+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Getreide sollte weiter nach Syrien
Der sich auf der „Razoni“ befindliche Mais sollte offenbar von Libanon weiter nach Syrien transportiert werden. Die IAEA fordert Zugang zum AKW in Saporischschja.
Amnesty bedauert „Verärgerung“ wegen Berichts über Ukraine
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty entschuldigt sich teilweise für ihre umstrittene Kritik an der ukrainischen Kriegstaktik. „Amnesty International bedauert zutiefst den Ärger und die Verärgerung, die unsere Pressemitteilung über die Kampftaktiken des ukrainischen Militärs hervorgerufen hat“, hieß es in einer am Sonntag an die Nachrichtenagentur Reuters verschickten E-Mail. „Die Priorität von Amnesty International in diesem und in jedem anderen Konflikt ist es, den Schutz der Zivilbevölkerung zu gewährleisten. Dies war in der Tat unser einziges Ziel, als wir diese jüngste Untersuchung veröffentlicht haben. Wir stehen voll und ganz zu unseren Erkenntnissen, bedauern aber das verursachte Leid.“
Der ukrainische Präsident Selenski hatte den am Donnerstag veröffentlichten Bericht scharf kritisiert. Amnesty versuche damit, die Verantwortung von den russischen Angreifern auf deren Opfer zu verlagern. Die Ukraine-Chefin von Amnesty, Oxana Pokaltschuk, trat wegen des Berichts zurück. Er sei ein Propagandageschenk für Moskau, sagte sie. Regierungsvertreter betonten zudem, dass sie versuchten, Zivilisten aus den Frontgebieten zu evakuieren. Russland wiederum bestreitet, Zivilisten ins Visier genommen zu haben. (rtr)
„Razoni“ noch eine Tagesfahrt vom Libanon entfernt
Das mit dem Frachtschiff „Razoni“ gelieferte Getreide aus der Ukraine sollte offenbar von dem Libanon aus weiter nach Syrien transportiert werden. Händler hätten vermutlich einen Teil der erwarteten Mais-Ladung im Libanon verkaufen und den Rest über Land ins benachbarte Syrien liefern wollen. Das sagten zwei libanesische Regierungsvertreter der Deutsche Presse-Agentur am Sonntag. Das Schiff stoppte unterdessen seine Fahrt und lag am Sonntag etwa eine gute Tagesfahrt vom Libanon entfernt vor Anker.
Die „Razoni“ – beladen mit 26.000 Tonnen Mais – hatte den ukrainischen Schwarzmeer-Hafen Odessa am Montag verlassen – als erstes Schiff im Rahmen entsprechender Abkommen. Nach einer Inspektion vor Istanbul am Mittwoch steuerte der Frachter den Hafen Tripoli im Libanon an. Das kleine Land steckt in der schwersten Wirtschaftskrise seiner Geschichte und importierte vor dem Krieg in der Ukraine mehr als 70 Prozent seines Getreides von dort.
Es habe „viel Rummel“ um die „Razoni“ gegeben, sagte Hani Buschali, Präsident des Konsortiums für Lebensmittelimporte im Libanon. „Die Welt stellt sich ein Hilfsschiff vor, dass die Libanesen aus ihrer finanziellen Misere rettetet. Offen gesagt ist das nicht der Fall“, sagte Boshali. „Der Libanon braucht Weizen, keinen Mais.“ Bis jetzt habe niemand das Gut auf der „Razoni“ öffentlich beansprucht. Mehr Klarheit werde es erst geben, wenn das Schiff tatsächlich anlege und die Ladung gelöscht werde.
Vom Libanon aus führen mehr als 20 illegale Grenzübergänge in das Bürgerkriegsland Syrien. Die meisten davon kontrolliert die mit dem Iran verbündete Hisbollah. Der Export von Lebensmitteln nach Syrien ist legal, wird aber erschwert durch Finanzsanktionen des Westens gegen die syrische Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Die Hisbollah schmuggelt in großem Stil unter anderem Lebensmittel und Medizin nach Syrien.
Die „Razoni“ wurde eigentlich am Sonntag im Libanon erwartet. Der Website Marinetraffic zufolge änderte sie während der Fahrt dann aber unerwartet ihren Kurs. Am Sonntag lag das Schiff vor dem türkischen Mittelmeerhafen Iskenderun vor Anker – laut Marinetraffic mit dem neuen Ziel „Order“, also einem noch unbestimmten Ort, von dem aus ein Händler die geladene Ware bestellt. Die ukrainische Botschaft im Libanon teilte lediglich mit, die Ankunft sei „verschoben“ worden. (dpa)
Briten: Russland hat seit Kriegsbeginn sechs Kommandeure entlassen
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine vor fast einem halben Jahr ist nach britischen Informationen wohl ein halbes Dutzend hochrangiger russischer Militärs entlassen worden. Die schlechte Leistung der Streitkräfte während der Invasion sei für die russische Militärführung kostspielig gewesen, was höchstwahrscheinlich zur Entlassung von mindestens sechs Kommandeuren geführt habe, teilte das britische Verteidigungsministerium am Sonntag in seinem regelmäßigen Geheimdienst-Update mit. Unter anderem General Alexander Dwornikow sei abgesetzt worden, nachdem er das Gesamtkommando über die Operation in der Ukraine erhalten habe.
