AK Asyl zeichnet aus: „Facharzt für Abschiebung“
Der Hamburger Arbeitskreis (AK) Asyl hat gestern dem Psychiater F. Walter den Titel „Facharzt für Abschiebung“ verliehen. Walter ist bei der Ausländerbehörde angestellt, um Gutachten über die Reisefähigkeit kranker Flüchtlinge zu erstellen. Mit der Urkunde, die der AK Asyl dem Mediziner gestern zukommen ließ, „würdigte“ er Walters „besondere Verdienste um die Funktionalisierung des ärztlichen Berufsstandes für die menschenverachtende Vertreibungspolitik dieser Stadt“.
In einem beigefügten offenen Brief beglückwünscht der AK Asyl den Mediziner auch zu seinem „herausragenden Mut, die Verantwortung des letzten Richters zur Entscheidung über die Abschiebbarkeit traumatisierter Flüchtlinge zu tragen“. Walters Aufgabe ist es, die Atteste externer ÄrztInnen über die Reiseunfähigkeit kranker Flüchtlinge durch eigene Gutachten zu ersetzen. Bereits der rot-grüne Senat hatte verfügt, dass angezweifelte Gutachten durch neutrale AmtsärztInnen überprüft werden können. Als aber diese fast immer zum selben Ergebnis kamen, zweifelte die Ausländerbehörde auch die AmtsärztInnen an: Gegen eine Medizinerin wurde sogar wegen des Vorwurfs, sie habe „Gefälligkeitsgutachten“ ausgestellt, strafrechtlich ermittelt, ihre Praxis- und Privaträume wurden durchsucht .
Als nächsten Schritt hat die Ausländerbehörde selbst MedizinerInnen eingestellt. „Glauben Sie tatsächlich, die Ärzte und Amtsärzte dieser Stadt seien so inkompetent, dass man auf Ihre Hilfe zurückgreifen muss, um mit einer Flut von Fehldiagnosen aufzuräumen?“, fragt der AK Asyl Walter im offenen Brief. Und: „Halten Sie es aus fachlicher Sicht für angemessen, auf psychische Erkrankungen und Traumatisierungen mit Überfällen in den frühen Morgenstunden und gewaltsamem Rücktransport an den Entstehungsort des Traumas zu reagieren?“
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