60 Jahre Luftbrücke: Berliner wollen Tempelhof stürmen
Luftbrücken-Fest Erstmals nach der Schließung ist heute der Flughafen für einen "Tag der offenen Tür" begehbar. Das will auch ein linkes Bündnis nutzen - und für seine geplante Besetzung des Flugplatzes im Juni werben.
An diesem Dienstag bekommen die Berliner Tempelhof zurück - zumindest kurzzeitig. Bei einem Tag der offenen Tür dürfen sie erstmals seit der Schließung des Flughafens im Oktober das 300.000-Quadratmeter-Areal wieder in Massen betreten. Der Senat lädt zu einem Fest, Anlass ist das Endes der Luftbrücke vor 60 Jahren. 100.000 Besucher werden erwartet. Der Einladung wollen auch linke Gentrifizierungs-Gegner folgen - um für ihren eigenen "Tag der offenen Tür" zu werben: einer Besetzung des Flugplatzes am 20. Juni.
Das Bündnis "Squat Tempelhof" kritisiert die geplante Nachnutzung des Flughafens als symbolisch für eine neoliberale Umstrukturierung Berlins. "Es dominieren private Interessen, die Öffentlichkeit kann nicht mitreden", so Bündnissprecher Paul Hansen zur taz. Angeblich geplante Luxuslofts würden für Mietsteigerungen und Verdrängung von Einkommensschwachen aus dem Flughafenumfeld sorgen. Das Bündnis plädiert für eine Nutzung, die allen Berlinern offen stehe - "von sozialen Zentren bis Bepflanzungen", so Hansen. Mit der geplanten Massenbesetzung wolle man das Gelände für die Öffentlichkeit zurückgewinnen.
Auf dem Luftbrückenfest an diesem Dienstag werde man für das Anliegen und die Besetzung werben, kündigt der Sprecher an. Um 16 Uhr wollen sich die Aktivisten auf dem Vorfeld versammeln. "Wir werden Möglichkeiten aufzeigen, den Zaun zu überwinden", kündigt Hansen an.
Die Berliner Immobilienmanagement GmbG (BIM), die das Gelände verwaltet, sieht den Protest gelassen. Man gehe von friedlichen Aktionen aus, sagt Sprecherin Katja Potzies. Die Polizei will mögliche Störer im Auge behalten. "Bei Bedarf können wir schnell reagieren", so Polizeisprecher Klaus Schubert.
Protest-Organisator Hansen betont, dass man keine Konfrontationen mit der Polizei suche. Dies gelte auch für die geplante Besetzung: Stattdessen wolle man mit vielfältigen, dezentralen Aktionen auf das Gelände gelangen. Wie genau, sei noch geheim. Aber: "Da ist für altgestandene Aktivisten wie neugierige Kiezbewohner was dabei." Gruppen von der Antifa bis zu Kiezinitiativen würden sich im Bündnis tummeln. "Ich bin zu fast 100 Prozent überzeugt, dass wir unsere Wege auf den Flugplatz finden", so Hansen.
Dass Tempelhof ins Visier von Besetzern gerät, will BIM-Sprecherin Potzies nicht dramatisieren: "Wir nehmen das ernst, wollen es aber auch nicht überbewerten." Es würde einen gewissen Aufwand benötigen, um den Zaun zu überwinden. Ein Sicherheitsdienst bewache die mit Stacheldraht versehenen Absperrungen. Man stehe in engem Kontakt mit der Polizei. Dort hat man sich noch auf kein Einsatzkonzept festgelegt, so Polizeisprecher Schubert.
Bereits in der vergangenen Woche verteilten die linken Aktivisten in den an Tempelhof angrenzenden Straßen gefälschte Briefe mit dem Logo der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag. Darin werden vermeintliche künftige Mieterhöhungen aufgrund der "Luxus-Nachnutzung" Tempelhofs angekündigt. "Falls Sie die Mittel nicht aufbringen können, bitten wir Sie, ohne großes Aufsehen Ihre Wohnung zu räumen, um Platz für besser Verdienende zu schaffen", heißt es in dem Schreiben.
Der Neuköllner SPD-Kreisvorsitzende Fritz Felgentreu kritisiert die Aktionen von "Squat Tempelhof" als "unverantwortliche Angstmache". Die Nachnutzung würde das Neuköllner Umfeld nicht teurer, sondern schöner machen. Die Protestierer berufen sich dagegen auf Felgentreus Partei und deren Auftritte vor dem Tempelhof-Volksentscheid 2008. Damals versprach der Senat ein "Tempelhof für alle". "Das ist bis heute nicht geschehen", so Hansen. "Also machen wir das jetzt."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!