AFGHANISTAN-TRUPPE: DEUTSCHE FINDEN SICH IN DER ZWEITEN REIHE: Robuste Briten sollen’s richten
Nahezu weltweit herrscht derzeit Einigkeit darüber, was in Afghanistan als nächstes passieren muss: Wenn das Land nicht wieder im Chaos versinken soll, braucht es eine internationale Friedenstruppe, die für ein Minimum an Sicherheit sorgt. Nach anfänglichem Zögern haben auch die USA einer solchen Truppe zugestimmt. Alsbald soll der Weltsicherheitsrat ein Mandat verabschieben, das „robust“ ist. Heißt: Die Friedenstruppen dürfen schießen. So weit scheint alles klar. Bleibt noch die Frage: Wer macht’s?
Auf den Gängen der UNO wurde zunächst die Idee einer muslimischen Friedenstruppe ventiliert. Die würde von der afghanischen Bevölkerung am ehesten akzeptiert. Pakistan und Iran dürften aber nicht beteiligt sein, weil sie in der Vergangenheit durch ihre Einmischung bereits genug Unheil angerichtet haben. Doch nicht nur die beiden Nachbarländer sind bei den Afghanen in schlechter Erinnerung. Die Russen haben zehn Jahre versucht, das Land zu unterwerfen, und die Briten sind zur Abrundung ihrer Kronkolonie Indien mehrfach am Hindukusch eingefallen – allerdings liegt das ein paar Jahre länger zurück. Und da die USA als Kriegspartei nun schlecht den neutralen Friedensbringer spielen können, wird der Kreis der Staaten immer kleiner.
Malaysia, Bangladesch und Jordanien sollen bereit sein, sich zu beteiligen. Die Türkei, einziges muslimisches Land in der Nato, hat bereits zugestimmt, rund 3.000 Soldaten bereitzustellen. Doch niemand mag ihr zutrauen, den überaus anspruchsvollen Job des Oberbefehlshabers gut zu erledigen. Für US-Außenminister Colin Powell sind jetzt die Europäer dran, Großbritannien oder Deutschland – oder beide gemeinsam.
Die Briten haben die Mittel und die Deutschen die weiße Weste. Zwar ist die Bundesrepublik einer der größten Geldgeber für den Wiederaufbau des Landes; sie hat aber schon die Position des EU-Beauftragten für Afghanistan bekommen. Die britische Regierung, auch bei den US-Militäreinsätzen sofort an der Seite der USA, drängt nun auf Belohnung und würde lieber heute als morgen ihren Anspruch auf die Alleinführung der Friedenstruppe bekannt geben.
Wenn Nato und EU ihr Plazet geben, wird sich also der Selbstfindungsprozess des neuen Deutschlands im Rahmen der neuen Weltordnung wohl in Afghanistan abspielen, aber eine Nummer kleiner als noch während der Petersberg-Konferenz möglich: nicht als Führende, sondern nur als Mitverantwortliche der internationalen Friedensbrigade. JÜRGEN GOTTSCHLICH
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