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+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++Was das Treffen zwischen Trump und Selenskyj ergab

Vieles bleibt nach dem Gespräch der Staatschefs von Ukraine und USA offen: Etwa, welche Sicherheitsgarantien es für das angegriffene Land geben soll.

Immerhin wohl etwas bessere Stimmung als beim letzten Mal: Selenskyj und Trump trafen sich am Sonntag Foto: Jonathan Ernst/reuters

Selenskyj in den USA: Heikle Fragen bleiben ungeklärt

US-Präsident Donald Trump und der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj haben bei ihrem Treffen in Florida heikle Fragen im Ringen um ein Ende des russischen Angriffskriegs nicht ausräumen können. Offen sei etwa, ob Russland ukrainisches Territorium behalten könne, das es derzeit kontrolliere, teilten Trump und Selenskyj am Sonntag bei einem Presseauftritt in Mar-a-Lago in Palm Beach mit. Ungeklärt sei auch die Frage nach Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die sie vor einer erneuten Invasion Russlands schützen sollen.

Trump sagte vor Reportern zwar, die Ukraine und Russland seien einem Friedensabkommen „näher als je zuvor“. Doch auf die Frage, wann mit einem Deal zu rechnen sei, räumte er ein, dass die Verhandlungen auch scheitern könnten. „In wenigen Wochen werden wir wissen, in welche Richtung es geht, denke ich. Aber es könnte auch schlecht laufen“, erklärte er. „Es könnte etwas geben, einen Punkt, an den man nicht denkt, der aber ein großer Punkt ist und alles zum Scheitern bringt. Sehen Sie, es sind sehr schwierige Verhandlungen. Sehr detailreich.“

Nach ihrem Treffen telefonierten Trump und Selenskyj mit europäischen Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Friedrich Merz, und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Selenskyj sagte, der US-Präsident habe sich bereiterklärt, europäische Staats- und Regierungschefs zu einem Gipfel einzuladen, der im Weißen Haus stattfinden könnte. Das Treffen könnte bereits im Januar stattfinden. Trump bestätigte dies und ergänzte, dass auch ein anderer Gipfelort als Washington möglich sei. Selenskyj dankte Trump für seine Bemühungen und betonte: „Die Ukraine ist bereit für Frieden.“

Vor Selenskyjs Ankunft in Palm Beach telefonierte Trump mit Putin. Im Anschluss berichtete der US-Präsident in seinem Netzwerk Truth Social von einem „guten und sehr produktiven“ Telefonat. Der außenpolitische Berater Putins, Juri Uschakow, erklärte in Moskau, das Gespräch zwischen Trump und Putin sei auf Initiative der USA zustande gekommen und habe mehr als eine Stunde gedauert. Das Telefonat sei in einem „freundlichen, wohlwollenden und geschäftsmäßigen“ Ton geführt worden.

Uschakow forderte von Kyjiw eine „mutige, verantwortungsbewusste, politische Entscheidung“ zu der umkämpften Region Donbass im Osten der Ukraine. Putin pocht auf einen Rückzug der Ukraine aus dem Gebiet – auch aus bisher nicht von Russland kontrollierten Gegenden in Donezk, das neben Luhansk den Donbass bildet. Zudem verlangt der Kremlchef, dass Russland die von seinen Angriffstruppen besetzten Gegenden in vier ukrainischen Regionen sowie die 2014 annektierte ukrainische Halbinsel Krim behält und diese als russisches Territorium anerkannt werden. Kyjiw hat die Forderungen zurückgewiesen.

Selenskyj erklärte in der vergangenen Woche, sein Land wäre zum Truppenrückzug aus dem Donbass als Teil eines Friedensplans bereit, sofern Russland sich ebenfalls zurückziehe und in dem Gebiet eine entmilitarisierte, von internationalen Kräften überwachte Zone eingerichtet werde. Trump hat sich offen gezeigt, auf Forderungen Putins einzugehen. So argumentierte Trump, dass der Kremlchef von einem Kriegsende überzeugt werden könne, wenn Kyjiw ukrainisches Gebiet im Donbass abtrete und westliche Länder wirtschaftliche Anreize für Russland schaffen würden.

Nach ihrem Treffen bezeichneten Trump und Selenskyj die Entscheidung über die Zukunft des Donbass als zentralen Knackpunkt. „Das ist ein sehr heikler Streitpunkt, aber ich denke, er wird gelöst werden“, sagte Trump. Selenskyj ergänzte: „Unsere Haltung ist sehr klar. Deshalb hat Präsident Trump gesagt, dass dies eine sehr schwierige Frage ist, und natürlich haben wir und Russland unterschiedliche Positionen dazu.“

Die Ukraine wehrt sich seit Februar 2022 mit westlicher Hilfe gegen Russlands Angriffstruppen. In den vergangenen Monaten hat die Trump-Regierung ihre diplomatischen Bemühungen um ein Kriegsende forciert. Verschiedene Entwürfe für einen Friedensplan machten die Runde, an Heiligabend präsentierte Selenskyj einen 20 Punkte umfassenden Entwurf auf der Grundlage des jüngsten Stands der Gespräche. Dieser beinhaltet unter anderem Sicherheitsgarantien der USA und europäischer Länder für die Ukraine in Anlehnung an die Beistandsklausel aus Artikel 5 des Nato-Vertrags.

