„48 Stunden Neukölln“ diesmal digital: Alles ohne anfassen
Das Kunst- und Kulturfestival „48 Stunden Neukölln“ findet vom 19. bis 21. Juni mit wenigen Ausnahmen online statt. Ist das eine gute Idee?
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Im März, mitten in der Hochphase des Lockdowns, mussten die beiden Festivalleiter Martin Steffens und Thorsten Schlenger entscheiden, was in diesem Jahr geschehen sollte, auch unter dem Eindruck der Fördersituation. 48 Stunden Neukölln befindet sich aktuell im ersten Jahr einer erstmaligen Förderung für vier Jahre. Sie entschieden sich gegen die Absage, auch gegen ein Verschieben in den Spätsommer und für den üblichen Termin mit Online-Version und kleinen analogen Beibooten – als da wären Schaufensterausstellungen, Poster an Bushaltestellen und Installationen im Außenraum.
Nun, drei Monate später, können Museen und Galerien schon seit einiger Zeit unter neuen Regeln wieder besucht werden. Ab dieser Woche sind sogar Open-Air-Veranstaltungen mit bis zu 500 Personen erlaubt. Eigentlich. Unverantwortlich wäre es freilich dennoch gewesen, wieder die üblichen 48-Stunden-Neukölln-Menschenansammlungen herbeizukuratieren. Aber: Kann es ohne überhaupt gehen?
„Wir hätten natürlich lieber analoge 48 Stunden Neukölln“, gab Schlenger bei der Zoom-Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag zu. Die Online-Variante sei ein „Experiment“.
Charme des Improvisierten, Unperfekten
Das war 48 Stunden Neukölln andererseits schon immer. Das Festival lebt gerade durch seinen Charme des Improvisierten, des Unperfekten. Online jedoch ist es ja aber so – was nicht funktioniert, wird weggeklickt. Ob die Idee Erfolg haben wird, wird also tatsächlich von der technischen Umsetzung abhängen. Und der Qualität des Gezeigten natürlich.
Weitere Künstler*innen wurden nämlich keine eingeladen. Diejenigen, die sich zu dem Zeitpunkt bereits beworben hatten, wurde gefragt, ob sie sich darauf einstellen wollten – oder verzichten. Positiv sei die Online-Idee von den Künstler*innen aufgenommen worden, heißt es von Seiten der Veranstaltungsleitung, und dass 50 Prozent dabeigeblieben seien.
Letztlich sind immerhin 200 Teilprojekte zustande gekommen, die überwiegend interaktiv sein sollen. „Ihre digitale Zwischennutzung“ nennt Schlenger den sogenannten Live-Raum – ein digitaler Flur mit 48 Türen, hinter jeder ein 3-D-animiertes Projekt. Statt der Entdeckungsreise per pedes soll diese dort per Klick erfolgen. Hinzu kam außerdem der #systemrelevant zum Titel „BOOM“, was dann aber doch ein wenig zu trotzig und zu wenig selbstbewusst klingt.
Vielversprechend mutet hingegen das eine oder andere aus dem Programm an, zeitgemäß im besten Sinne etwa die Tanzperformance von Lisa Premke und Mirjam Gurtner – übertragen aus dem Kesselhaus des KINDL – über Isolation und Berührungslosigkeit. Die zentrale Ausstellung „Collapse“ wird aus dem Umspannwerk in der Richardstraße gesendet, nicht nur als virtuelle Schau, sondern inklusive Touren mit Kunstvermittler*innen und digitalem Zusatzmaterial.
Einen Vorteil hat das Ganze zumindest: Dass die Wettervorhersage für das kommende Wochenende tatsächlich eher bescheiden ausfällt, ist ziemlich egal.
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