+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Selenskyj will Pufferzone in Kursk
Der ukrainische Präsident Selenskyj formuliert erstmals ein Ziel für den Vorstoß seiner Truppen. Eine wichtige Brücke in der Region Kursk wurde zerstört.
Präsident Selenskyj spricht von „Pufferzone“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat erstmals ein konkretes Ziel für den Vorstoß seiner Truppen in der westrussischen Region Kursk genannt. „Die Schaffung einer Pufferzone auf dem Territorium des Aggressors“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Angesichts der schweren Kämpfe dort sowie im Osten der Ukraine bat er die westlichen Partner um schnellen Nachschub an Waffen und Munition. „Der Krieg kennt keine Ferien“, sagte Selenskyj vor allem an die Adresse der USA, Großbritanniens und Frankreichs.
Die ukrainischen Soldaten leisteten zwar „hervorragende Arbeit“, so Selenskyj. „Aber wir müssen die Versorgung durch unsere Partner beschleunigen, wir bitten darum.“ Die Ukraine brauche Lösungen, sie sei vor allem auf ein rechtzeitiges Eintreffen der zugesagten Hilfspakete angewiesen. (dpa)
Russische Drohnen zerstört
Bei Russlands nächtlichem Luftangriff auf die Ukraine sind nach Angaben der Luftwaffe sämtliche Drohnen zerstört worden. Es habe sich um elf Drohnen gehandelt, teilt die Luftwaffe auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. Sie seien unter anderem auf Kyjiw gerichtet gewesen. Drohnen seien aber auch über anderen Regionen wie Charkiw, Sumy und Donezk zerstört worden.
Nach Angaben der Militärverwaltung von Kyjiw sind Luftabwehreinheiten am Stadtrand der ukrainischen Hauptstadt im Einsatz, um einen russischen Luftangriff abzuwehren. Dies teilt die Behörde über den Nachrichtendienst Telegram mit. Reuters-Augenzeugen berichten von Explosionsgeräuschen, die auf den Einsatz von Luftabwehrsystemen hindeuten. Weitere Details zum Ausmaß des Angriffs und möglichen Schäden sind derzeit nicht bekannt. (rtr)
Ukrainer im Osten unter Druck
Vor allem in den Gebieten rund um den Donbass schienen die ukrainischen Einheiten schwer unter Druck zu geraten. Aus einigen Orten mussten sie sich bereits zurückziehen. Gerade die Umgebung von Torezk sei „mehr als nur Verteidigung für die Ukraine, es ist jetzt das Hauptziel unserer Verteidigungsmaßnahmen im Allgemeinen, so viel wie möglich von Russlands Potenzial, dem Potenzial für einen Krieg, zu zerstören und ein Maximum an Gegenangriffsarbeit zu leisten“, betonte Selenskyj.
Ukrainische Militärs räumten die Schwierigkeiten rund um Pokrowsk ein. „Wir können uns zurückziehen, eine kleine Siedlung aufgeben oder eine kleine Schlacht verlieren“, sagte Serhij Zechozkyj, ein Offizier der dort eingesetzten Brigade im Fernsehen. „Aber die Hauptaufgabe besteht darin, den Krieg zu gewinnen.“
Aktuell rückten die russischen Soldaten bei Mykolajiwka vor, um die Versorgungsstrecke zwischen Pokrowsk und Karlowka zu unterbrechen. „Hier versuchen sie, etwas zu erreichen“, sagte Zechozkyj. Doch genau an dieser Stelle erwarte das russische Militär „etwas Unerwartetes“. Details nannte der Offizier nicht. (dpa)
Lagebericht des Generalstabs in Kyjiw
Torezk und Pokrowsk sind die Dauer-Brennpunkte der vergangenen Wochen. Auch der ukrainische Generalstab berichtete von schweren Kämpfen rund um die Orte. Allein bei Pokrowsk seien im Tagesverlauf 24 russische Sturmangriffe registriert worden, teils mit Unterstützung von Kampfflugzeugen. Bei Torezk seien insgesamt 15 russische Attacken abgeschlagen worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.
Zu den Kämpfen in der westrussischen Region Kursk machte die ukrainische Generalität in Kyjiw keine Angaben. Im Lagebericht heißt es lediglich, dass russische Artillerie und Kampfflugzeuge ukrainische Stellungen rund um Sumy im Osten des Landes angegriffen hätten. Sumy gilt als Zentrum des Nachschubs für die in der Region Kursk kämpfenden ukrainischen Truppen. (dpa)
Forbes: Hohe Materialverluste bei Kursk
Das ukrainische Militär hat bei seinem Vorstoß bei Kursk ungewöhnlich hohe Verluste an wertvoller Technik erlitten, resümierte das Wirtschaftsmagazin Forbes. Die Verluste an Panzern, gepanzerten Fahrzeugen und schweren Waffen seien überaus hoch und stünden in keinem Verhältnis zu den gleichzeitigen Verlusten auf russischer Seite.
Bei dem Vordringen über offenes Gelände seien die Fahrzeuge vielfach Luft- und Artillerieangriffen ausgesetzt, entsprechend seien die Verluste„doppelt so hoch wie sonst“, berief sich das Blatt auf Analysten. Allerdings, wenn die Ukraine das eroberte Gebiet halten könne, wäre dies die Verluste wert. Selenskyj hatte wiederholt über russische Raketen- und Artillerieangriffe aus dem Gebiet Kursk gegen Ziele im Osten der Ukraine geklagt. (dpa)
Lukaschenko spricht von Truppenaufmarsch an Grenze
Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko hat eigenen Angaben zufolge größere Truppenverbände an die Grenze seines Landes zur Ukraine verlegen lassen. Als Grund dafür nannte er starke Truppenansammlungen auf ukrainischer Seite. Dort habe Kyjiw bis zu 120.000 Soldaten stationiert, behauptete er in einem Interview des russischen Fernsehkanals „Rossija“, aus dem die Staatsagentur Belta zitierte. „Und angesichts dieser aggressiven Politik haben wir unser Militär entlang der gesamten Grenze stationiert, so wie es im Kriegsfall der Fall wäre.“ Lukaschenko, der auch als letzter Diktator Europas bezeichnet wird, kooperiert eng mit Kremlchef Wladimir Putin.