Kurz vor dem Treffen von Trump und Selenskyj griff die russische Armee die Ukraine erneut an. Drei Bomben hätten in der Nacht zum Sonntag Privathäuser in der ostukrainischen Stadt Slowjansk getroffen, teilte der Chef der örtlichen Militärverwaltung, Wadym Lach, mit. Ein Mann sei getötet worden, drei Menschen seien verletzt worden, berichtete Lach bei Telegram. Am Samstag hatte Russland die ukrainische Hauptstadt Kyjiw mit ballistischen Raketen und Drohnen angegriffen. Dabei kam Behördenangaben zufolge mindestens ein Mensch ums Leben. 27 Menschen seien verletzt worden.

Trump erklärte dennoch bei der Begrüßung Selenskyjs, dass er nach wie vor davon ausgehe, dass Putin „sehr ernsthaft“ daran interessiert sei, den Krieg zu beenden. „Ich glaube, auch die Ukraine hat einige sehr starke Angriffe ausgeführt“, ergänzte Trump. „Und das sage ich nicht negativ. Ich denke, wahrscheinlich muss man das auch. Aber ich glaube – er hat mir das nicht gesagt –, dass es in verschiedenen Teilen Russlands einige Explosionen gegeben hat. Für mich sieht es so aus, als kämen sie, ich weiß nicht (…) Ich glaube nicht, dass sie aus dem Kongo gekommen sind. Ich glaube nicht, dass sie von den Vereinigten Staaten von Amerika gekommen sind. Sie kamen womöglich aus der Ukraine, aber diese Frage habe ich nicht gestellt.“

Auf eine Frist für ein Kriegsende wolle er sich nicht festlegen, betonte Trump. Der Krieg müsse aber enden, „sonst wird er für eine lange Zeit weitergehen und Millionen weiterer Menschen werden getötet.“ (dpa)

Wie Moskau das Telefonat mit Trump bewertet

In Moskau wird das Telefonat zwischen Kremlchef Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump sowie dessen anschließendes Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj positiv bewertet. „Es herrscht das Empfinden, dass sich eine Bewegung voran andeutet“, schrieb der Vizechef des Föderationsrats (Oberhaus des russischen Parlaments) Konstantin Kossatschow, der als einer der profiliertesten Außenpolitiker des Landes gilt, auf Telegram. Er lobte die US-Position als ausgewogen und zielorientiert.

„Eins ist klar: Die Schlüssel zur Regulierung (des Konflikts) haben Russland und die USA, die Europäer werden nach wie vor Bosheiten machen und Selenskyj wird nervös am Spielfeldrand rauchen“, schrieb er. Der echte Verhandlungsprozess sei durch das Telefonat zwischen Trump und Putin angestoßen worden, meinte Kossatschow. Bedeutend sei die Abmachung über zwei Verhandlungszweige: einen zu Sicherheitsfragen und einen zu wirtschaftlichen Themen. Die Gespräche zwischen Europäern und Ukrainern hingegen bezeichnete er als wertlos. (dpa)

Macron kündigt Beratungen zur Ukraine in Paris an

Mehrere Ukraine-Unterstützerstaaten wollen sich nach Angaben von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Anfang Januar in Paris beraten. „Wir versammeln die Länder der Koalition der Willigen (…), um die konkrete Beteiligung jedes einzelnen festzulegen“, schrieb Macron am Montag im Onlinedienst X. Er und weitere europäische Spitzenpolitiker hatten am Sonntag mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenksyj und US-Präsident Donald Trump telefoniert.

Zur Koalition der Willigen aus Ländern, die über Sicherheitsgarantien für die Ukraine nach einem möglichen Waffenstillstand mit Russland beraten, zählen gut 30 überwiegend europäische Staaten. (afp)

🐾 Was für eine Diplomatin gelungenes Verhandeln ausmacht

Lohnt sich Diplomatie in Zeiten von Trump und Putin noch? Darüber sprechen die taz-Redakteur:innen Tanja Tricarico und Jens Uthoff mit der ehemaligen OSZE-Beauftragten für die Ukraine, Heidi Tagliavini.

Russlands Wirtschaft strauchelt

Die russische ‌Industrie ist einer Umfrage ⁠zufolge im Dezember so stark geschrumpft wie seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine vor fast vier Jahren nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe fiel auf 48,1 Punkte von 48,3 Zählern im November, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Montag zu seiner Unternehmensumfrage mitteilte. Als Gründe wurden ein deutlicher Rückgang der Produktion und der Neuaufträge genannt. Damit liegt das Barometer den siebten Monat in Folge ⁠unter der Wachstumsschwelle ‍von 50 Punkten. Der Rückgang fiel so stark aus wie seit März 2022 nicht mehr.

Die ⁠Produktion nahm bereits den zehnten Monat in Folge ab. Die Unternehmen begründeten dies mit einer schwachen Nachfrage und weniger neuen Bestellungen. Die Neuaufträge sanken den siebten Monat in Folge, wenn auch so langsam wie in diesem Zeitraum nicht mehr. Eine Zurückhaltung der Kunden und eine geringere Kaufkraft belasteten die Nachfrage. Zudem baute der Sektor Personal ab. Die Zahl der Beschäftigten sank zum dritten Mal binnen vier Monaten.

Gleichzeitig beschleunigte sich der Anstieg der Einkaufspreise auf den höchsten Stand seit März. Die Unternehmen verwiesen auf ⁠höhere Preise bei Lieferanten und für Rohstoffe. Trotz der gedämpften Nachfrage erhöhten die Hersteller ihre Verkaufspreise, um die gestiegenen Kosten weiterzugeben. Die Zuversicht der Manager ließ nach. Der Optimismus für die zukünftige Produktion fiel auf ⁠den niedrigsten Stand seit Mai 2022. (rtr)

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