piwik no script img

80. Jahrestreffen von IWF und WeltbankStaaten leben auf Pump

Schulden gefährden zunehmend die Weltwirtschaft, warnen Weltbank und Internationaler Währungsfonds. Auch die Finanzierung der Klimakrise war Thema.

Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen protestieren beim Jahrestreffen von IWF und Weltbank in Washington für eine Klimafinanzierung Foto: Kevin Wolf/AP Content Services for Glasgow Actions Team

Seit 80 Jahren dienen der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank als Stützpfeiler der internationalen Finanzarchitektur. Zuletzt haben sie diese Rolle nicht allzu schlecht erfüllt. Zum Jubiläum konstatiert ein IWF-Bericht: „Es sieht so aus, als sei der weltweite Kampf gegen die Inflation weitgehend gewonnen. In den meisten Ländern bewegt sich die Inflation nun in der Nähe der Zielwerte der Zentralbanken.“ Und das wurde nicht zum Preis einer Rezession erkauft, im Gegenteil: „Die Weltwirtschaft blieb während des Disinflationsprozesses ungewöhnlich widerstandsfähig.“ Da darf ein bisschen Eigenlob nicht fehlen: „Der Rückgang der Inflation ohne eine weltweite Rezession ist ein großer Erfolg.“

Das nächste große Thema für die Weltwirtschaft sind nun Schulden. Die Staatsschulden der Länder werden dieses Jahr die Marke von 100 Billionen Dollar knacken und liegen dann bei 93 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. In vielen Ländern sind während der Pandemie die Haushaltsdefizite angestiegen und seither nicht wieder gesunken. So haben die USA ein Defizit von 6,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), China von 7,1 Prozent, Frankreich von 5,1 Prozent und Großbritannien von 4,4 Prozent. Das deutsche Haushaltsdefizit von 1,8 Prozent wirkt im Vergleich fast wie ein statistischer Ausreißer.

Während wohlhabendere Länder noch die Möglichkeit haben, ihre Defizite schrittweise zu reduzieren, sind viele ärmere Länder bereits heute mit ihren Schulden überfordert. Daten des britischen Thinktanks Development Finance International (DFI) zeigen, dass die ärmsten 147 Länder 43 Prozent ihrer Einnahmen für den Schuldendienst aufwenden müssen. In diesen Ländern übersteigt der Schuldendienst die aufaddierten Ausgaben für Bildung, Gesundheit, soziale Absicherung und Klimaschutz.

Weltbank-Chef Ajay Banga mahnte daher: „Schuldenerlasse sind erforderlich.“ Und auch die DFI-Zahlen zeigen, dass für viele Länder Umschuldungen allein wohl nicht reichen: Der Anteil des Schuldendienstes an den Staatsausgaben liegt dort deutlich über dem Niveau der Länder, die in den Achtziger- und Neunzigerjahren von Schuldenerlassen profitiert haben. Doch noch gibt es keine vergleichbare Initiative für das 21. Jahrhundert.

Verpasste Chance für den Klimaschutz

Die Jahrestagung war auch im Hinblick auf die 29. UN-Klimakonferenz (COP29) im November in Baku wichtig. Dort soll ein neues Finanzziel für die internationale Klimafinanzierung beschlossen werden. Ein Teil dieses Geldes wird von den multilateralen Entwicklungsbanken wie der Weltbank kommen müssen, wenn die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll. Der britische Thinktank E3G schreibt: „Die Entwicklungsbanken sind in der Lage, für jeden Dollar an öffentlichem Kapital, den die Regierungen aufbringen, erhebliche Mengen an privaten Investitionen anzuziehen. Diese Hebelwirkung ist von entscheidender Bedeutung, wenn der Investitionsbedarf zur Bewältigung des Klimawandels so hoch und die öffentlichen Mittel so knapp sind.“

Aus Sicht von David Ryfisch von der deutschen Umweltorganisation Germanwatch wurden an der Jahrestagung aber nicht die erforderlichen Beschlüsse getroffen: „Es besteht das Risiko, dass sich der Weltklimagipfel in Baku bei der ungelösten Klimafinanzierungsfrage vollständig blockiert. Das hätte weitreichende Folgen für das multilaterale Klimaregime. Die Industrieländer haben die Chance verstreichen lassen, den letzten großen Moment vor dem Weltklimagipfel zu nutzen, um dieses Risiko mit klaren Finanzierungszusagen zu verringern.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Der reichere Teil der Menschheit lebt auf obszönem Pump.



    Und eine Rückzahlung an die Ärmeren und die nächsten Generationen steht wohl nicht auf dem Plan.

  • Ohne Schulden gibt es kein Wachstum. Der private Sektor ist ein Sparer, also muss sich der Staat verschulden. Deutschland musste das die letzten 20 Jahre nur nicht machen, da sich das Ausland für Deutschland verschuldet hat (Außenhandelsüberschuss). Leider hat die Welt kein Ausland und daher müssen sich die Staaten verschulden.

    Deswegen ist "Während wohlhabendere Länder noch die Möglichkeit haben, ihre Defizite schrittweise zu reduzieren" Unsinn. Wenn Staaten die Defizite reduzieren führt das zu einer Rezession, an deren Ende wieder eine höhere Staatsverschuldung steht, um die Folgen der Rezession zu bekämpfen.

    Die Staatsschulden werden nie getilgt werden. Warum sollte der Staat auch Geld aus dem privaten Sektor mit Steuern ziehen, wenn es keine Inflation gibt? Staatsschulden = Guthaben des privaten Sektors.

  • Solange sich die Wirtschaft immer noch auf Angebotspolitik, Wirtschaftswachstum und der notwendige Konsumsteuerung fixiert und nicht zur Kenntnis nimmt, dass es auch andere Möglichkeiten des Wirtschaftens gibt, wird das mit dem Klimaschutz und der Stabilisierung afrikanischer und lateinamerikanischer Staaten nichts. Schon deswegen nicht, weil Ungleichheit ein zentraler Pfeiler des bisherigen Wirtschaftsverständnisses ist.



    Mann kann die Probleme, die die jetzige Wirtschaftsform erzeugt hat, nicht mit diesem System lösen.



    In sofern: Nette Versuche, aber am Kernproblem vorbei.

  • Solange der Staat seine eigene Währung hat, kann er schlecht bankrott gehen. Die Schulden des Staates ist der Reichtum der Bürger. Dass Problem sind nicht unbedingt die Schulden, sondern die Verteilung des Reichtums. Milliardäre sind bspw. Sackgassen des Kapitalismus. Solange die Wirtschaft nicht ausgelastet ist, sollte der Staat Schulden machen dürfen. Sieht man ja auch eindrücklich in Deutschland. Wir haben einen Investitionsstau in mehreren Zehn Milliarden Euro, zerstören durch unseren Sparfetisch unsere Infrastruktur und gefährden die Zukunft. Nicht gerade schlau, wenn die so viel beschworene schwäbische Hausfrau Schuldenpolitik macht.

  • Staaten müssen Schulden machen, das gilt weltweit solange die Unternehmen Sparer sind.

    Staatsschulden sind kein Problem. In Afrika ist die fehlende stabile Entwicklung das Problem. Man braucht Aufbauzölle und politische Ruhe.