Nach Ansicht der ukrainischen Grenztruppen greift Lukaschenko „zu aggressiven Aussagen, die nicht der Realität entsprechen“. Von Verstärkungen auf belarussischer Seite sei zudem nichts erkennbar, sagte Andrij Demtschenko, Sprecher der Grenztruppen.
Minsk ist nicht aktiv am Krieg gegen die Ukraine beteiligt. Allerdings hat Lukaschenko im Februar 2022 den Vorstoß russischer Truppen aus Belarus heraus in die Ukraine erlaubt. Nach schweren Rückschlägen und Verlusten beim versuchten Vorstoß nach Kyjiw mussten sich diese russischen Einheiten zurückziehen. (dpa)
Debatte um Ukraine-Hilfen in Deutschland
Unterdessen stößt das Vorgehen der Ampel-Koalition bei der weiteren Finanzierung der Ukraine-Hilfen auch intern auf Kritik. Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses des Auswärtigen, der Sozialdemokrat Michael Roth, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag): „Es ist ein fatales Signal der Bundesregierung in Richtung Ukraine, wenn in den künftigen Haushalten des Bundes keine weiteren Mittel für neue Militärhilfen eingeplant werden.“
Manches deutet darauf hin, ob es wirklich so kommt, blieb am Wochenende allerdings offen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte in einem Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) geschrieben, „neue Maßnahmen“ dürften nur eingegangen werden, wenn in den Haushaltsplänen für dieses und die kommenden Jahre „eine Finanzierung gesichert ist“.
Der Brief liegt der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und der dpa vor. Nach entsprechenden Berichten erklärte allerdings am Samstag das Finanzministerium, dass es weiter gesprächsbereit sei. Bedarfe müssten aber konkret gemeldet und nachvollziehbar sein – bislang liege keine Meldung vor. Grundsätzlich setzt die Bundesregierung darauf, dass die Ukraine künftig stärker mithilfe von Zinsen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen unterstützt werden kann.
Außenausschuss-Chef Roth sagte: „Die ukrainische Armee ist erstmals seit Monaten wieder in der Offensive, das Land braucht nun den vollen Rückhalt seines wichtigsten militärischen Verbündeten in Europa, Deutschland. Stattdessen wirkt die Debatte über die künftige Finanzierung der Militärhilfen wie ein verkappter Rückzug Deutschlands aus der Verantwortung. Wir können unsere Sicherheit nicht von Haushaltszwängen abhängig machen.“ Die 50 Milliarden Dollar aus einem Hilfsfonds der G7-Staaten, der sich auch aus Zinsen eingefrorener Vermögen füllen soll, seien „bei Weitem nicht genug“. (dpa)
Weitere strategisch wichtige Brücke in russischer Region Kursk zerstört
Eineinhalb Wochen nach Beginn ihrer Offensive im Westen Russlands hat die ukrainische Armee ihre Angriffe in mehreren russischen Regionen verstärkt. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe vom Sonntag wurden eine weitere strategisch wichtige Brücke in der Grenzregion Kursk sowie das Erdöllager Kawkas in der Region Rostow getroffen. Laut Staatschef Wolodymyr Selenskyj läuft die Offensive „genau wie erwartet“. Die Bundesregierung will derweil keine zusätzlichen Hilfszahlungen für die Ukraine mehr bereitstellen.
Ziel des jüngsten ukrainischen Angriffs in der Region Kursk war offenbar eine Brücke über den Fluss Sejm nahe dem Dorf Swannoje, etwa 15 Kilometer nördlich der ukrainischen Grenze. Bereits am Samstag hatte die russische Führung Kyjiw vorgeworfen, eine strategisch wichtige Brücke in der Nähe des Kampfgebiets zerstört zu haben. Nach Angaben des Kursker Regionalgouverneurs Alexej Smirnow befand sich die Brücke rund elf Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt im Kreis Gluschkowo.
Der ukrainische Luftwaffenkommandeur Mykola Oleschtschuk erklärte am Sonntag im Onlinedienst Telegram: „Eine weitere Brücke weniger. Die Luftwaffe beraubt den Feind weiterhin mit präzisen Luftangriffen seiner logistischen Fähigkeiten.“ Auf einem von ihm hinzugefügten Video ist zu sehen, wie eine Explosion die Brücke zerstört und einen tiefen Spalt auf der Straße hinterlässt. Durch die Zerstörung der beiden Brücken sind nach Angaben russischer Militärblogger Russlands Möglichkeiten begrenzt, den Fluss Sejm im Bezirk Gluschkowo zu überqueren.
Zudem wurde am Sonntag in der südrussischen Region Rostow ein Öllager bei einem ukrainischen Drohnenangriff getroffen. Nach Angaben des örtlichen Gouverneurs Wassili Golubew lösten herabfallende Trümmerteile einen Großbrand aus. Die ukrainische Armee erklärte, sie habe das Erdöllager Kawkas in der Region Rostow angegriffen, das auch die russische Armee beliefere. (afp)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken