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25 Jahre Abkommen in GuatemalaFriedlich ist es nicht

In Guatemala beendete ein Friedensabkommen den blutigsten Bürgerkrieg Mittelamerikas. Doch heute grassieren Armut und Korruption.

Große Unzufriedenheit: Indigene in Guatemala-Stadt protestieren gegen eine Nickelmine, Oktober 2021 Foto: Esteban Biba/EFE/imago

Hamburg taz | Jedes Jahr findet der Festakt zur Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen Regierung und der Guerilla-Dachorganisation der Revolutionären nationalen Einheit Guatemalas (URNG) im Kulturpalast in Guatemala-Stadt statt. Zum 25. Jahrestag am 29. Dezember könnte sogar Präsident Alejandro Giammattei kommen, um eine weiße Rose am Denkmal für den Frieden niederzulegen.

Friedlich geht es in Guatemala unter der Regie des konservativen und als hyperkorrupt geltenden Präsidenten allerdings nicht zu. Das verrät ein Blick in die Statistiken: „40 Prozent der Kinder in Guatemala sind chronisch unterernährt. 80.000 Minderjährige werden jedes Jahr schwanger, etliche davon nach Vergewaltigungen. Gewalt gegen Frauen ist das landesweit am zweithäufigsten angezeigte Delikt, die Ungleichheit hat sich weiter vertieft, statt weniger zu werden“, zählt die Rechtsanwältin und bekannte Feministin Paula Barrios die chronischen Defizite auf.

Die hätten eigentlich, so sahen es die zwölf im Friedensabkommen enthaltenen Verträge vor, lange abgebaut sein müssen. Doch an der Verteilung der Anbauflächen, der Ungleichheit und der Ausgrenzung der indigenen Völker der Maya hat sich kaum etwas geändert. In der Coronapandemie ist die Armutsquote gar von 45 auf 47 Prozent gestiegen – kein Wunder, denn mehr als siebzig Prozent der Bevölkerung haben keine formale Anstellung. Sie wurden entsprechend hart von der Pandemie erwischt. Guatemalas Wirtschaft ist die größte Mittelamerikas, doch sie schrumpfte 2020 um 2 Prozent.

Wir haben es derzeit mit einer Rückwärtsrolle auf allen Ebenen zu tun

Claudia Samayoa, Philosophin

Für das laufende Jahr wird zwar ein Wachstum von bis zu 5 Prozent prognostiziert, doch das kontrastiert stark mit der steigenden Zahl an Gua­temal­tek:innen, die ihr Land verlassen. Es ist die Jugend, die das Land aus Perspektivlosigkeit verlässt, so Anwältin Barrios. „Zwar war die Unterzeichnung des Friedensvertrages 1996 der Startschuss in eine demokratische Ära, allerdings haben wir es nicht geschafft, die Demokratie zu konsolidieren“, kritisiert Barrios. „Heute haben wir eine Regierung, die zwar demokratisch legitimiert ist, aber kleptokratisch agiert.“

Das zeigt sich etwa in der niedrigen Steuerquote, die bei nur 13 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt. Auf dem Korruptionsindex rangiert Guatemala auf Platz 149 von 180 – Tendenz fallend.

Zaghafte Fortschritte

„Nicht einer der Verträge des Friedensabkommens von 1996 ist komplett umgesetzt worden. Wir haben es derzeit mit einer Rückwärtsrolle auf allen Ebenen zu tun“, moniert Claudia Samayoa. Die Philosophin zählt zu Guatemalas bekannten Ak­ti­vis­t:in­nen für die Menschenrechte.

Mit Udefegua hat sie die am besten vernetzte Organisation aufgebaut, die Angriffe auf Jour­na­lis­t:in­nen genauso wie auf Umwelt- und Menschenrechts-Aktivist:innen registriert. Unter der seit Januar 2020 amtierenden Regierung von Alejandro Giammattei ist die Zahl solcher Übergriffe angestiegen. „25 Jahre nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens sind wir in einer miesen Situation. (…) Aber immerhin wissen die Menschen heute, warum das so ist und welche Rolle die Korruption der Eliten spielt“, sagt die 54-Jährige.

Ein Fortschritt, der viel zu tun gehabt habe mit der Präsenz der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit in Guatemala (Cicig). Die arbeitete von 2007 bis 2019 im Land, um die Justiz zu stärken. „Sie hat uns vor Augen geführt, wie die Korruption funktioniert“, meint Samayoa, die auch auf den positiven Effekt der wenigen Bürgerkriegs-Prozesse verweist: „Die haben trotz eines längst nicht immer positiven Ausgangs die Gesellschaft sensibilisiert.“

Der Prozess gegen Ex-Diktator Efraín Ríos Montt vom Mai 2013 ist dafür das beste Beispiel. Der Mammutprozess endete mit einem historischen Urteil: Wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde der Ex-General zu 80 Jahren Haft verurteilt. Er sei während seiner Herrschaft von März 1982 bis August 1983 für Mord, Folter und die Zwangsumsiedlung Tausender Maya verantwortlich gewesen, so Richterin Yassmín Barrios in der Urteilsbegründung.

Nie zuvor wurde ein ehemaliger Staatschef im eigenen Land wegen Völkermordes verurteilt. Entsprechend groß war der Jubel unter den Ixil und anderen Maya-Völkern, gegen die die Militärs mit unglaublicher Brutalität vor allem zu Beginn der 1980er Jahre vorgingen.

„Zehn Tage später wurde das Urteil nach massivem Druck auf die Verfassungsrichter von der Cacif, dem Unternehmerverband, unter fadenscheinigen Gründen gekippt“, so Michael Mörth, deutscher Jurist und Berater einer Menschenrechtskanzlei in Guatemala-Stadt. Ein Formfehler lieferte die Begründung. Zwar wurde das Urteil wenige Jahre später weitgehend bestätigt, doch der in den USA ausgebildete Ex-General Ríos Montt verstarb im April 2018 friedlich im eigenen Haus.

Schlangen an der US-Südgrenze

Grund dafür sind die Machtstrukturen in Guatemala. An denen hat sich auch 25 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges nichts geändert. Dafür sind die USA mitverantwortlich.

1954 war es die CIA, die den demokratisch gewählten Präsidenten ­Jacobo Árbenz stürzte, weil er eine Agrarreform vorbereitete. 1981 hielt US-Präsident Ronald Rea­gan der Diktatur unter Ríos Montt trotz Dutzenden Massakern die Treue, und 2017 und 2018 schaute die Trump-­Administration weg, als der UN-Kommission gegen die Straflosigkeit die Arbeit unmöglich gemacht wurde, schrieb der ­guatemaltekische Journalist Martín Rodríguez Pellecer 2018 in der New York Times. Dreimal hätten die USA einer potenziellen Demokratisierung Guatemalas die Luft abgedreht, so Pellecer.

Zu den Folgen zählen auch die derzeit an die Südgrenze der USA drängenden Mi­gran­t:in­nen. 2021 ist die Zahl der Flüchtenden aus Guatemala sowie Honduras und El Salvador gestiegen – für Claudia Samayoa eine direkte Folge der galoppierenden Korruption in den Herkunftsländern. „Korruption schafft Armut“, sagt sie. Samayoa mahnt vor dem wachsenden Einfluss mexikanischer Kartelle in Guatemala. Auch das wäre vermeidbar gewesen: mit der Implementierung des Friedensabkommens von 1996.

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