18-jähriges Tennistalent: Die Spitze im Visier
Die Familie Lisicki hat viel investiert in die Tenniskarriere von Tochter Sabine. Das Engagement könnte sich auszahlen.
Wäre in Australien alles nach Plan gegangen, dann säße Sabine Lisicki jetzt auf Hawaii. Dort beginnt in der nächsten Woche ein kleines, mit 50.000 Dollar dotiertes Tennisturnier, und dafür hatte sie sich gemeldet. Doch die Sache hat sich erledigt - auf die beste denkbare Weise. Denn zumindest bis Samstag wird die 18 Jahre alte Berlinerin weiter in Melbourne beschäftigt sein bei einem Turnier, das umgerechnet mit insgesamt 12,4 Millionen Euro dotiert ist, also mit einer Kleinigkeit mehr als jenes in Hawaii. Mit dem Sieg gegen die Weißrussin Marija Korittsewa (6:1, 7:5) landete sie völlig überraschend in der dritten Runde der Australian Open, und das ist eine Geschichte, die sie selbst kaum glauben kann.
Sie war nach Melbourne gekommen, um sich zum ersten Mal in ihrer Karriere für das Hauptfeld zu qualifizieren, und nun ist sie Ende der ersten Woche immer noch im Spiel. "Das erste Grand-Slam-Turnier, und dann die dritte Runde", schwärmt sie, "ich weiß nicht, wie viele das geschafft haben." Nun, schon ein paar. Aber beispielsweise nicht die von ihr bewunderte Martina Hingis, die beim ersten Versuch in Australien lediglich ein Spiel gewann, und auch nicht Steffi Graf.
Aber Vorsicht! Bei diesen Vergleichen sollte man die Relationen nicht aus den Augen verlieren: Graf war nicht ganz 14 Jahre alt beim Debüt, Hingis nur ein paar Monate älter. Und als die beiden so alt waren, wie es Sabine Lisicki jetzt ist, da hatten sie schon Grand-Slam-Titel gewonnen, die eine einen, die andere sogar vier.
An welchen Maßstäben man den Erfolg jetzt aber auch immer misst, Melbourne 2008 ist für Sabine Lisicki wie ein Geschenk mit Glanzpapier und dreifacher Schleife. Die größte verziert den ideellen Wert. "Ich hab hier gesehen, dass ich mithalten kann", sagt sie. "Ich wusste, ich bin nah dran, aber jetzt hab ich gezeigt, dass ich gewinnen kann." In Runde eins hatte sie eine Spielerin aus den Top 20 besiegt, die Russin Dinara Safina.
Oft ist es so, dass die Jungen nach dem ersten Sieg dieser Größenordnung im Strom der allgemeinen Euphorie die nächste Partie prompt verlieren. Aber zu keiner Phase der Begegnung gegen Korittsewa, selbst im wechselvollen zweiten Satz nicht, hatte man das Gefühl, sie sei wirklich in Gefahr. Was sie tat, wirkte jederzeit überlegt, und ihre Konzentration war auch in Phasen eines Rückstands nicht zu erschüttern. Und das ist eine Kombination, die im Frauentennis nicht an jedem Tag überall zu finden ist.
Weiter zum realen Wert. Der Einzug in die dritte Runde ist mit einem Preisgeld von 30.183 Euro dotiert, und das Geld tut der Familienkasse gut. Denn die gemeinsamen Reisen - der promovierte Sportwissenschaftler Robert Lisicki reist als Trainer und Bezugsperson gemeinsam mit der Tochter um die Welt - sind teuer, desgleichen die langen Trainingsaufenthalte in der Tennis-Akademie von Nick Bollettieri in Florida. "Wir haben viel Geld investiert", sagt Doktor Lisicki. "Der Weg war bisher sehr schwer." Der Geldsegen aus Melbourne übersteigt mit einem Schlag die bisher insgesamt verdiente Preisgeldsumme, und man kann sagen, dass er gelegen kommt.
Und mit den 90 Punkten für die Weltrangliste kommt die Tochter ihrem Ziel, noch in diesem Jahr unter den ersten hundert der Weltrangliste zu landen, ein sehr gutes Stück näher. Von Platz 194, auf dem sie zu Beginn der Australian Open stand, dürfte sie sich um rund 50 Positionen verbessern.
Und nun scheint selbst ein weiterer Sieg in Melbourne möglich zu sein. Denn Gegnerin in Runde drei ist keine der bekannten Spielerinnen, sondern die 17 Jahre alte Caroline Wozniacki aus Dänemark. Die in Odense geborene Tochter eines polnischen Fußballprofis und einer Volleyball-Nationalspielerin gilt als eines der großen Talente des Frauentennis. Sie war 2006 Siegerin des Juniorinnenturniers in Wimbledon und steht in der Weltrangliste schon ziemlich weit vorn - auf Position 64.
Aber unabhängig davon, wie die Begegnung der beiden Blondinen mit polnischen Wurzeln am Samstag ausgehen wird, für Sabine Lisicki ist sie ein weiterer Stein zum großen Puzzle ihrer Karriere. Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner ist höchst angetan von ihr und kündigte an, sie mit zum Auswärtsspiel der ersten Runde Anfang Februar gegen die USA nach San Diego/Kalifornien mitzunehmen. Sabine Lisicki wird ihre Reisepläne wohl ein weiteres Mal ändern müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!