2. Juni 1967: Das Leben nach dem Schuss

Ob Studentenbewegung oder Grüne - fast alles Linke der Republik lässt sich auf den 2. Juni 1967 zurückführen. 40 Jahre danach erzählen Veteranen bei einem Seminar.

Benno Ohnesorg wird am 2. Juni 1967 nach dem Schuss weggetragen Bild: ap

Gibt es eine Frage, die mit Blick auf den Tod Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 wohl ausreichend beschrieben und erforscht worden ist, dann die Frage, was "nach dem Schuss" kam. Ob Studentenbewegung, Linksterrorismus, Friedensbewegung, Staatskritik oder die Grünen - alles lässt sich irgendwie zurückführen auf die Geschehnisse an jenem Juniabend. Nicht minder interessant als zu untersuchen, was alles vom 2. Juni seinen Anfang nahm, ist allerdings zu fragen, wer bei den Protesten gegen den Schah-Besuch vor der Deutschen Oper in Berlin überhaupt zusammenfand. Und festzustellen, dass die vorher eingeschlagenen Lebenswege und Politisierungsbiografien, die der Tag kreuzte, so homogen, wie man denken könnte, keineswegs waren.

Nur eine der vier damals nicht ganz unwichtigen Akteure, die am vergangenen Sonntag auf einem Ver.di-Seminar in Berlin erstmals wieder gemeinsam auftreten, war am 2. Juni tatsächlich Studentin: Friederike Hausmann, berühmt geworden durch das Foto, auf dem sie den sterbenden Ohnesorg stützt. Auch der Fotograf Bernard Larsson ist gekommen, ebenso wie sein Kollege Jürgen Henschel und Klaus Meschkat, seinerzeit Vorsitzender des Republikanischen Clubs, später Soziologieprofessor.

Hausmann beschreibt den 2. Juni als logische Konsequenz ihres "typischen Politisierungswegs". 1965 zum Geschichtsstudium nach Berlin gekommen, sei sie "über das unsägliche Chaos in der Wohngemeinschaftssituation" in die Studentenbewegung geraten. Sie erzählt von Demos gegen das Mensa-Essen, Sommerunis und Vietnam: "Es brodelte schon lange etwas." Von dem brutalen Vorgehen der Polizei vor der Deutschen Oper sei sie dennoch überrascht und entsetzt gewesen: "Wir wollten dahin, protestieren, fertig."

Larsson wollte damals eigentlich nur fotografieren. "Für mich war Protest immer medienbezogen", sagt er. 1939 geboren, zieht es ihn nach seinem Fotostudium nach Paris. Bis 1961 verdient er sein Geld als Fotoassistent für die Vogue, anschließend geht er nach Berlin, wird Fotoreporter für Stern. Am 2. Juni arbeitet er vor der Deutschen Oper und wird in den Hof der Krummen Straße 66/67 gedrängt - sein Bild vom sterbenden Ohnesorg geht um die Welt.

Nicht weniger berühmt sind die Ohnesorg-Fotos von Jürgen Henschel. 1923 in Berlin geboren, beginnt Henschel als Schlosser bei der DDR-Reichsbahn und arbeitet zudem als Amateurfotograf. Was für Larsson aber der Einfluss der Nouvelle Vague, war für Henschel die sowjetische Kriegsgefangenschaft. "Danach gab es für mich nur die sozialistische Alternative." 1967 wird er Fotoredakteur bei der Wahrheit, der Zeitung des Westberliner Ablegers der SED - SEW.

Klaus Meschkat traf als Einziger nicht kurz nach dem tödlichen Schuss des Polizisten Karl-Heinz Kurras auf dem Charlottenburger Hof ein. Als Assistent des Präsidenten der Freien Universität begriff er sich aber ohnehin als Teil der entstehenden kritischen Öffentlichkeit. Außerdem war er schon Jahre vorher dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund beigetreten. Wegen des Godesberger Programms der SPD, "weil wir sahen, welche Rolle die USA in der Welt spielten", wegen "Guatemala, Mossadeq und Vietnam". Und als Vorsitzender des Republikanischen Clubs war er entscheidend an der Aufarbeitung des 2. Juni beteiligt.

Vier Lebensläufe, durch wenig geeint, mit Ausnahme des Datums. Vielleicht wollen sie deshalb auch die letzten Minuten noch über die Wirkungskraft des 2. Juni bis ins Heute sprechen, die sie alle gemeinsam spüren. Da ist dann wieder die Rede von Dutschke, RAF und Irakkrieg.

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