piwik no script img

+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++Israel verkündet „taktische Pause“

Mehrere Stunden täglich sollen in bestimmten Gebieten des Gazastreifens die Waffen schweigen, um Hilfslieferungen zu ermöglichen. Nicht aber in Rafah.

Demonstration für die Freilassung der Geiseln, Tel Aviv am Samstag Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Rechtsextreme kritisieren Israels tägliche „taktische Pause“

Das israelische Militär hat für seinen Einsatz im südlichen Gazastreifen eine täglich mehrstündige und räumlich begrenzte „taktische Pause“ angekündigt. Dies soll mehr Hilfslieferungen in das Küstengebiet ermöglichen. Die Entscheidung wurde nach Beratungen mit den Vereinten Nationen und internationalen Organisationen getroffen, wie die Streitkräfte am Sonntagmorgen mitteilten. Die Pause gilt demnach bereits bis auf Weiteres zwischen 8 und 19 Uhr (7 bis 18 Uhr MESZ) entlang der Straße, die vom Grenzübergang Kerem Schalom nach Norden führt. Das Militär erklärte jedoch, die Pause beziehe sich nicht auf die Stadt Rafah, dort sollten die Kämpfe weitergehen.

Rechtsextreme Politiker in Israel kritisieren die Entscheidung. Polizeiminister Itamar Ben-Gvir schrieb am Sonntag auf X, wer diese Entscheidung getroffen habe, „während unsere besten Soldaten im Kampf fallen“, sei „ein Narr und Dummkopf, der nicht auf seinem Posten bleiben darf“. Finanzminister Bezalel Smotrich schrieb: „Die humanitäre Hilfe, die weiter an die Hamas gelangt, belässt sie an der Macht und droht, unsere Erfolge im Krieg zunichtezumachen.“

Wegen der Kämpfe zwischen Israels Armee und der Hamas hatte das Welternährungsprogramm (WFP) davor gewarnt, dass die Menschen im südlichen Teil des von der islamistischen Terrororganisation beherrschten Gazastreifens schon bald unter der gleichen katastrophalen Hunger-Lage leiden könnten wie jene in den nördlichen Gebieten zuvor. „Die Situation im südlichen Gaza verschlechtert sich rasch“, sagte der stellvertretende WFP-Direktor Carl Skau am Freitag. (dpa)

Neue Massenkundgebungen in Israel

Bei Massenkundgebungen in Israel haben am Samstag einmal mehr zehntausende Menschen für die Freilassung der Geiseln und gegen die Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu demonstriert. In Tel Aviv und anderen Städten verlangten sie von Netanjahu, einem Ende der Kämpfe mit der Hamas als Teil eines Abkommens zuzustimmen, dass die verschleppten Geiseln wieder zu ihren Familien bringt, wie Haaretz berichtete. Nach Darstellung des Forums der Geisel-Familien handelte es sich um den größten Protest seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober vergangenen Jahres.

In einer auf Video aufgezeichneten Rede sagte Andrey Kozlov, den die israelische Armee zusammen mit drei weiteren Geiseln vor einer Woche bei einem Großeinsatz aus der Gefangenschaft befreit hatte: „Für die Geiseln, die noch in Gaza sind, gibt es nur eine einzige Lösung: einen Deal zwischen Israel und der Hamas.“

In Tel Aviv wurden laut der Zeitung Times of Israel zwölf Menschen festgenommen. Die Polizei wirft ihnen demnach Verstöße gegen die öffentliche Ordnung vor. Sie hätten unter anderem Straßen blockiert. (dpa)

Mehrere israelische Soldaten getötet

Überschattet wurden die Kundgebungen vom Tod acht israelischer Soldaten in Rafah. Militärangaben zufolge wurden sie am frühen Samstagmorgen Opfer einer Explosion, als sie nach einem Einsatz im nordwestlichen Teil der Stadt in einem Konvoi gepanzerter Fahrzeuge unterwegs waren. Noch sei unklar, ob die Explosion von einer Panzerabwehrrakete oder einer Sprengfalle ausgelöst wurde, sagte Armee-Sprecher Daniel Hagari. „Heute wurden wir ein weiteres Mal schmerzlich an den Preis des Krieges erinnert.“ Bei Kämpfen in der Nacht zuvor hatten israelische Einheiten nach Armeeangaben 50 Milizionäre der Hamas getötet.

Wer für den Angriff auf den Konvoi verantwortlich ist, teilten die Streitkräfte nicht mit. Über Telegram erklärten die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, sie hätten „Fahrzeuge des Feindes“ in Tal al-Sultan aus dem Hinterhalt überfallen. Wie so oft im Verlauf der Kriegshandlungen ließen sich weder die Angaben der israelischen Armee noch die der Gegenseite unabhängig überprüfen. (dpa)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Feuerpause? Wer hat die eigentlich beschlossen?

    Netanyahu: “We have a country with an army and not the other way around”

    Ist das jetzt schon ein Putsch?

    • @Marco Dorn:

      Anscheinend hat Netanyahu schon vor langer Zeit die Armee angewiesen, Hilfslieferungen zu Erleichtern.

      „The IDF said later in the day that its decision was in line with instructions by Netanyahu to increase the flow of aid into the Strip by allowing safe passage for convoys.“



      www.timesofisrael....o-secure-gaza-aid/

      Das braucht dann auch Feuerpausen auf den Routen, und es war bisher schon regelmäßig der Fall. Regelmäßig gab es für bestimmte Bezirke einseitige, mehrstündige Feuerpausen um Hilfslieferungen zu ermöglichen. Deswegen fühlte sich die Armee offenbar ermächtigt, mit der UN auch diese auszuhandeln, ohne die Regierung vorab nochmals um Erlaubnis zu fragen. Das hat dann offenbar auch N. überrascht, aber er kann sich nur an die eigene Nase fassen, denn er war ja derjenige, der keine konkreten Vorgaben gemacht hatte.

      Die ganze Episode offenbart nebenbei, wie wenig Einfluss auf die Kriegsführung die rechtsextremen Minister in der Regierung haben (zum Glück).

  • Eigentlich müssten die Palästinenser im Gazastreifen schon aus Eigennutz auch für die Freilassung der Geiseln auf die Straße gehen. Stattdessen bieten sie der Hamas einen Schutzschild mitten im Wohnviertel. Muss man nicht verstehen.

  • jaaa neee iss klaa,



    erst werden Hilfslieferungen von der Armee monatelang auf Feigenblatt-Niveau herunter blockiert. Dann lässt die Armee notgedrungen etwas mehr nach intensivsten Kontrollen ins Land, denn sonst liegt ja der US-Nothafen zu offensichtlich brach, läßt aber gleichzeitig zu das bewaffnete Gruppen aus Ultra-Orthodoxen selbst die genehmigten Lieferungen weiter blockieren ....



    ... und dann macht man eine "taktische Waffenruhe" (was immer das heißen soll, wenn in Rafah weiter angegriffen wird...) um "mehr Hilfslieferungen ins Land zu lassen". Waffenruhe ist gut. Wenn das nicht nur eine Worthülse bleibt bezogen auf die Gebiete in denen auch vorher schon nicht mehr gekämpft wurde und gleichzeitig die Militäraktionen anderswo unverändert weiter gehen.



    Warum nicht Blockaden der Hilfslieferungen durch Armee und Sondergruppen zurück fahren? Denn offenbar scheitern die bisherigen blockierten Lieferungen ja nicht an den Kampfhandlungen, sondern aus anderen Gründen.

    • @Monomi:

      Wenn der 7. Oktober und der folgende Hagel von Raketen und Mörsergranaten auf Israel (>10.000) etwas bewiesen hat, dann doch, dass eine Blockade von Nöten ist um eine (Wieder)Bewaffnung von Hamas & Co zu unterbinden bzw. zu minimieren; und es ein Fehler seitens Israels war die Kontrolle über den Philadelphi-Korridor Ägypten zu überlassen, weil es dort offenbar an Entschlossenheit mangelt den Tunnelschmuggel zu unterbinden.

      Letztlich hat sich auf traurige, blutige Weise erwiesen dass die NGO-s, Menschenrechtsorganisationen und sonstige Kritiker der Blockade all die Jahre im Unrecht waren, und dass es Ihnen in dieser Beziehung an Urteilsvermögen mangelt.

      In Beziehung auf die ersten Kriegsmonate mögen Sie mit Ihrer Einschätzung recht haben; nachdem Kerem Shalom wieder geöffnet wurde kam aber viel an Hilfsgütern durch. Die zuständige Isr. Behörde hat eine Stellungnahme veröffentlicht, wonach bis zum 25. April nur 1,3% der LWK zurückgewiesen wurde. Ich wüsste nicht, dass die Hilfsorganisationen dies durch Vorlage ihrer eigenen Dokumentation widerlegt hätten, deshalb gehe ich davon aus, dass es wahr ist. Somit scheinen die Lieferungen nicht an den Kontrollen zu scheitern.

    • @Monomi:

      Standing together hat dafür gesorgt, dass es keine effektiven Blockaden der Hilfslieferungen gibt. Also Israelis haben dafür gesorgt. Darüber berichtet wurde sehr wenig.

      Die Blockaden waren auch nie sehr effektiv, da trotz Fernseh-Bildern Güter über verschiedene Routen zu den Checkpoints nach Gaza gelangt sind.

    • @Monomi:

      Diese bewaffneten Gruppen sind Nationalreligiöse, keine Ultraorthodoxen, bitte nicht verwechseln!