piwik no script img

25 Monate Haft für JournalistinHärter wegen „Terrorpropaganda“

Nach der Verurteilung der türkisch-finnischen Journalistin Ayla Albayrak wird in Skandinavien gefordert, die türkische Regierung anzugehen.

Ayla Albayrak, 2012 Foto: dpa

Die am Mittwoch erfolgte Verurteilung der Journalistin Ayla Albayrak (taz berichtete) zu einer Haftstrafe von 25 Monaten wegen „Terrorpropaganda“ durch ein türkisches Gericht, hat in Finnland für viel Aufregung gesorgt. Albayrak, die als Reporterin für das Wall Street Journal (WSJ) arbeitet, hat neben der türkischen auch die finnische Staatsangehörigkeit. Sie ist damit die erste Medienvertreterin aus einem EU-Land, die in der Türkei für ihre Arbeit unter dem Vorwurf des Verstoßes gegen die Antiterror-Gesetzgebung verurteilt wurde.

Staatspräsident Sauli Niinistö schickte am Freitag einen – nicht veröffentlichten – Brief an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und bat darin um nähere Aufklärung. Am gleichen Tag war auch der türkische Botschafter in Finnland ins Außenministerium zitiert worden. Außenminister Timo Soini verurteilte das Urteil und bezeichnete es als Ausdruck einer „besorgniserregenden Entwicklung“. Seiner Meinung nach gebe es nichts in der Arbeit der Reporterin, das die jetzige Verurteilung rechtfertigen könne. Er habe das Thema Menschenrechte bereits mehrfach mit seinem türkischen Amtskollegen erörtert, es werde nun verstärkte diplomatische Kontakte geben.

„Man hätte da ruhig etwas deutlicher werden können“ kritisiert der ehemalige Außenminister Erkki Tuomioja die Reaktion von Niinistö und Soini, und auch der türkischstämmige Abgeordnete der Grünen, Ozan Yanar, fordert die Regierung in Helsinki auf, „die Samthandschuhe auszuziehen“. Gerade Soini habe trotz aller Menschenrechtsverletzungen noch im Januar von den „gleichen demokratischen Werten“ gesprochen, die Finnland und die Türkei angeblich teilten.

Der Fall Albayrak solle sofort zu einem Thema auf Regierungsebene gemacht werden, meint Kaius Niemi, Chefredakteur von Helsingin Sanomat und Vorstandsmitglied des International Press Institute: Nicht nur die finnische Regierung, sondern auch die EU müssten „nachdrücklicher und beständig zu der zunehmend problematischer werdenden Pressefreiheits- und Menschenrechtslage in der Türkei Stellung nehmen“.

Die Behandlung Albayraks zeige, „dass Erdoğan seinen Feldzug gegen unabhängigen Journalismus fortsetzen will“, kommentierte Bitte Hammargren, Leiterin der Nahostabteilung des schwedischen Außenpolitischen Instituts in Stockholm. Man müsse dieses Urteil in einem größeren Zusammenhang sehen, unter anderem auch in Bezug auf den Welt-Korrespondenten Deniz Yücel. Und Hammargren kritisiert: „Wirklichen Druck auf Ankara zu machen, wagen die Regierungen der EU-Länder aus Angst, die Türkei werde dann das Flüchtlingsabkommen aufkündigen, offenbar nicht.“

Das Zeichen: Wir bestrafen jeden

Der gerade aus der Türkei zurückgekehrte TV-Korrespondent Tom Kankkonen vermutet, dass die türkische Justiz jetzt ganz bewusst die Journalistin einer angesehen US-Zeitung ausgewählt habe, „um zu demonstrieren, dass wir jeden bestrafen, unabhängig davon, woher er kommt und für wen er arbeitet“. Was auch ein Fingerzeig sein könne, was Yücel erwarten könnte.

Wirklichen Druck auf Ankara zu machen, wagen die Regierungen der EU-Länder nicht

Bitte Hammargren

Der Vorwurf der „Terrorpropaganda“ gegen Ayla Albayrak gründet sich auf eine im August 2015 im WSJ veröffentlichte Reportage über den Kurdenkonflikt, in dem sowohl die Regierung wie PKK-SprecherInnen zu Wort kommen. Laut WSJ-Chefredakteur Gerard Baker war die Absicht, ein wahrheitsgetreues Bild der Situation zu vermitteln: „Was auch gelungen ist.“ Baker verurteilte das Vorgehen gegen die Journalistin, ähnlich wie US-Senator John McCain, der forderte, „die USA sollten verlangen, dass die türkische Regierung alle zu Unrecht inhaftierten Journalisten freilässt“.

