100 Tage von der Leyen in Brüssel: Mehr Show als Substanz
Seit hundert Tagen ist Ursula von der Leyen EU-Kommissionspräsidenten. Sie hat einiges angeschoben, doch den Initiativen fehlt die Substanz.
D ie Bürger haben sie nicht gewählt, SPD und Grüne haben sie nicht gewollt. Dennoch hat Ursula von der Leyen der Europäischen Union neues Leben eingehaucht. Zu Recht weist die erste deutsche Kommissionspräsidentin seit Walter Hallstein auf die vielen Initiativen hin, die sie in den ersten 100 Tagen in Brüssel ergriffen Flüchtlingskrise in Griechenlandhat.
Doch die meisten Ideen stammen nicht von ihr. Der European Green Deal war ein grünes und sozialdemokratisches Programm. Die Digitalstrategie ist auf dem Mist des französischen EU-Kommissars (und Ex-Managers) Thierry Breton gewachsen. Den Kampf gegen den Krebs hat sie beim früheren Spitzenkandidaten Manfred Weber abgeschrieben.
Zudem sind die meisten Pläne noch nicht ausgereift. Von der Leyen hat nur die Überschriften geliefert, aber nicht die Inhalte. Sie hat auf PR-Effekte gesetzt – wie beim Auftritt mit Greta Thunberg. Auch bei der Vision vom „Europäischen Mann im Mond-Moment“, der die Klimapolitik beflügeln soll, stand die Show im Vordergrund. Doch die Substanz fehlt.Flüchtlingskrise in Griechenland.
Ihr „Green Deal“ ist gar kein Deal, es fehlt das Geld und das politische Backing. Polen hat noch nicht zugestimmt, Deutschland steht weiter auf der Bremse. Auch das erste Klimagesetz, das von der Leyen vorgelegt hat, ist kaum mehr als eine leere Hülle. Die EU-Kommission wartet auf Konsultationen und Folgeabschätzungen.
Etappenziel 2030
Ob sie Europa wirklich auf den Weg zur Klimaneutralität bringt, dürfte sich erst im Herbst zeigen, wenn das neue Etappenziel für 2030 festgelegt wird. Auch in anderen Politikfeldern ist es noch zu früh, um von der Leyens Wirken zu bewerten.
Die Konfrontation an der türkischen Außengrenze und die Flüchtlingskrise in Griechenland rütteln an den Grundwerten der EU – und an ihrer „geopolitischen“ Selbstachtung. Von der Leyen liegt falsch, wenn sie behauptet, das sei bei ihrem Amtsantritt nicht absehbar gewesen. Nun muss sie zeigen, ob sie das Zeug zur Krisenmanagerin hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen