2. Staffel „Unbreakable Kimmy Schmidt“: Grell, abgedreht und smart
Ab Freitag läuft die zweite Staffel von Tina Feys „Unbreakable Kimmy Schmidt“ auf Netflix. Die Sitcom ist überzeichnet und realitätsnah zugleich.
![US-Autorin und Komikerin Tina Fey und Schauspielerin Ellie Kemper bei der Premiere der zweiten Staffel von „Unbreakable Kimmy Schmidt“ US-Autorin und Komikerin Tina Fey und Schauspielerin Ellie Kemper bei der Premiere der zweiten Staffel von „Unbreakable Kimmy Schmidt“](https://taz.de/picture/1132872/14/KimmySchmidt14042016_ap.jpeg)
Kimmy Schmidt ist kein Opfer. Zumindest verweigert sie sich dem gesellschaftlichen Stigma, das ihr angeheftet wird, nachdem die 29-Jährige aus dem unterirdischen Bunker eines Weltuntergangskults befreit wird, in dem sie und drei weitere Frauen von ihrem Sektenführer 15 Jahre lang festgehalten wurden.
Die mediale Öffentlichkeit stürzt sich unmittelbar nach der spektakulären Rettungsaktion auf die Befreiten und belegt sie mit dem Hashtag-tauglichen Etikett der „Maulwurf-Frauen“, um sie sich als Story zu vereinnahmen.
Doch Kimmy Schmidt hat kein Interesse daran, sich in eine neue Rolle drängen und ihr Leben ein weiteres Mal fremdbestimmen zu lassen. Sie entschließt sich dazu, in der anonymen Großstadt New York ein neues Leben zu beginnen und ihr Schicksal endlich selbst in die Hand zu nehmen. Es dauert auch nicht lange, bis sie Unterschlupf in einer WG mit einem schwarzen homosexuellen Schauspieler findet und einen Job als Nanny bei einer unglücklichen Millionärsgattin. Von nun an heißt es: willkommen im Leben!
Die Serie „Unbreakable Kimmy Schmidt“ hätte mit dieser Prämisse auch Stoff für eine rutschige Seifenoper oder eine melodramatische Telenovela sein können. In den deutschen Fernsehanstalten hätte man sich sicher gut einen emotionalen Fernsehfilm vorstellen können, in der eine starke Frau „ihren Weg“ geht.
Doch dank der US-Autorin und Komikerin Tina Fey, die die Serie zusammen mit Robert Carlock entwickelt und geschrieben hat, ist sie stattdessen zu einer der grellsten, abgedrehtesten und smartesten Sitcoms der Gegenwart geworden: die Coming-of-Age-Geschichte einer erwachsenen Frau.
Aufrichtige Tiefe statt Karikatur
Fey hat die Serie der Schauspielerin Ellie Kemper auf den Leib geschrieben, die vor allem durch ihre Rolle in der US-Version der Serie „The Office“ bekannt wurde. In der Rolle der immer optimistisch-fröhlichen Kimmy kann sie ihr Talent erneut unter Beweis stellen, denn trotz des konstant überdrehten Tons der Comedy und des kindlich-naiven Charakters ihrer Figur schafft sie es dennoch, der Titelfigur eine aufrichtige Tiefe und glaubwürdige Autorität zu verleihen, die sie niemals zur Karikatur werden lässt.
Daran trägt Tina Fey als Autorin und Vorbild einen großen Anteil. Das ehemalige Ensemblemitglied der traditionsreichen Sketch-Show „Saturday Night Live“ wurde im US-Wahljahr 2008 durch ihre Auftritte als Sarah-Palin-Parodistin weltweit bekannt. Zusammen mit ihrer Freundin Amy Poehler („Parks and Recreation“) gehört sie nicht nur zu den besten Komikerinnen des US-Fernsehens, sondern auch zu seinen klügsten und wichtigsten Autorinnen und Produzentinnen.
Feys TV-Welten sind rasant inszenierte, bunt überzeichnete und cartoonartige Abziehbilder der Wirklichkeit, aber eben immer noch eindeutig in unserer Realität verankert.
Die Gegenwart mit den 90ern konfrontieren
Durch diese Divergenz kann Fey unorthodox und spielerisch mit Themen wie Feminismus, Sexismus, den Umgang mit Minderheiten, Medienkritik und Popkultur umgehen.
Das hat sie über sieben Staffeln lang in ihrer gefeierten Fernsehsatire „30 Rock“ getan, in der sie aus dem Alltag hinter den Kulissen einer Comedyshow erzählte und selbst die Hauptrolle spielte. Mit „Unbreakable Kimmy Schmidt“ setzt sie das Prinzip fort.
Ein weiterer Kniff, mit dem sie sich und den Zuschauern einen Perspektivenwechsel ermöglicht: Dadurch, dass sie ihre Hauptfigur inmitten ihrer wichtigsten Prägungsphase – der Pubertät – anderthalb Jahrzehnte von der zeitgeschichtlichen Entwicklung abgeschottet hat, konfrontiert sie die Wahrnehmung der Gegenwart mit ihrem unschuldig-utopischen Blick aus den neunziger Jahren, ehe der politische und gesellschaftsklimatische Wendepunkt des 11. September 2001 alles veränderte.
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