Hinzu kämen mindestens zehn russische Generäle, die in der Ukraine auf dem Schlachtfeld getötet worden seien, schrieben die Briten weiter. Insgesamt habe all dies wahrscheinlich zu Russlands taktischen und operativen Schwierigkeiten bei dem Angriffskrieg beigetragen.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht einige seiner Geheimdienstinformationen zum Ukraine-Krieg in einem täglichen Update auf Twitter. Russland selbst hält sich bei Personalien und taktischen Entscheidungen weitgehend bedeckt. (dpa)
Teile des Atomkraftwerks Saporischschja „erheblich beschädigt“
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) dringt auf Zugang zu dem von russischen Truppen besetzten ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja. Er sei „alarmiert“ über den Beschuss vom Freitag, erklärte IAEA-Chef Rafael Grossi am Samstag. Er wolle weiterhin eine IAEA-Experten-Mission anführen, die sich vor Ort ein Bild von der Lage macht. „Ich werde nicht aufgeben“, kündigte er an und forderte Kiew und Moskau auf, eine solche Mission zu ermöglichen.
Die IAEA versucht seit Wochen, Inspekteure zu der Anlage zu entsenden. Die Ukraine hat dies bisher abgelehnt, da ihrer Ansicht nach dadurch die Besetzung des Ortes durch Russland in den Augen der internationalen Gemeinschaft legitimiert werden würde.
Das Kraftwerk in Saporischschja ist das größte Akw in Europa. Es ist seit Anfang März von russischen Truppen besetzt, die es wenige Tage nach Beginn ihrer Invasion der Ukraine unter ihre Kontrolle gebracht hatten.
Teile der Atomanlage wurden durch den Angriff vom Freitag nach Angaben des Betreibers Energoatom „erheblich beschädigt“. Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. (afp)
„Razoni“ immer noch vor der türkischen Küste
Der Getreidefrachter „Razoni“, der als erstes Schiff nach dem Abkommen zwischen der Ukraine und Russland einen ukrainischen Hafen verlassen hat, wird nicht wie erwartet an diesem Sonntag im Libanon ankommen. Das teilt die dortige ukrainische Botschaft auf Anfrage mit. Die „Razoni“ hatte den ukrainischen Schwarzmeerhafen Odessa am Montag verlassen und sollte an diesem Sonntag in Tripoli im Norden des Libanons festmachen. Der Frachter habe Verspätung, teilt die ukrainische Botschaft mit, nennt aber keine Einzelheiten. Schifffahrtsdaten auf MarineTraffic.com zeigen die „Razoni“ am Sonntagmorgen vor der türkischen Küste. Der Frachter hat rund 26.500 Tonnen Getreide geladen. (rtr)
Zweiter Frachter-Konvoi soll ukrainische Häfen verlassen haben
Ein zweiter Konvoi von mit Agrargütern beladenen Frachtern ist nach ukrainischen Angaben ausgelaufen. Infrastrukturminister Olexandr Kubrakow twittert, dass vier Schiffe im Rahmen des von der Türkei und den Vereinten Nationen mit Russland vereinbarten Rahmenabkommens ukrainische Häfen am Schwarzen Meer verlassen hätten. Es handele sich um die Frachter „Mustafa Necati“, „Star Helena“, „Glory“ und „Riva Wind“. Sie hätten insgesamt fast 170.000 Tonnen Getreide geladen. (rtr)
Selenski würdigt Erfolge seiner Truppen
Der ukrainische Präsident Selenski würdigt die Erfolge der Streitkräfte seines Landes in dieser Woche. Sie hätten „starke Ergebnisse“ bei der Zerstörung russischer logistischer Ausrüstung und Stellungen im rückwärtigen Raum erzielt, sagt Selenski in seiner Videoansprache in der Nacht zu Sonntag. „Jeder Schlag gegen die Munitionsdepots des Feindes, auf seine Kommandoposten und auf Lager russischer Ausrüstung rettet uns allen das Leben, das Leben des ukrainischen Militärs und der Zivilbevölkerung.“ (rtr)
Zweiter ukrainischer Getreidefrachter in Istanbul
Ein Schiff mit 33.000 Tonnen Mais aus der Ukraine hat am Samstag nach einer internationalen Kontrolle in Istanbul die Erlaubnis zur Weiterfahrt erhalten. Der Frachter durfte damit die Meerenge Bosporus ins Mittelmeer passieren, wie das türkische Verteidigungsministerium mitteilte. Es ist der zweite Getreidefrachter, seit unter Vermittlung der Türkei ein internationales Abkommen über ukrainische Ausfuhren über das Schwarze Meer erzielt wurde. Zwei weitere Schiffe werden in Kürze erwartet.
Präsident Recep Tayyip Erdogan bestätigte unterdessen, dass die Türkei fortan russische Gaslieferungen in Rubel bezahlen und auch das russische Zahlungssystem Mir stärker nutzen werde. Ein neuer Plan zur Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit werde als „Machtquelle zwischen der Türkei und Russland in finanziellen Angelegenheiten“ dienen, sagte Erdogan laut Nachrichtenagentur Anadolu auf seinem Rückflug aus der russischen Schwarzmeerstadt Sotschi. Dort war er am Freitag mit Präsident Wladimir Putin zusammengetroffen. Die Nutzung des Mir-Zahlungssystems werde auch russischen Touristen den Aufenthalt in der Türkei erleichtern, sagte Erdogan weiter.
Die Türkei ist Mitgliedsstaat des westlichen Verteidigungsbündnisses Nato und zugleich ein enger Partner Russlands, das seit Ende Februar einen Angriffskrieg gegen sein Nachbarland Ukraine führt. Ankara und Moskau verbinden zahlreiche strategische Interessen. Zugleich stützen die Länder unterschiedliche Seiten in Konflikten wie in Syrien, Libyen oder in Berg-Karabach, ohne direkt gegeneinander vorzugehen. (dpa)
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