Puppenspieler über 50 Jahre Sesamstraße: „Großfiguren brauchen große Gesten“
Peter Röders war der erste Darsteller des Bären Samson. Auch heute noch tritt der gelernte Puppenbauer vor Kindern auf.
taz: Herr Röders, wie sind Sie vor 50 Jahren in Samsons Pelz gelandet?
Peter Röders: Meine damalige Ehefrau und ich haben damals Puppentheater gemacht und kannten natürlich die amerikanische Ausgabe der „Sesamstraße“. Wir hätten nicht im Traum damit gerechnet, dass wir da mal mitspielen würden. Dann suchten die Redakteure des NDR nach Darstellern für die neuen Figuren, fanden uns gut und deshalb bekamen wir das Angebot, die Tiffi und den Samson zu spielen.
Damals hatten ja die US-amerikanischen Erfinder der Sendung auch in Deutschland das Sagen.
Genau, wir sind dann in die USA geflogen und da hat der Puppenbauer Kermit Love die von ihm entworfenen Puppen unseren Charakteren angepasst.
Sie sind auch selbst Puppenbauer. Hat es Sie gewurmt, in der eines anderen zu spielen?
Ja, aber die deutschen Redakteure sagten damals, die Deutschen könnten solche Puppen nicht machen, weil ihnen das Know-how fehlte. Das hat mich geärgert, und darum habe ich dann den Herrn von Bödefeld gebaut. Die Redaktion und auch die Leute in den USA waren dann begeistert.
Er blieb lange die einzige in Deutschland entworfene Figur.
Ja, und er gab der Sendung ein wenig Pfeffer. Da war ja alles sehr harmonisch und liebevoll, richtigen Streit gab es da nie. Aber Herr von Bödefeld hat immer ein wenig rumgemeckert. Er war ja adelig und trug seine große Nase ganz hoch. Das war ein schöner Kontrapunkt.
Wenn alles so schön war, warum haben Sie dann nach knapp sechs Jahren aufgehört?
Als wir anfingen, die deutsche Sesamstraße zu drehen, sind wir lustvoll durch die beiden riesigen Studios rumgetigert, haben viel improvisiert und die geschriebenen Text höchstens als roten Faden genommen. Doch dann gab es auf einmal einen pädagogischen Beirat und der ordnete an, man dürfe zum Beispiel nicht „da“ sagen, sondern es müsse „dort“ heißen. Und dann gab es immer mehr Einschränkungen.
Nämlich?
Man musste sich genau an den Text halten, und das Korsett wurde immer enger. Bei der Regie gab es zum Beispiel immer mehr Nahaufnahmen. Und bei Puppen ist das tödlich, weil die hören auf zu leben, wenn man zu nah an die Gesichter geht. Diese Großfiguren brauchen auch große Gesten.
Animatoren sehen ihren Geschöpfen oft ähnlich. Das ist mir bei den von Ihnen gebauten Puppen auch aufgefallen.
Man sagt, als Puppenbauer baut man immer einen Teil von sich selbst mit hinein.
Haben Sie mal eine richtig fiese Puppe entworfen?
Ich liebe alle meine Figuren. Da kann ich nicht sagen, ob eine fies ist. Aber wir haben mal für eine Firma Videospielfiguren gebaut, die waren schon ein bisschen fieser.
Bei der Sesamstraße waren sogar die Monster lieb.
Man will ja den Kindern keine Angst einjagen. Aber wenn irgendein Kind mal persönlich vor Samson gestanden hat, dann hat es meistens angefangen zu weinen – weil er so ein riesiger Kerl ist.
Wie sind Sie denn zum Puppenspiel gekommen?
Ich habe eine Ausbildung als anthroposophischer Heilpraktiker, da haben wir damals die ersten Puppenspiele für behinderte Kinder gemacht. Das ist sehr gut angekommen, darum bin ich dabei geblieben. Wir haben dann viele Jahre lang Straßentheater mit großen Figuren und Tourneetheater mit kleinen Figuren gemacht.
Sesamstraße-Aktionstag: So, 8. 1., 10–18 Uhr, Hamburg, Museum für Kunst und Gewerbe
Podiumsgespräch „Being Samson“ mit Peter Röders und Klaus Esch (Moderation: Julian Schlichting) um 16 Uhr
Was sind Ihre Werkzeuge?
Vor allem Messer, Schaumstoff, Kleber und natürlich nähen, nähen, nähen.
Analoger geht es kaum. Nehmen Ihnen die digitalen Gewerke nicht die Aufträge weg?
Das war einmal so, aber es hat sich wieder geändert und heute läuft das gut nebeneinander her. Wir bauen ja immer noch Puppen für das Fernsehen, etwa den Raben Rudi für die Sendung „Siebenstern“ oder die neuen Figuren bei „Rudis Rasselbande“.
Haben Sie auch andere Kundschaft?
Wir bauen auch Großfiguren für Firmen wie Playmobil – oder das Maskottchen für den Handballverein THW Kiel.
Was unterscheidet die Puppen fürs Theater von denen im Fernsehen?
Beim Fernsehen müssten sie naturalistischer sein und große Augen haben, denn es lässt nicht viele Raum für die Fantasie. Im Theater kann man einfach einen Holzklotz so bespielen, dass das Publikum glaubt, dieses Stück Holz würde leben. Das kriege ich im Fernsehen nicht hin: Es ist zweidimensional, das ist ein riesiger Unterschied.
Gehen Sie darum immer noch auf Tournee?
Der Grund dafür ist das direkte Feedback, gerade bei Kindern. Wenn denen etwas nicht gefällt, dann stehen die auf und gehen weg.
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