+++ Nachrichten im Ukrainekrieg +++: Lettland ohne russisches Gas

Russlands Statthaltern in Cherson fällt es offenbar schwer, die Kontrolle über die Südukraine zu behalten. US-Außenminister Blinken spricht mit Amtskollege Lawrow.

Ein Mann mit Schutzhelm und -bekleidung rennt durch ein Weizenfeld. Im Hintergrund: Flammen

Ein Fotojournalist flieht vor dem Feuer in einem nach russischem Beschuss brennenden Weizenfeld in der Region Charkiw Foto: Mstyslav Chernov/dpa

Polen will besseres Angebot für Panzer-Ringtausch

Polen bittet Deutschland um ein besseres Angebot für einen Ringtausch von Panzern, um die Ukraine zu unterstützen. Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak schrieb einen entsprechenden Brief an seine deutsche Kollegin Christine Lambrecht (SPD), den das Portal wPolityce am Freitagabend in Warschau veröffentlichte. Er hoffe auf ein „seriöses Angebot“, das „wesentlich zur Stärkung der polnischen und regionalen Verteidigungskapazitäten beitragen“ werde.

Polen habe der von Russland angegriffenen Ukraine Rüstung für knapp 1,7 Milliarden Euro überlassen, schrieb der Minister. Dazu zählten Panzer, Schützenpanzer und andere schwere Waffen, teils postsowjetischer Bauart, teils hochmoderne wie die Haubitze Krab. „Diese Lieferungen haben Lücken in unseren Verteidigungskapazitäten geschaffen.“

Mit dem bisherigen Berliner Angebot von 20 Panzern Leopard 2 mit stückweiser Lieferung ab 2023 hatte sich Polen nicht zufrieden gezeigt. Als der Unmut in Warschau öffentlich wurde, erläuterte Lambrecht in einem Brief an Błaszczak noch einmal, wie gering die deutschen Bestände seien. Sie schlug vor, beide Länder sollten gemeinsam neue Leopard 2 bestellen. Polen solle bei der Auslieferung vorrangig behandelt werden. Über diesen Brief hatte die Süddeutsche Zeitung berichtet.

„Ich möchte betonen, dass wir keine unverdienten Vorteile erwarten“, antwortete Błaszczak. Es gehe um „gebrauchte Kapazitäten, die unserem Militär gut bekannt sind und die in den polnischen Streitkräften leicht und schnell eingesetzt werden können“. (dpa)

Russland liefert kein Gas mehr nach Lettland

Nach Beschränkungen und Stopps von Gaslieferungen an mehrere EU-Länder hat Russlands größter Anbieter Gazprom nach eigenen Angaben auch seine Belieferung von Lettland eingestellt. Das Nachbarland habe gegen Abnahmebedingungen verstoßen, teilte der russische Staatskonzern ohne nähere Erläuterung am Samstag mit. Der lettische Versorger Latvijas Gaze hatte am Freitag erklärt, er beziehe zwar Gas aus Russland, aber nicht von Gazprom. „Wir beziehen es von einem anderen Anbieter“, hatte das Unternehmen mitgeteilt. Der Name des Anbieters sei ein Geschäftsgeheimnis.

Russland hatte im März gefordert, europäische Gazprom-Kunden müssten ihre Rechnungen in Rubel statt wie zuvor in Euro oder Dollar bezahlen. Der Schritt gilt als Maßnahme zur Stützung der russischen Währung nach den Wirtschaftssanktionen gegen Russland infolge von dessen Angriff auf die Ukraine. Die EU-Kommission hatte ein Eingehen auf die russische Forderung als Bruch der Sanktionen bezeichnet. Latvijas Gaze hat wie einige andere Gazprom-Abnehmer erklärt, russisches Gas unverändert in Euro zu bezahlen. Lettland hatte zudem angekündigt, nur noch bis Jahresende Gas aus Russland zu beziehen. Lettlands Nachbar Litauen verzichtet bereits auf russisches Gas.

Russland hat im Zusammenhang mit dem Währungsstreit mehreren Ländern den Gashahn zugedreht. Finnland, Dänemark, Polen, Bulgarien und die Niederlande werden nicht mehr versorgt. Zudem hat Gazprom Lieferungen an Deutschland zurückgefahren. Zur Begründung gibt Gazprom hier technische Ursachen an. Die Bundesregierung hat dies als Vorwand für eine politisch motivierte Entscheidung bezeichnet. (rtr)

Russisches Militär nutzt bei Cherson Pontonbrücken und Fähren

Mit Pontonbrücken und einem Fährensystem versuchen russische Kräfte nahe der südukrainischen Stadt Cherson nach britischen Angaben, ihren Nachschub sicherzustellen. Damit solle ausgeglichen werden, dass nahe gelegene und strategisch wichtige Brücken seit ukrainischen Raketenangriffen unpassierbar seien, teilte das Verteidigungsministerium in London am Samstag unter Berufung auf Geheimdienstinformationen mit. Wegen der Brückenschäden drohten die russischen Truppen in Cherson, vom Nachschub abgeschnitten zu werden, hatte es am Vortag aus London geheißen.

Nach britischer Einschätzung stehen die von Russland eingesetzten Behörden in den besetzten Gebieten in der Südukraine unter zunehmendem Druck, die Kontrolle über die Region zu festigen. Ihre Aufgabe sei es, im Laufe des Jahres Referenden über den Beitritt zu Russland vorzubereiten, hieß es. So würden die russlandtreuen Verwalter die Bevölkerung wahrscheinlich zwingen, persönliche Daten preiszugeben, um Wählerverzeichnisse zu erstellen.

