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100 Tage im AmtTrumps Wirklichkeit steht im Kontrast mit der Realität

Sinkende Eier- und Spritpreise, Milliardeneinnahmen durch Zölle – vieles, was der US-Präsident in seiner ersten Bilanz preist, ist frei erfunden.

Das Publikum in Michigan ist willens, den Ausführungen seines Präsidenten jubelnd zu folgen: Feier zu 100 Tagen im Amt Foto: Andrew Roth/dpa

Washington taz | US-Präsident Donald Trump markierte die 100-Tage-Marke seiner zweiten Präsidentschaft mit einer Massenkundgebung in Michigan. Er selbst bezeichnet seine bisherige Amtszeit als die erfolgreichste in der Geschichte des Landes. Doch die Realität sieht aktuell anders aus. Seine Umfragewerte sind im Keller. Tausende Menschen protestierten in den vergangenen Tagen und Wochen in vielen Städten gegen die Politik seiner Regierung. Die US-Wirtschaft durchlebt dank Trumps Handelspolitik eine Achterbahnfahrt. Und auch Republikaner im Kongress äußern sich immer öfter kritisch.

Als Trump am Dienstag in Warren, Michigan, – einem Vorort von Detroit – die Bühne betrat, war dies alles kein Thema. An den Wänden der Arena hingen Banner mit den Worten: „Buy American Hire American“ (Kauf amerikanische Produkte, beschäftige amerikanische Arbeiter) oder „The American Dream Is Back“ (Der amerikanische Traum ist zurück).

Der US-Präsident legte seine „Greatest Hits“ auf und wiederholte sein Versprechen einer goldenen Zeit für Amerika. Er sprach auch über eine Zukunft mit weniger Inflation, mehr Jobs und mehr Sicherheit für alle US-Bürger und er stichelte gegen Demokraten, inklusive Ex-Präsident Joe Biden und Vizepräsident Kamala Harris.

„Wir haben erst angefangen. Es ist nichts gegen das, was noch kommen wird“, sagte Trump unter dem tobenden Applaus seiner Anhänger. Wäre nicht das US-Präsidentschaftslogo groß auf dem Rednerpult platziert gewesen, hätte dies auch eine Wahlkampfrede aus dem vergangenen Jahr sein können.

Wahlkampfmodus forever

„Ich vermisse es, Wahlkampf zu betreiben“, bestätigte auch Trump. Der 78-Jährige fühlt sich auf der Bühne zu Hause. Auch wenn das, was er von sich gibt, oft nicht den Tatsachen entspricht. Laut Trump seien seit seiner Amtseinführung die Preise für Eier und an den Tanksäulen stark gesunken. Beides entspricht nicht der Wahrheit. Die Spritpreise befinden sich laut Regierungs-Daten auf demselben Niveau wie schon bei seiner Amtseinführung im Januar und Eierpreise sind bisher weiter angestiegen.

Doch weder Trump noch die Anhänger, die immer wieder mit „USA, USA“-Rufen von sich hören machten, schien dies zu kümmern. Der US-Präsident und sein Regierungsteam haben es mit ihren Parolen und Behauptungen geschafft, Menschen anzusprechen, die sich über Jahre hinweg von der politischen Elite in Washington vernachlässigt gefühlt hatten.

Bei der Kundgebung in Warren jubelten sie, wenn Trump über Handelsdefizite sprach und behauptete, das andere Länder die USA in der Vergangenheit nach Strich und Faden ausgenutzt hätten. Der von Wirtschaftsexperten prognostizierte Preisanstieg, der aufgrund von Trumps Handelspolitik amerikanische Familien treffen wird, wird da einfach ignoriert.

Das Zoll-Trugbild

Schon jetzt, obwohl die meisten angekündigten reziproken Zölle für 90 Tage ausgesetzt wurden – mit Ausnahme von China –, würden die USA täglich „Milliarden von Dollar“ einnehmen, verkündete Trump. Einen Beleg dafür gibt es nicht.

Trump verkauft seine Handelspolitik trotz der bisherigen und möglichen weiteren Auswirkungen weiterhin als Erfolg. Allerdings verkündete die Regierung nur wenige Stunden, bevor Trump die Bühne betrat, dass die geplanten Zölle in Höhe von 25 Prozent auf ausländische Fahrzeugteile, die am 3. Mai in Kraft treten sollten, abgemindert würden. Autohersteller haben nun zwei Jahre Zeit, um ihre Produktionskette in den USA auszuweiten. In der Zwischenzeit dürfen ausländische Teile bis zu einer gewissen Grenze in Fahrzeugen verbaut werden, ohne dabei zusätzliche Abgaben bezahlen zu müssen.

„Wir geben ihnen ein bisschen Zeit, bevor wir sie schlachten“, warnte Trump. Der bestehende Einfuhrzoll von 25 Prozent auf ausländische Autos bleibt derweil bestehen.

Grenzen dichter

Vor allem beim Thema illegale Einwanderung punktet Trump aber dann. „100 Tage Grenzsicherung (…). Dank der starken Führung von Präsident Trump ist die Invasion entlang unserer Grenzen vorbei!“, schrieb der republikanische Senator Jim Banks in einem Post auf X.

Die Zahl der illegalen Grenzübertritte ist seit Trumps Amtsantritt tatsächlich drastisch gesunken. Verzeichnete die US-Heimatschutzbehörde im März 2024 noch mehr als 189.000 illegale Grenzübertritte entlang der Südgrenze, so waren es im letzten Monat nur etwas mehr als 11.000.

Die Art und Weise, wie die Trump-Regierung beim Grenzschutz und der Abschiebung von illegalen Einwanderern vorgeht, kann durchaus kritisiert werden. Doch die Zustimmung unter der Bevölkerung ist weiterhin groß. Jüngste Berichte über Abschiebungen von Kindern mit US-Staatsbürgerschaft oder der Fall eines Mannes aus Maryland, der fälschlicherweise in ein Gefängnis nach El Salvador überführt wurde, könnte dies allerdings ändern.

Nach 90 Minuten, in denen Trump sich selbst lobte, Demokraten und „radikale Linke“ verunglimpfte und viele Halbwahrheiten von sich gab, waren die ersten 100 Tage seiner zweiten Amtszeit dann auch schon wieder Geschichte. Wie viel von Trumps politischer Agenda am Ende umgesetzt werden kann, hängt auch vom US-Kongress ab, und dort stehen in den kommenden Tagen und Wochen wichtige Abstimmungen an.

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1 Kommentar

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  • Weil wir ja genau das gleiche Problem ja auch hier in Deutschland haben, könnten wir uns vielleicht mal darauf einigen, nicht immer nur zu sagen diese Wählergruppe FÜHLTE sich von der politischen Elite vernachlässigt. Das ist kein Gefühl sondern einfach die Realität. Würde sich diese Erkenntnis mal in der Elite durchsetzen, wäre das der erste Schritt zur Bekämpfung des antielitären und antiakademischen Populismus, der aktuell überall in Europa und den USA große Erfolge feiert. Mal an die eigene Nase fassen statt die Gegenseite für intellektuell nicht satisfaktionsfähig zu erklären, könnte am Ende sogar in einem echten Dialog auf Augenhöhe enden.