40 Jahre taz: Frauenjournalismus: Die Anfänge von Herstory
Die Geschichte des Frauenjournalismus in der taz ist eine Geschichte von Widersprüchen, großen Hoffnungen und tiefen Enttäuschungen.
In der Frauenredaktionsgruppe träumten wir von der Hälfte der Zeitung von und für Frauen. Wir fühlten uns emanzipiert, selbstbewusst, durchsetzungsfähig, oder taten zumindest so. Getragen von der Euphorie, das „Projekt Tageszeitung“ mit den „Genossen“ aufzubauen, und von Frauenpower, die, so schien es, gesellschaftlich auf dem Vormarsch war: Aufbruch in eine Zukunft, die weiblich ist, mit Frauenzentren, -buchläden, Initiativen gegen Gewalt, von Frauen besetzten Häusern und Parolen wie „Die Herrschaft der Schwänze hat ihre Grenze“. Nicht nur ich wollte Kapitalismus samt patriarchalen Strukturen abschaffen und dachte, die Mehrheit der taz-Männer wollte das auch.
Mit der Tagesproduktion kam die Ernüchterung. Ermüdende Streits auf Redaktionskonferenzen um Relevanz und Platz. Oft blieben Frauenthemen auf der Strecke. Angeblich zu wenig politisch oder aktuell, schlecht recherchiert oder geschrieben. Ein Teil der Männer, immer sekundiert von Frauen, offenbarte eine herabwürdigende, objekthafte Sicht auf Frauenkörper und Sex.
Das Fass zum Überlaufen und den ersten Frauenstreik brachten dann „Gernot Gailers“ Männerfantasien (siehe Ute Scheub: „Nichts als die nackte Wahrheit“). Ein weiterer Frust: Gerade in den ersten Jahren zeigten sich die verschiedenen Frauenszenen skeptisch bis misstrauisch gegenüber diesem linken „Macho-“Blatt; ihre Infos flossen spärlich, sollten nur unverändert ins Blatt. Unser Dilemma: Wir wollten ihre Akzeptanz, aber nicht nur Sprachrohr sein.
Am 27. September 1978 erschien die erste sogenannte Nullnummer der taz. Es gab noch keine tägliche Ausgabe, aber einen kleinen Vorgeschmack auf das, was die Abonnent*innen der ersten Stunde von der „Tageszeitung“ erwarten können. Die erste Nullnummer können Sie sich
.In Erinnerung an die allererste taz-Ausgabe haben die taz-Gründer*innen am 26. September das Ruder übernommen und die Printausgabe der taz vom 27. September 2018 produziert. Dieser Text stammt aus unserer Gründer*innen-Sonderausgabe.
Frustration bis zur Aufgabe
Die Kritik und Ablehnung von außen wie innen nagten am Selbstbewusstsein, schürten Selbstzweifel, ob wir die eigenen Ansprüche eines frauenpolitischen Journalismus erfüllen könnten. Ein weiteres Dilemma: Wir waren zum Teil mit diesen Männern befreundet, flirteten, hatten Liebesbeziehungen, wollten ihre Anerkennung und eben auch Solidarität.
Sie aber führten uns vor Augen: Dieses linksradikale, antihierarchische Projekt ist keine Insel der Glückseligen, sondern Spiegel geschlechterpolitischer Machtbeziehungen. Daran konnten auch Frauenstreik, Frauenquote, regelmäßige Frauenseiten nichts ändern. Dass rund 20 taz-Frauenredakteurinnen im Lauf der Zeit das Handtuch geschmissen haben, spricht für sich.
Dennoch halte ich diese Kämpfe nicht für vergeblich. Zwar habe ich heute bei vielen Themen und Debatten Déjà-vu-Erlebnisse. Noch immer ist sexualisierte Gewalt an Frauen, Kindern, in Familien verbreitet, wird bagatellisiert, und Frauenhäuser bekommen zu wenig Geld. Noch immer werden Frauen vor Gericht als Vergewaltigungsopfer entwürdigend behandelt, wieder gibt es Kämpfe um das Recht auf Abtreibung. Doch heute bleiben diese Themen nicht in der frauenpolitischen oder linken (oder linksliberalen) Szene. Sie haben in den gesellschaftlichen Mainstream gefunden – wenn auch zu wenig.
Dabei spielt die rasante Entwicklung des Internets eine große Rolle. #MeToo und zuvor der #Aufschrei zeigen: Hier ist eine neue, offensive Frauenszene herangewachsen, jenseits des Karriere-Feminismus zu Anfang der 2000er Jahre, der von neoliberalem Denken gespeist war. Und es gibt, vor allem von Frauen-/Lesbenbewegungen erkämpft, frauenfreundlichere Gesetze – zum Schutz gegen Sexismus, Gewalt auch in der Ehe – und ganz unterschiedliche Geschlechterbilder und Lebensformen wie die Homoehe sind institutionell anerkannt.
Auch der gegenwärtige Rollback, im Rechtsnationalismus und Populismus auf die Spitze getrieben, ist Reaktion auf erkämpfte Errungenschaften. Hier geht es im Kern um patriarchale Selbstbehauptung, die Verteidigung männlicher Privilegien und Definitionsmacht bis ins Private hinein. Im Extrem bricht sie sich Bahn durch An- und Übergriffe auf Geflüchtete, Migrant*innen, „das Fremde“ und damit auch geschlechterpolitisch „Andere“ schlechthin. Insofern sind Sexismus und Rassismus eng miteinander verwoben. Geschlechterkämpfe mit intersektionalem Blick bleiben deshalb wichtig.
Öffentlich ausgetragener Geschlechterkampf
Doch ich sehe keinen Grund zu Verzagtheit oder Resignation. Gerade wir Frauenbewegten haben mit unseren Kämpfen zum gesellschaftlichen Wandel, zu einer vielfältigeren und offeneren Gesellschaft viel beigetragen. Daran hatte auch die taz ihren Anteil. Verdienst und Besonderheit: Sicher auch dem Zeitungscharakter geschuldet, hat die taz ihre internen Geschlechterkämpfe nach außen getragen, in aller Verkrampfung und Verdruckstheit, die woanders gedeckelt werden.
Nicht zuletzt durch die „Skandale“ hat sie Anstöße gegeben und sich selbst veränderungswillig gezeigt. Mit ihren Bemühungen um eine inzwischen breiter gefächerte geschlechterpolitische und interkulturelle Berichterstattung ist sie als Tageszeitung Vorreiter, allen neoliberalen Wendungen zum Trotz, die sie leider auch mitmacht(e). Ob zwei stellvertretende Chefredakteurinnen (mit einem Häuptling) Ausdruck davon sind, wird sich erweisen.
Und schließlich: Ich selbst habe der taz zu verdanken, eine unerschrockene Feministin geworden zu sein, mit Streitlust und Beharrungsvermögen. Wie sonst könnten wir der Utopie einer Gesellschaft näherkommen, die ohne Gewalt und Diskriminierung ist, in der Geschlecht keine Bedeutung mehr hat und erst recht nicht über Macht entscheidet?
Ja, ich habe immer noch die Vision einer Gesellschaft, in der Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe und die Ethnisierung von Religion keine Rolle spielen, in der Menschen nicht als Ware verkauft und ausgebeutet werden, mit bunten Lebensformen, einem Wirtschaften ohne Profitstreben und Wachstum, ohne die ungerechte Verteilung von Besitz, Ressourcen und Macht.
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