piwik no script img

1-EURO-JOBSSklavenhalter müssen kürzen

ür Langzeitarbeitslose, die auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben, gibt es Beschäftigungen auf "1-Euro-Basis. Die gehören eigentlich ersetzt durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, darin sind sich alle einig. Dennoch werden die 1-Euro-Jobs erst einmal gerettet

Gabi Thiele und Thomas Puchtler, 1-Euro-Jobber beim Geschichtenhaus, diskutierten mit ihren netten "Sklavenhaltern" über 1-Euro-Jobs Bild: kawe

Großen Streit, Debatten und Demonstrationen gab es im vergangenen Herbst, als es darum ging, wie stark die von der Bundesregierung beschlossene Kürzung der Arbeitsförder-Mittel sich im Jahre 2011 auf die Bremer Szene der Beschäftigungsträger und 1-Euro-Jobs auswirkt. Seitdem verhandeln die Beteiligten, Ende Januar schon könnte es eine Einigung geben. Gestern kamen die Kontrahenten auf Einladung des Nordwest-Radios in die Bürgerschaft, um das Problem öffentlich zu diskutieren.

Es gehe um eine "Lösung, mit der alle leben können", meinte der Sozialstaatsrat Joachim Schuster. Auf die spannende Frage, ob Bremen doch noch Haushaltsmttel bereit stellt, blieb er die Antwort schuldig.

Denn es geht um diejenigen, die "nachweislich auf dem Arbeitsmarkt keine Chance haben", so sagte Uwe Mühlmeyer von dem größten Bremer Beschäftigungsträger BRAS. Wenn der Bundesrechnungshof feststelle, dass die Arbeitslosen nach dem 1-Euro-Job keine bessere Vermittlungschance auf dem Arbeitsmarkt hätten, dann gehen das am Thema vorbei, fand auch Thomas Schneider, Chef des "Job-Centers" (ehemals Bagis). Einig war sich die Runde darin, dass die Belebung am Arbeitsmarkt längst nicht bei denen angekommen ist, an die sich das Programm der 1-Euro-Jobs richtet. Heute gebe es nicht mehr die Nischen auf dem Arbeitsmarkt, in denen solche Personen früher vielleicht ihren Job behalten konten, meinte Mühlmeyer.

Einige Betroffene saßen bei de Expertendiskussion dabei, etwa Gabi Thiele, inzwischen in leitender Rolle beim Bremer Geschichtenhaus. "Ich habe eine kaufmännische Ausbildung mit guten Zeugnissen", erklärte sie, "aber ich wiege 140 Kilo. Deswegen kriege ich keinen Job." Sie ist in ihrer Lage zufrieden mit der 1-Euro-Arbeit. Das sagt auch der Volkswirt Hartmut Stinton, gleichzeit gelte aber: "Wir sind Menschen zweiter Klasse. Die uns organisieren, sind Sklavenhalter." 1-Euro-Jobber haben keinerlei Arbeitnehmerrechte, erwerben keine Rentenansprüche und bekommen, wenn sie Urlaub machen wollen, nur Hartz IV und nicht ihren Euro dazu.

Herbert Thomsen vom Beratungsprojekt "Bremer Erwerbslosenverband" (BEV) formulierte die Kritik noch radikaler: Wenn 1-Euro-Jobber für Schulen Essen zubereiten, als Museumswächter eingesetzt werden oder öffentliche Grünflächen pflegen, dann verdrängen sie normale Jobs - und sind ein Instrument der staatlichen Lohndrückerei. "Es ist eine Systemverrücktheit", sagt Thomsen, "die abgeschafft gehört."

Insgesamt betrachtet wäre es genauso teuer, wenn man statt der 1-Euro-Jobs versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse derselben Einkommenshöhe anbieten würde, erklärte Uwe Mühlmeyer von der BRAS, und das wäre natürlich besser. Der Leiter des Job-Centers widersprach nicht - wies nur daraufhin, dass das eine politische Frage sei. Denn die Kostenaufteilung zwischen Bund und Kommunen wäre eine andere.

Theoretisch entspricht das auch der politischen Philosophie der rot-grünen Koalition. Da bei dem Modell der 1-Euro-Jobs der Finanzierungsanteil des Bundes deutlich größer ist, wird praktisch zunächst einmmal das Modell, das alle kritisch sehen, gerettet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • E
    Ernst

    Diese Fördermaßnahmen mit 1-Euro-Jobbern hat sich als ein profitables Geschäft für die sogenannten gemeinnützigen, karitativen Gesellschaften herausgestellt. Sie bekommen für jede eingestellte Arbeitskraft im Monat bis zu 500 Euro an Sachmitteln vom Staat. Seit der Einführung von Hartz IV sind solche Projekte wie Pilze aus dem Boden geschossen. Sie schaden den regulären Arbeitsmarkt. Caritas und Diakonie und sonstige "gemeinnützigeGMBHs" sind Nutznießer dieser Maßnahmen. Sie kassieren nicht nur, sondern haben gleichzeitig billige Arbeitskräfte zur Hand. Warum sollen sie noch einen teuren Handwerker beauftragen, wenn sie es billiger bekommen? Wenn jetzt öffentliche Gelder zur sogenannten Betreuung von Langzeitarbeitslose heruntergefahren werden, dann trifft das hauptsächlich solche Maßnahmeträger, die selbstverständlich um jeden ihrer Kunden weinen - aus Betroffenheit.

  • TE
    Thomas Elias

    Es gibt in der AIDS-Hilfe Bremen durchaus Betroffene, die auf die Möglichkeit von 1 Euro-Jobs angewiesen sind und/oder die durch die Streichung solcherlei Maßnahmen ein großes Stück Lebensqualität verlieren.

     

    Hierbei geht es nur in 2. Linie um die Bezahlung, sondern vielmehr um eine tagesstrukturierende Maßnahme und eine kleine Würdigung für die geleistete Arbeit.

     

    Bis zu 100 Euro extra bedeuten für EmpfängerInnen von Transferleistungen oftmals den einen oder anderen selbstverdienten "Luxus", den sie sich ohne die Maßnahme nicht leisten können.

     

    Dafür etwas geleistet zu haben und Anerkennung über das Taschengeld hinaus zu erhalten, stellt einen weitaus höheren Wert dar.

     

    Ich bin durchaus für den Erhalt von 1 Euro-Jobs, solange sie ein Angebot! für Betroffene sind und nicht eine Zwangsmaßnahme, wie die sogenannten "Einladungen" der Bagis an ihre "Kunden", die mit Vorladung treffender charakterisiert wären....

     

    Hier ist eine differenzierte und feinfühlige Betrachtung durchaus angebracht, was angesichts dieser emotional aufgeheizten Debatte nicht einfach erscheint.

  • H
    hto

    "... auf "1-Euro-Basis. Die gehören eigentlich ersetzt durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, darin sind sich alle einig."

     

    Doch das Problem dabei ist, die die sich "einig" sind, denen gilt im besonderen, aufgrund der Konfusion in gutbürgerlicher Bildung zu Suppenkaspermentalität auf systemrationaler Sündenbocksuche, ein Zitat der Marie von Ebner-Eschenbach: "Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit." - die URSACHE aller Probleme unseres "Zusammenlebens" wie ein Krebsgeschwür, ist der im Zeitgeist nun "freiheitliche" Wettbewerb um ...