70 Menschen in Seenot im Mittelmeer: Italiens Küstenwache kann auch retten
Überraschung im Mittelmeer: Ein Schiff der italienischen Küstenwache, die Migration verhindern soll, hat 70 Schiffbrüchige nach Lampedusa gebracht.
Die maltesische Küstenwache hatte nach einem Notruf der Initiative Alarmphone unter anderem das private Rettungsschiff Mare Jonio alarmiert. Bevor dieses die Unglücksstelle erreichte, traf ein Fischerboot auf die Schiffbrüchigen. Kurz danach kam die italienische Küstenwache. Weil die Schiffbrüchigen in der Zwischenzeit noch näher an die Küste Lampedusas getrieben waren, brachten die Italiener die Menschen schließlich nach Lampedusa.
Italienische Medien zeigten sich überrascht von der Nachricht. In den letzten Monaten hatte Italiens Lega Nord-Innenminister Matteo Salvini verhindert, dass Flüchtlinge und Migranten in italienische Häfen gebracht werden. Mehrere NGO-Boote wurden in den vergangenen Monaten tagelang auf dem Meer blockiert, nur noch ein Schiff von Proactiva ist derzeit vor Libyen unterwegs. „Es ist Zeit für ein italienisches Schiff“, hieß es auf dem Twitter-Profil von „Mediterranea“.
Bis 2012 waren Lampedusa der erste Punkt Italiens, den Flüchtlinge und Migranten mit Booten aus Nordafrika anzulaufen versuchten. Weil die Zustände für die Aufnahmebedingungen dort immer schlechter wurden, gab es jedoch 2012 einen Aufstand. Die Regierung schloss daraufhin die Insel für Flüchtlinge und Migranten und erklärte, Lampedusa sei „kein sicherer Hafen“. Lampedusa liegt rund 300 Kilometer von der libyschen Küste entfernt. In den letzten Jahren waren kaum noch Boote mit Flüchtlingen und Migranten so weit nach Norden gelangt.
Die Mare Jonio war Anfang Oktober vom Projekt „Mediterranea“ aufs Mittelmeer geschickt worden. Die italienischen Regierung hatte dies zu unterbinden versucht. Das Beobachtungsschiff soll die „dramatische Lage“ der Migranten auf der Flucht aufdecken, hieß es in einer Mitteilung vom Mediterranea. Es soll unter anderem Zeugenberichte sammeln und aufzeigen „wie Frauen, Männer und Kinder enormen Gefahren ausgesetzt sind“, weil es keine Rettungsschiffe mehr gebe.
Das Schiff sei aber auch ausgerüstet, im Notfall Menschen aus Seenot zu retten, ergänzte Neugebauer. „Es geht letztlich darum, Menschen zu retten.“ Beteiligt an der Aktion sind mehrere italienische Organisationen, unterstützt wird es auch von Parlamentariern und der spanischen NGO Proactiva Open Arms. Die Crew komme aus Italien, sagte Neugebauer. Das Schiff soll am Samstag in der Such- und Rettungszone vor Libyen ankommen.
Mittlerweile kommen wesentlich weniger Migranten in Italien an. Und die Überfahrt wird immer gefährlicher. In diesem Jahr kamen bereits mehr als 1.700 Menschen im Mittelmeer auf der Flucht Richtung Europa ums Leben, 1.260 alleine auf der zentralen Route zwischen Libyen und Italien. Die Dunkelziffer liegt nach Angaben von NGOs aber weit höher, weil niemand mehr vor Ort sei, um zu sehen, wie viele Menschen wirklich untergehen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen