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+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Evakuierung der Stadt Chan Junis

Israel plant offenbar weitere Angriffe auf den Süden Gazas. Scholz telefoniert mit Netanjahu und drängt auf Deeskalation.

Chan Junis im südlichen Gazastreifen: Palästinenser inspizieren zerstörte Gebäude Foto: Abed Rahim Khatib/dpa

Scholz telefoniert mit Netanjahu

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu große Sorge über die Gefahr eines regionalen Flächenbrandes im Nahen Osten zum Ausdruck gebracht. Zugleich machte er deutlich, dass die Bundesregierung Drohungen aus Iran, von der Hisbollah und anderen gegen die Sicherheit Israels und seiner Bürgerinnen und Bürger entschieden verurteile, wie ein Regierungssprecher am Sonntag in Berlin mitteilte.

Mehr denn je komme es jetzt darauf an, die destruktive Spirale von Vergeltungsgewalt zu durchbrechen, Spannungen abzubauen und sich konstruktiv für Deeskalation einzusetzen. In diesem Zusammenhang habe der Bundeskanzler erneut unterstrichen, dass nun der Zeitpunkt gekommen sei, das Abkommen zur Freilassung der Geiseln und eines Waffenstillstands zu finalisieren.

Viele militärische Ziele im Kampf gegen die Hamas seien erreicht, zivile Opferzahlen und menschliches Leid im Gazastreifen gewaltig, so der Kanzler. Ein Ende des Kriegs in Gaza wäre ein entscheidender Schritt zu einer regionalen Deeskalation.

Im Nahen Osten sind die Sorgen vor einem Flächenbrand zuletzt gewachsen. Der Iran und seine Verbündeten haben Vergeltungsschläge gegen Israel wegen der Tötung zweier führender Köpfe der Hamas und der libanesischen Hisbollah-Miliz angekündigt. (dpa)

Israel weitet Evakuierungsanordnung für Chan Junis aus

Israel hat die Evakuierungsanordnung für die Stadt Chan Junis im südlichen Gazastreifen ausgeweitet. Die Bewohner von Bezirken im Zentrum, Osten und Westen des Ortes sollten das Gebiet verlassen, teilt das israelische Militär über X und über Nachrichten an Mobiltelefone mit. „Zu Ihrer eigenen Sicherheit müssen Sie sofort in die neu eingerichtete humanitäre Zone evakuiert werden. Das Gebiet, in dem Sie sich befinden, gilt als gefährliche Kampfzone.“ Israel greife Hamas-Kämpfer an, die diese Gebiete für Angriffe und den Abschuss von Raketen nutzten. Zehntausende Menschen verließen daraufhin in der Nacht ihre Unterkunft.

Bei dem Drohnenangriff in Syrien in der Nacht zum Samstag sind mehrere Soldaten der USA und der Koalition verwundet worden. Dies teilt ein US-Beamter gegenüber Reuters mit. Das US-Militär war zunächst davon ausgegangen, dass es bei dem Drohnenangriff in der Nacht zum Samstag keine Opfer gegeben habe. Eine genauere Untersuchung ergab jedoch, dass einige Soldaten leichte Verletzungen erlitten hatten. Es handelt sich um den zweiten größeren Angriff auf US-Streitkräfte in den vergangenen Tagen inmitten wachsender Spannungen im Nahen Osten. (rtr)

Diplomatie läuft auf Hochtouren

Zehn Tage nach der Tötung zweier hochrangiger Feinde Israels in Teheran und Beirut ist weiterhin unklar, ob und wann der Iran und die libanesische Hisbollah die angedrohten massiven Vergeltungsschläge gegen Israel ausführen werden. Während die Bevölkerung in Israel sichtlich unbeeindruckt ihren Alltagsgeschäften nachgeht, sind die Streitkräfte des Landes seit Tagen in höchster Alarmbereitschaft. Die USA, Israels wichtigster Verbündeter, brachten zusätzliche Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in die Region.

Zugleich laufen Medienberichten zufolge hinter den Kulissen enorme Bemühungen, um die explosive Lage durch diplomatische Anstrengungen zu entschärfen. Im Mittelpunkt stehen dabei die seit Monaten feststeckenden indirekten Gespräche zwischen Israel und der radikalislamischen palästinensischen Hamas, um ein Ende des seit zehn Monaten dauernden Gaza-Kriegs einzuleiten und die Freilassung von mehr als 100 Geiseln in der Gewalt der Hamas zu erreichen. Dabei vermitteln die USA, Ägypten und Katar. (dpa)

USA besorgt nach Angriff auf Schulgelände in Gaza-Stadt

Das Weiße Haus teilt mit, die USA seien zutiefst besorgt über den israelischen Angriff auf ein Schulgelände in Gaza-Stadt. Man sei im Kontakt mit der israelischen Seite, die erklärt habe, hochrangige Hamas-Vertreter im Visier gehabt zu haben, und habe nach Details zu dem Angriff gefragt. Es sei weiterhin so, dass viel zu viele Zivilisten im Gaza-Krieg getötet oder verwundet würden.

Nach Angaben der israelischen Armee hat der Luftangriff in Daraj Tuffah im östlichen Gazastreifen einem Kommando- und Kontrollzentrum der Hamas gegolten, das als Versteck für Hamas-Terroristen und Kommandeure gedient habe. „Die IAF traf präzise Hamas-Terroristen, die in einer Hamas-Kommandozentrale operierten, die in der Al-Taba'een-Schule eingebettet war und sich neben einer Moschee in Daraj Tuffah befand, in der Bewohner von Gaza-Stadt Schutz suchten“, teilte das israelische Militär mit.

Vor dem Angriff seien zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden, um das Risiko, Zivilisten zu verletzen, zu mindern, einschließlich des Einsatzes von Präzisionsmunition, Luftüberwachung und nachrichtendienstlichen Informationen“. (rtr)

USA stellen Israel weiteres Geld zur Verfügung

Washington stellt Israel weitere 3,5 Milliarden Dollar für den Kauf von US-Waffen und militärischer Ausrüstung zur Verfügung. Dies teilt das US-Außenministerium mit. Der Kongress sei unterrichtet worden. Laut einem Bericht des Fernsehsenders CNN sind die Gelder Teil einer im April vom US-Kongress gebilligten Zusatzfinanzierung für Israel in Höhe von 14 Milliarden Dollar.

US-Außenminister Antony Blinken hat in einem erneuten Telefongespräch mit dem israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant betont, dass eine Eskalation im Nahen Osten niemandem diene. Gleichzeitig habe Blinken die Notwendigkeit für eine Waffenruhe im Gazastreifen unterstrichen, teilt das US-Außenministerium mit. „Der Minister bekräftigte das unumstößliche Eintreten der Vereinigten Staaten für die Sicherheit Israels und erörterte, dass eine Eskalation im Interesse keiner Partei sei.“ (rtr)

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10 Kommentare

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  • "In diesem Zusammenhang habe der Bundeskanzler erneut unterstrichen, dass nun der Zeitpunkt gekommen sei, das Abkommen zur Freilassung der Geiseln und eines Waffenstillstands zu finalisieren."

    "Wir alle haben uns letztlich mundtot machen lassen. Vor allem Deutschland, aber auch andere Staaten, haben so agiert oder eben nicht agiert, als hätten sie wegen der Schoah, wegen Scham und Schuld, doppelte Samthandschuhe angelegt. Diese vom Westen bewusst oder unbewusst verinnerlichte Prämisse hat ein Israeli einmal so beschrieben: Sein Land komme ihm vor »wie ein randalierender Jugendlicher, dem niemand von außen eine Grenze setzt, weil er eine sehr schwere Kindheit gehabt hat«."

  • Die gezielte Eliminierung von Palästinenserführern durch Israel in Territorien wie dem Iran und dem Libanon macht deutlich, dass Israel nicht an einer Deeskalation interessiert ist.

    Vielmehr scheint es darauf abzuzielen, die Spannungen. verschärfen, um von der Situation im Gazastreifen abzulenken. Dabei setzt man weiterhin entschlossen darauf, den Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen und letztlich zur Evakuierung zu zwingen.

    • @aberKlar Klardoch:

      Es wäre deeskalierend, wenn die Hamas endlich alle Geiseln freilässt - dies wäre doch mal ein guter Anfang für Frieden.

      • @casio:

        Es wäre wünschenswert, wenn es so einfach wäre. Doch die Realität sieht anders aus: Der israelischen Regierung geht es längst nicht mehr primär um die Geiseln. Diese werden auf zynische Weise instrumentalisiert, um strategische geopolitische Interessen zu verfolgen.

        • @aberKlar Klardoch:

          Was wären diese geopolitischen Interessen, und auf welche Weise werden die Geiseln zu diesen Instrumentalisiert?

        • @aberKlar Klardoch:

          Es geht Ihnen doch um ein Signal der Deeskalation? Sie könnten so argumentieren, wie Sie es tun, wenn die Hamas das wichtigste Signal von allen - die Freilassung aller Geiseln - vollzogen hätte. Dann wäre die Geschichte auf Ihrer Seite. Aktuell stehen Sie auf der falschen Seite der Geschichte.

          • @casio:

            "Es geht Ihnen doch um ein Signal der Deeskalation?"

            Sie sprechen von einem Signal der Deeskalation, aber über 50.000 Palästinenser zu töten, von denen zwei Drittel Frauen und Kinder sind, kann eindeutig nicht als solches verstanden werden. Das ist kein Weg, um ernsthafte Verhandlungen zu führen – insbesondere dann nicht, wenn man seine potenziellen Verhandlungspartner durch terroristische Mittel ermordet

            ".....wichtigste Signal von allen...."

            wäre die Befreiung der Geiseln/Gefangenen auf "beiden" Seiten.

  • Viele wollen vermutlich deeskalieren: EU, USA, die vielen Menschen in Palästina und Israel und dem Iran. Einige wenige offenbar nicht, sie eskalieren volle Kanne. Vielleicht ein paar Hardliner in Teheran und Gaza, recht sicher aber der Netanyahu.



    Daher sollte man schon länger nachdenken, wen man sogar unterstützt und wen in Zukunft nicht.

    • @Janix:

      Die Blankoscheck-Politik gegenüber Israel ist jedenfalls keine Lösung. Wieso ein Staat, der das Völkerrecht derart umfangreich und langanhaltend mißachtet, ausgerechnet im Westen als Partner gilt, lässt sich nicht vernünftig erklären. Hier werden die oft progagierten Werte und Regeln über Bord geworfen. Der Westen macht sich unglaubwürdig und verliert jegliche Vorbildfunktion auf internationaler Ebene.

      • @HaMei:

        Im Kontrast zu VR China, Putin-Russland, Katar und vielen anderen hat der Westen einen gewissen Vorsprung.



        Der Charme dieser Hegemonie ist und war u.a., sich selbst durch Recht und Prinzipien binden zu lassen.



        Das Recht sollte nun auch für die Palästinenser gelten. Hier kommt eine ungute Wir-müssen-das-Eigenberechtigung hoch, die das Selbstverteidigungsrecht weit übersteigt



        Bei allem Nachvollziehen von Ängsten in Israel: die Rolle des Westens ist, Netanyahu endlich zu bremsen.