleiben. Weil bei der planmäßigen Revision des Reaktors entdeckt wurde, dass einige Brennstäbe stark oxidiert sind, untersagte Umweltminister Wolfgang Habeck (Grüne) die Wiederinbetriebnahme.
Der Betreiber der Anlage, Preußen Elektra, wollte trotz des Befundes den Reaktor mit neuen Brennstäben bestücken und wieder anfahren. Doch die von Habeck geleitete Atomaufsichtsbehörde machte dem Konzern einen Strich durch die Rechnung. „Erst wenn die Ursache geklärt und ausgeschlossen ist, dass sich das Problem an anderen Brennstäben wiederholt, kommt ein Wiederanfahren in Betracht“, sagte Habeck.
Wenn heiße Brennstäbe auf Sauerstoff und Wasserstoff im Kühlwasser treffen, entstehen Oxidablagerungen. Für deren Dicke aber gibt es Grenzwerte und genau die sind in Brokdorf überschritten worden. Eine zu starke Oxidation kann wiederum die Schutzhülle der Brennstäbe angreifen und brüchig machen. Im schlimmsten Fall könnten so die radioaktiven Brennstoffe freigesetzt werden.
Nun liegt es an Preußen Elektra, die Gründe für die Oxidation, die nur eine bestimmte Charge der Brennstäbe betrifft, zu ermitteln und Abhilfemaßnahmen vorzuschlagen. Ein entsprechender Schadensbericht des Betreibers liegt der Kieler Atomaufsicht seit Mitte seit dieser Woche vor. Dieser muss nun von der Behörde ausführlich geprüft werden. „Da diese Auswertung gerade erst beginnt, lässt sich die Zeitschiene nicht seriös einschätzen“, sagte Nicola Kabel, die Sprecherin des Kieler Umweltministeriums. Es sei deshalb nicht abzusehen, wann eine Entscheidung über ein Wiederanfahren des Meilers gebe fallen wird.
Da die Prüfung der Fehleranalyse Wochen in Anspruch nehmen dürfte, aber auch die technischen Vorbereitungen das Anfahren des Reaktors zehn bis 14 dauert, ist nicht damit zu rechnen, das Brokdorf vor Ende Juni wieder ans Netz gehen wird. Fraglich ist auch, ob die Gutachter des Ministeriums die Konsequenzen, die Preußen Elektra aus dem Schaden zieht, überhaupt akzeptieren werden.
Preußen Elektra kommt der Stillstand teuer. Für jeden Tag, an dem kein Strom produziert wird, veranschlagt der Energiekonzern einen Verlust von rund 900.000 Euro. Ein Betrag, den der Energieproduzent dem Land in Rechnung stellen wird, wenn seine Juristen zu dem Schluss kommen, die weitere Untersagung des Kraftwerksbetriebs sei unrechtmäßig.
Schon einmal hatte Preußen Elektra, gemeinsam mit den Hamburgischen Electricitätswerken (HEW), versucht, einen Millionenregress vom Land Schleswig-Holstein einzuklagen, nachdem die Atomaufsicht den Wiederbetrieb des AKW Brunsbüttel erst später genehmigt hatte, als es die Energieversorger für rechtlich zulässig hielten. Die Klage aber wurde vom Kieler Oberlandesgericht 1998 abgewiesen.
Umweltminister Habeck sieht derzeit noch ganz „viele offene Fragen“. Damit steht die Zukunft des AKW Brokdorf in den Sternen. Nachdem die Meiler in Brunsbüttel und Stade im Rahmen des Atomausstiegs vom Netz genommen wurden, steht in Brokdorf das letzte verbliebene AKW in Schleswig-Holstein. Lassen sich die Gründe für die Oxidation nicht wirklich eindeutig bestimmen, könnte das das Ende des Meilers bedeuten.
Der gegenwärtige Stillstand wird die Laufzeit des Reaktors, die laut der Atomausstiegs-Vereinbarungen planmäßig 2021 endet, nicht verlängern. Auch wenn der Reaktor eine Reststrommenge zugebilligt bekam, die es noch produzieren darf, werden die Monate, in denen er keine Energie produziert, nicht hinten drangehängt werden. „Ende 2021 muss Brokdorf spätestens abgeschaltet werden“, sagte Kabel. Vorausgesetzt, er wird vorher überhaupt wieder angeschaltet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht