ADFC schlägt Rad-Schnellwege vor: Warum nicht nah am Wasser bauen?
Der ADFC hat in einem Wettbewerb Ideen für künftige Radschnellrouten gesammelt und prämiert. Vom Senat kommen dazu positive Signale.
Für alle, die mit dem Rad zur Arbeit fahren, ist es ein alter Traum: zügig weite Strecken zurückzulegen, ohne ständig von roten Ampeln ausgebremst zu werden. Spätestens seit das Pedelec auch Distanzen von 10 oder 15 Kilometern ihren Schrecken nimmt, fragen sich viele nur noch: Wann kommen sie denn endlich, die Fahrrad-Highways?
Einige mehr oder weniger realistische Vorschläge gibt es bereits – die Strecke entlang der Stammbahn nach Potsdam etwa oder die „Radbahn“ unterm Viadukt der U1. Der von der Initiative Volksentscheid Fahrrad vorgelegte Entwurf eines Rad-Gesetzes macht den Bau von Schnellwegen zur Pflicht, aber er benennt keine konkreten Strecken. Am Montag hat nun der Berliner Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) die Ergebnisse eines Ideenwettbewerbs vorgestellt und mehrere Vorschläge prämiert. Vorgegeben waren eine Mindestlänge von 5 Kilometern undStandards wie eine Breite von 4 Metern und möglichst wenige Kreuzungen.
Absolute „Kreuzungsfreiheit“ war dabei kein Kriterium. Denn, so ADFC-Geschäftsführer Philipp Poll, „schnelle Verbindungen können durchaus auch straßenbegleitend sein“. Es komme dann eben darauf an, dem Radverkehr Vorrang zu gewähren.
Überraschungen gab es wenige unter den neun eingereichten Routen, genau genommen eigentlich nur eine: die von Philipp Poll höchstpersönlich. Er schlägt eine Strecke von Tiergarten nach Neukölln nicht nur entlang des Landwehrkanals vor – sondern auch auf dem Kanal selbst: Zwischen Charlottenburger Tor und Zossener Brücke soll die „Radschnellroute“ (so der vom ADFC favorisierte Begriff) auf einem Steg verlaufen, der vom Ufer aus über das Wasser reicht und dort von Stützen getragen wird.
Ob diese Idee angesichts der vielen beteiligten Behörden und potenziellen Konflikte überhaupt realisierbar wäre (man denke nur an das jahrelange Gerangel um Baumfällungen am Kanal), konnte die dreiköpfige Jury des Wettbewerbs nicht sagen. Bemerkenswert erschien sie ihr trotzdem, weshalb es auch einen Sonderpreis dafür gab – so wie für den Vorschlag, den schnellen Radlern auf der West-Ost-Magistrale Kaiserdamm–Bismarckstraße–Straße des 17. Juni den Mittelstreifen freizuräumen, auf dem heute noch in endlosen Reihen die Pkws parken.
Die drei regulären Preise gingen an Ideen, die sich ungenutzte Gleistrassen oder Begleitwege von Autobahnen zunutze machen: den gut 13 Kilometer langen „Panke-Trail“ zwischen Mauerpark und Buch (teilweise über die alte Stettiner Bahn), die Verbindung Görlitzer Park–Teltowkanal, die unter anderem am derzeit im Bau befindlichen Teilstück der A100 entlangführen würde, und einen Schnellweg auf der Nordbahn zwischen Frohnau und Wilhelmsruh.Letzterer Vorschlag sollte eigentlich bis zur Bornholmer Straße reichen, aber für diesen Trassenabschnitt ist ein künftiger Regionalbahnbetrieb bereitsfest vorgesehen.
Teure Brücken
Eine Kostenschätzung war beim Ideenwettbewerb nicht vorgesehen und wäre auch nicht zu leisten gewesen. Am teuersten dürften aber die Brücken-Neubauten sein, die in einigen Szenarien notwendig wären. Wobei manche Brücke längst geplant ist, aber auf der Prioritätenliste des Senats seit Jahren immer wieder nach unten rutscht. Der Britzer Zweigkanal etwa schneidet den perfekt ausgebauten Radweg entlang der A113 nach Adlershof von der Innenstadt ab – wer diese Route nutzen will, muss bislang einen erheblichen Umweg in Kauf nehmen.
Dass das Thema inzwischen auch vom Senat ernst genommen wird, zeigte die Anwesenheit von Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler im winzigen Presseraum des ADFC. Er durfte im Anschluss eine frohe Botschaft verkünden: Seine Verwaltung stelle gerade eine Liste von 30 „Relationen“ für potenzielle Schnellwege zusammen, in die auch die vom ADFC prämierten Eingang finden. „Spätestens in acht Wochen“ werde man sich daranmachen, eine Auswahl realisierbarer Projekte zu treffen.
In jedem Fall dämpfte Gaebler die Erwartungshaltung der Anwesenden: „Bei dem derzeit üblichen Planungsvorlauf sollte niemand erwarten, dass hier schon im kommenden Jahr irgendetwas gebaut werden kann.“ Man versuche bereits, diesen Vorlauf, der durch die verschiedenen Planungsebenen auf Landes- und Bezirksebene zustandekomme, von durchschnittlich drei auf zwei Jahre abzusenken. Aber selbst in Kopenhagen, das ja immer als leuchtendes Vorbild bei der Fahrradinfrastruktur genannt werde, gehe das oft nicht schneller, so Gaebler.
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