piwik no script img

50 Jahre BFC Dynamo„Der Hass hat uns stärker gemacht“

Der BFC ist seit seiner Gründung umstritten. Der ehemalige Trainer Jürgen Bogs über Erfolge, den Niedergang und Besuche bei Erich Mielke.

Skeptischer Blick: Jürgen Bogs (r.) beobachtet ein Spiel seines BFC Dynamo Foto: imago/Höhne
Interview von Ronny Müller

taz: Herr Bogs, der BFC Dynamo wird 50 Jahre alt. Was empfinden Sie bei diesem Jubiläum?

Jürgen Bogs: Ich freue mich darauf, auch dass ich zur Jubiläumsfeier eingeladen worden bin. Es freuen sich alle, dass man sich im größeren Rahmen mal wiedersieht.

Sie wurden 1977 mit gerade mal 30 Trainer der Oberligamannschaft des BFC Dynamo, haben zuvor Jugendmannschaften des Vereins betreut. Als Sie antraten, war der Verein mäßig erfolgreich. Mit welchem Auftrag sind Sie angetreten?

Ich habe keinen Auftrag bekommen in der Hinsicht, dass ich im ersten Jahr Meister werden sollte. Mein Vorgänger war vier Jahre Trainer und zwei Mal Vizemeister. Das hat wahrscheinlich den Oberen nicht so geschmeckt. Die wollten unbedingt, dass der BFC Dynamo Meister wird.

Der Erfolg hat sich recht schnell eingestellt. Sie sind schon im zweiten Jahr zum ersten Mal Meister geworden. Von da an ging es Schlag auf Schlag – zehn Meisterschaften am Stück. In welchen Punkten war Ihre Mannschaft in den erfolgreichen Jahren den anderen Vereinen sportlich überlegen?

In Sachen Fitness, was die taktische Variabilität betraf und natürlich hatten wir mit Andreas Thom und Thomas Doll einen Sturm, der seinesgleichen suchte. Wir hatten im nationalen Rahmen das Beste, was man haben kann. Und wir haben es immer wieder geschafft, dass die Spieler vor den Spielen geistig voll eingestellt waren. Später kam noch der Hass der gegnerischen Fans dazu: Der hat sie noch stärker gemacht.

Für viele Fans war der BFC über die Jahre ein rotes Tuch geworden. Die wohlwollende Unterstützung der Staatssicherheit ist nicht von der Hand zu weisen. Inwieweit hat die Politik ins Sportliche eingegriffen?

Das ist ein zweischneidiges Schwert. Nicht nur der BFC wurde von der Staatssicherheit hofiert. Bei anderen zivilen Klubs hatten die stellvertretenden Bezirksparteivorsitzenden das Sagen, die Betriebssportgemeinschaften hatten ihre Generaldirektoren der großen Betriebe. Jeder wollte, dass seine Mannschaft vorne steht. Es gab sicherlich die eine oder andere Entscheidung – mal für uns, weniger gegen uns. Aber ich habe damals schon gesagt: Man kann keine 26 Spiele in einer Saison verschieben.

Mussten Sie zum Rapport, wenn es mal nicht so lief?

Jeden Montag früh mussten wir Bericht erstatten bei dem Klubvorsitzenden und dem Parteisekretär. Da gab es eine Ergebnisanalyse vom Wochenende. Und jeden Freitag haben wir zusammengesessen. Da sind dann der für den BFC zuständige General gekommen und der Oberst. Und dann musste ich in meiner ganzen Zeit drei Mal zu Mielke (Minister für Staatssicherheit, Anm. d. Red.). Meistens, wenn wir mal verloren hatten. Dann hat er immer geschwärmt von dem Spiel gegen Roter Stern Belgrad im Europapokal 1978. Wir haben da 5:2 gewonnen. Das müssten wir doch wieder so machen. Nach einer halben Stunde bin ich wieder raus und das war es dann.

Im Interview: 

68, trainierte von 1977 bis 1989, 1990 bis 1993 und 2000 bis 2001 die erste Mannschaft des BFC und feierte mit ihr zehn DDR-Meisterschaften.

Wie haben Sie die Anfeindungen der Fans anderer Vereine erlebt?

Wenn wir nach Erfurt oder Jena kamen, hieß es „Stasi-Schweine“. Das hat mich aber gar nicht so sehr interessiert. Die Spieler haben darauf auch nicht reagiert. Das hat sie nur weiter zusammengeschweißt.

Sie haben dann 1989 den Verein verlassen.

Ich bin abgelöst worden mit dem Gewinn des zweiten Tabellenplatzes. Wir mussten ins Büro der zentralen Leitung. Dann wurde uns mitgeteilt, dass der Ko-Trainer mit sofortiger Wirkung von der Mannschaft weggehen muss und ich aufgrund meiner Erfolge noch bis Spieljahresende bleiben darf. Da hab ich dann aufgehört. Dann kam die Wende und dann ging eh alles drunter und drüber. Da kam der Verkauf von Andreas Thom zu Bayer Leverkusen. Ab da wollten sie alle weg.

Wie war die Stimmung in der Mannschaft zu der Zeit?

Die war ganz mies. Die wollten alle von heute auf morgen Westgeld, die wollten alle Autos. Es wurden immer weniger Spieler. Dann kam das Jahr, in dem man sich für die westdeutschen Ligen qualifizieren musste und wir waren weder in der ersten noch in der zweiten Liga.

Schon auch ein Rekordmeister: der BFC Dynamo

Gründung: Der Verein wurde am 15. Januar 1966 gegründet. Wegen der Unterstützung des Staatssicherheits-Chefs Erich Mielke galt er als „Stasi-Klub“. Einige Schiedsrichter-Entscheidungen werden bis heute diskutiert.

Erfolge: Zwischen 1979 und 1988 gewann der BFC Dynamo zehn DDR-Titel und ist damit Rekordmeister der Oberliga. Zwischendurch blieb der Verein 36 Spiele lang ungeschlagen. Aktuell spielt er in der viertklassigen Regionalliga Nordost.

Festakt: Seinen 50. Geburtstag feiert der Verein mit rund 1.000 Gästen und vielen Ehemaligen.

Das war dann Ihre zweite Amtszeit als BFC-Trainer. War da schon zu spüren, dass es mit der erfolgreichen Zeit des Vereins vorbei ist?

Ja, das hat man schon gespürt. Dass man nach der Wende gleich super Sponsoren findet, das war ja in der ganzen DDR nicht so. Aber der BFC war dann das gebrannte Stasi-Kind. Vor allen, die trotzdem noch zum BFC gekommen oder geblieben sind, muss man den Hut ziehen. Nicht nur die Spieler der Männermannschaft wurden beschimpft, auch die Kinder und deren Eltern. Das war eine ganz schlimme Zeit. Da hat man auch gemerkt, dass das vorläufig nichts werden kann mit dem sportlichen Erfolg.

Sie sind dann 2000 ein zweites Mal zurückgekommen, bis 2001. Kurz danach ging der Verein in Insolvenz. Dachten Sie zu dem Zeitpunkt, das war es mit dem Verein?

Daran, dass der Name ganz verschwindet, habe ich nicht gedacht. Irgendjemand hat das notwendige Geld aufgebracht, um dieses Insolvenzverfahren abzuwenden. Der BFC hat dann in der Berlin-Liga gespielt.

Sie sind 2013 mit ihrem damaligen Verein Neubrandenburg noch einmal dem BFC begegnet. Wie hatte sich der Verein in der Zwischenzeit verändert.

Der BFC hatte sich wieder konsolidiert, wollte aufsteigen und hat eine entsprechende Mannschaft gehabt. Da wusste man schon, die steigen in die Regionalliga auf, und da sind sie ja jetzt auch und spielen dort eine ganz gute Rolle.

Wie ist ihr Verhältnis zum Verein heute?

Ich bin noch Ehrenmitglied beim BFC Dynamo, aber das Verhältnis ist nicht so rosig. Die Vergangenheit zählt bei den heutigen Vereinsvorsitzenden nichts. Eine freie Eintrittskarte kriege ich nicht, in den VIP-Bereich lassen sie mich hin und wieder rein. Aber da hätte ich mir doch schon ein bisschen mehr gewünscht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Von den 10 Meistertiteln gehen mindestens die Hälfte auf das Konto willfähriger Schiedsrichter.An erster Stelle muß da der Herr Prokop genennt werden.Da wurde schon mal 10 Minuten länger gespielt und schnell noch ein Elfer gegeben.Wenns eng wurde aber auch mal wie bei Chemie Leipzig schon nach 85 Minuten Schluß gemacht.