Zur Lage in der Ostukraine teilte das britische Ministerium mit, dass ukrainische Truppen offensichtlich erfolgreich kleinere Vorstöße russischer Kräfte entlang der Front nahe der Stadt Donezk abgewehrt hätten.

Der britische Geheimdienst veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar täglich in beispielloser Form Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Transparenz im Gegensatz zu Moskau zeigen, Verbündete bei der Stange halten und möglichst Menschen in Russland erreichen, die sonst nur die Kreml-Deutung des Kriegs erreicht. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor. (dpa)

Blinken telefoniert mit Lawrow

Erstmals seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben US-Außenminister Antony Blinken und sein Moskauer Kollege Sergej Lawrow Kontakt aufgenommen. Die beiden Chefdiplomaten telefonierten am Freitag auf Initiative der US-Seite.

US-Chefdiplomat Blinken ging in dem Gespräch mit Lawrow auch auf den Krieg ein. Er habe Lawrow deutlich gesagt, dass die USA russische Pläne, weiteres Territorium der Ukraine zu annektieren, nicht akzeptieren würden. „Die Welt wird Annexionen nicht anerkennen. Wir werden Russland weitere erhebliche Kosten auferlegen, wenn es mit seinen Plänen fortfährt“, sagte Blinken. „Und wie immer sind wir bereit, mit der Ukraine und anderen zusammenzuarbeiten, um alle sinnvollen diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges zu unterstützen – um die Aggression zu beenden“, so Blinken weiter.

Nach Angaben des russischen Außenministeriums informierte Lawrow Blinken über den Gang der „militärischen Spezial-Operation“ in der Ukraine. Der russische Chefdiplomat habe betont, dass alle Ziele in dem Land erreicht würden. Zugleich beklagte er demnach, dass die von den USA und von anderen Nato-Staaten gelieferten Waffen gegen die friedliche Bevölkerung eingesetzt würden. Der Konflikt würde dadurch nur in die Länge gezogen und die Zahl der Opfer erhöht. (dpa)

US-Botschafterin bei der UNO übt harsche Kritik an Russland

Russland will nach amerikanischer Einschätzung die Ukraine von der Weltkarte ausradieren. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Linda Thomas-Greenfield, sagte am Freitag vor dem Weltsicherheitsrat, an dieser Absicht dürfe es keinen Zweifel mehr geben.

Die Vereinigten Staaten sähen zunehmend Anzeichen dafür, dass Russland die ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk sowie die südlichen Regionen Cherson und Saporischschja vollständig annektieren wollen, sagte Thomas-Greenfield. Dies solle unter anderem durch die Einsetzung illegitimer Stellvertreter in den von Russland kontrollierten Gebieten geschehen. Ziel sei es, Scheinreferenden oder Dekrete zum Anschluss an Russland abzuhalten. Der russische Außenminister Sergej Lawrow habe dieses Kriegsziel offiziell genannt, erklärte die UN-Botschafterin.

Die amerikanische UN-Botschafterin kritisierte Regierungen, die zur Diplomatie aufriefen: „Lassen Sie es uns klar sagen: Russlands anhaltende Aktionen sind das Hindernis für eine Lösung dieser Krise.“ Sie nannte keine konkreten Länder, aber eine beträchtliche Anzahl von Staaten in Afrika, Asien und dem Nahen Osten verfolgen diesen Ansatz. (ap)

Lloyd's versichert Schiffe mit Getreide aus der Ukraine

Das britische Unternehmen Lloyd's versichert Schiffe, die Getreide aus der Ukraine exportieren. „Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass Getreideexporte nach dem grundlegenden UN-Abkommen der vergangenen Woche die Häfen des Schwarzen Meeres verlassen können“, sagte die britische Außenministerin Liz Truss am Freitagabend.

Russland und die Ukraine hatten unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei ein Abkommen zur Freigabe der Getreideexporte unterzeichnet. Dennoch warnten Reeder und Händler, sie könnten nicht ohne Sicherheitsgarantien durch die verminten Gewässer navigieren.

Das Versicherungsunternehmen teilte mit, mit der Exporteinrichtung hätten Schiffe, die Getreide und andere Lebensmittelprodukte aus ukrainischen Häfen transportieren, eine zuverlässige Abdeckung für ihre Reisen. Dies biete zusätzlichen Schutz zu dem vereinbarten Deal, sagte der zuständige Lloyd's-Manager Patrick Tiernan.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hatte bei einem Besuch in der südwestukrainischen Hafenstadt Odessa am Freitag den baldigen Start der Getreideexporte per Schiff über das Schwarze Meer angekündigt.

Die Ukraine ist einer der weltgrößten Exporteure von Getreide. Nach Kriegsbeginn hatte Russland die ukrainischen Seehäfen jedoch blockiert. Zudem verminte die Ukraine ihre Küste zum Schutz vor russischen Landungseinsätzen. Wegen ausbleibender Getreidelieferungen stiegen die Weltmarktpreise; die UN befürchten zunehmend Hungerkrisen. Nach Angaben aus Kiew steckten wegen der russischen Seeblockade zuletzt mehr als 20 Millionen Tonnen der letztjährigen Ernte fest. Moskau bestreitet die Verantwortung für den Preisanstieg bei Lebensmitteln und gibt westlichen Sanktionen gegen Russland die Schuld daran. (dpa)

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.