Das Urteil gegen Albayrak, die sich laut WSJ gerade in New York aufhält, erfolgte in ihrer Abwesenheit. Sie will Berufung einlegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Erdogan beendet damit nicht nur die Pressefreiheit im eigenen Land, sondern verhindert auch unabhöngige Berichterstattung jenseits der Landesgrenzen. Viel wirksamer als das Lesen des Wall Street Journals in der Türkei zu verbieten, ist es, die Inhalte des Wall Street Jounrals zu zensieren. Wenn ausländische Korrespondenten in der Türkei nicht mehr unabhängig schreiben können, wird es auch keine kritische Meinungsäußerung über die türkische Politik in den internationalen Medien mehr geben. Diesen Angriff auf unsere Pressefreiheit - unabhängig von der sowieso nicht mehr existierenden Pressefreiheit in der Türkei - dürfen wir uns nicht gefallen lassen.

    • @Velofisch:

      "Wenn ausländische Korrespondenten in der Türkei nicht mehr unabhängig schreiben können,"

      Sie hat die türkische Staatsbürgerschaft.

      Es ist in der Türkei bei Strafe verboten, mit Terroristen geführte Interviews zu veröffentlichen.

      Ayla Albayrak sowie das WSJ, die Welt und Yücel, kannten die Gesetzeslage.

      Die Durchsetzung eines Gesetzes als Angriff auf die Pressefreiheit kritisieren statt das Gesetz selbst.

      Wen in einem Land, ein Gesetz die Pressefreiheit nach eigener Meinung einschränkt, dann muss man für die Veränderung dieses Gesetzes eintreten, das passiert aber nicht, dafür müsste man zig Tausende hinter sich haben, was nicht ist, und wie sieht es aus wenn Länder die Gesetze anderer Länder kritisieren, sieht nach Einmischung aus, dann bleibt nur noch dieses Gesetzt zu brechen, damit es publik wird. Wenn nach der Publikation von Angriff auf die Pressefreiheit geredet wird und von Angreifern, aber kein Wort über das Gesetzt und kein Wort das man dieses Gesetz gebrochen hat, dann hatte man meiner Meinung nach nicht dieses Gesetz als Ziel, das Ziel sind dann die, die das Gesetz durchsetzen. Redet man jetzt von willkürlicher Verhaftung, dann suggeriert man, dass die Verhaftung keine Gesetzes Grundlage hat, somit wird das existierende Gesetz als nicht vorhanden wahr genommen und die Verhaftung und Verurteilung folglich als Willkür. Willkür erlaubt anderen Staaten die Einmischung, weshalb diese auch nie von rechtswidrigen Verhalten reden.

      "Diesen Angriff auf unsere Pressefreiheit....dürfen wir uns nicht gefallen lassen."

      Wer in den USA eine reine Weste hat, kann problemlos Waffen kaufen, schwere Waffen, für die man in Deutschland sofort eingesperrt wird.

      Wie würde es bei Ihnen ankommen, wenn Sie von einem US Bürger hören, der die deutschen Waffengesetze kritisiert und sagt diesen Angriff auf unsere Freiheit dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Die Gesetze anderer Länder greifen Ihre Freiheit hier in Deutschland an?

  • "Der Vorwurf der „Terrorpropaganda“ gegen Ayla Albayrak gründet sich auf eine im August 2015 im WSJ veröffentlichte Reportage über den Kurdenkonflikt, in dem sowohl die Regierung wie PKK-SprecherInnen zu Wort kommen"

     

    Das veröffentlichen, von mit Terroristen geführten Interviews ist in der Türkei verboten und steht unter Strafe, das ist Fakt.

    Aus Sicht türkischer Gesetze, hat sie Terroristen medial eine Plattform ermöglicht, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nicht wusste, dass sie sich damit strafbar macht.

     

    " Laut WSJ-Chefredakteur Gerard Baker war die Absicht, ein wahrheitsgetreues Bild der Situation zu vermitteln: „Was auch gelungen ist.“ Schön, aber irrelevant, die Absichten kümmern die Gesetzes Paragraphen nicht.

     

    "Tom Kankkonen vermutet, dass die türkische Justiz jetzt ganz bewusst die Journalistin einer angesehen US-Zeitung ausgewählt habe," Bewusst ausgewählt weil sie sich strafbar gemacht hat? Sie jetzt ausgewählt, jetzt ist August 2015