piwik no script img

+++ Krieg in Sudan +++Mehr als 300 Tote in nur wenigen Tagen

UN-Generalsekretär Guterres fordert einen Stopp von Waffenlieferungen in das nordafrikanische Land. Am Wochenende hatte es erneut ein Massaker gegeben.

Überall Zerstörung – hier nach einem Angriff in Khartum am 25. April 2023 Foto: Marwan Ali/ap

Guterres fordert Stopp von Waffenlieferungen

Zwei Jahre nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs im Sudan hat UN-Generalsekretär António Guterres einen Stopp von Waffenlieferungen in das nordafrikanische Land gefordert. „Die Unterstützung von außen und der Fluss von Waffen müssen aufhören“, erklärte Guterres am Montag, ohne allerdings konkrete Waffenlieferanten zu benennen. An diejenigen mit dem „größten Einfluss“ auf die Kriegsparteien appellierte er, diesen zu „nutzen, um das Leben der Menschen im Sudan zu verbessern – und nicht, um diese Katastrophe fortzusetzen“.

Die Armee von Militärherrscher Fattah al-Burhan und die RSF-Miliz seines früheren Stellvertreters Mohammed Hamdan Daglo liefern sich im Sudan seit zwei Jahren einen blutigen Machtkampf. Nach UN-Angaben wurden bislang zehntausende Menschen getötet, mehr als zwölf Millionen Menschen sind auf der Flucht. Sowohl der Armee als auch der RSF-Miliz werden Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Der Sudan hat die Vereinigten Arabischen Emirate beschuldigt, die Miliz mit Waffenlieferungen zu unterstützen. Sowohl die Miliz als auch der Golfstaat bestreiten die Vorwürfe. Dem jüngsten Bericht von UN-Experten von Anfang des Jahres zufolge bestätigten sich frühere Angaben über eine Waffenroute aus Abu Dhabi über den Tschad nach Darfur nicht.

Demnach gelangten aber Waffen aus Libyen in den Sudan. Zudem seien Kämpfer in Nachbarländern wie dem Tschad, Libyen und der Zentralafrikanischen Republik rekrutiert und in den Südsudan geschickt worden, erklärten die UN-Experten. Auch gebe es glaubwürdige Anschuldigungen, dass kolumbianische Söldner auf der Seite der Miliz kämpften. (afp)

Tote in Geflüchtetenlager Samsam

Mehr als 300 Menschen sind innerhalb von zwei Tagen in der konfliktgeplagten sudanesischen Region Darfur getötet worden. Das berichtete das UN-Nothilfebüro (OCHA) am Montag – unmittelbar bevor sich der Beginn des Bürgerkriegs im Sudan am 15. April zum zweiten Mal jährte. UN-Sprecher Stéphane Dujarric erklärte, OCHA habe Berichte über zahlreiche Todesopfer und großflächige Vertreibungen nach den jüngsten Kämpfen in und um die Vertriebenenlager Samsam und Abu Schoruk sowie in der Hauptstadt von Nord-Darfur, Al-Faschir, erhalten. „Vorläufige Zahlen aus lokalen Quellen deuten darauf hin, dass über 300 Zivilisten getötet wurden, darunter zehn humanitäre Helfer der NGO Relief International, die eines der letzten funktionierenden Gesundheitszentren im Samsam-Lager betrieben“, sagte Dujarric.

Die Zahl der Todesopfer der Angriffe, die am Freitag und Samstag von der sudanesischen Miliz RSF auf die zwei Lager und die nahe gelegene Provinzhauptstadt verübt wurden, war von der UN-Nothilfekoordinatorin im Sudan, Clementine Nkweta-Salami, zunächst noch deutlich niedriger geschätzt worden. Diese hatte von 100 Toten berichtet, darunter auch 20 Kinder. (ap)

Sudan erhält Millionenhilfe von Großbritannien

Neben Deutschland stellt auch Großbritannien dem von einem blutigen Bürgerkrieg erschütterten Sudan eine weitere Millionensumme für humanitäre Hilfe zur Verfügung. Mit den umgerechnet knapp 140 Millionen Euro werden Nahrungsmittel und Hilfsgüter unter anderem für Kinder sowie Soforthilfen für Überlebende sexualisierter Gewalt finanziert, wie das britische Außenministerium mitteilte.

Großbritannien ist am Dienstag gemeinsam mit Deutschland, Frankreich, der EU und der Afrikanischen Union Gastgeber eines Gipfeltreffens in London von Außenministerinnen und Außenministern zur Lage im Sudan am zweiten Jahrestags des Kriegsbeginns. Die Bundesregierung hatte am Montag mitgeteilt, das afrikanische Land mit weiteren 125 Millionen Euro zu unterstützen. (dpa)

🐾 Krisen bitte nicht nach Wichtigkeit für Europa sortieren

Der Krieg im Sudan steht im Schatten des Nahen Ostens und der Ukraine, schreibt Gastkommentator Christof Johnen, Leiter des Bereichs Internationale Zusammen­arbeit beim Deutschen Roten Kreuz (DRK). Und sollte ebenso viel Beachtung finden.

Frauenrechtlerin: Sexuelle Gewalt als Strategie

In dem seit zwei Jahren andauernden Bürgerkrieg im Sudan leiden Frauen und Kinder UN-Angaben zufolge in besonderem Maße. Sie machen demnach 80 Prozent der bald 13 Millionen Flüchtlinge und Binnenvertriebenen im drittgrößten Land Afrikas aus. Sie sind es auch, die in besonderem Maß von sexueller Gewalt betroffen sind. „Es ist ein Krieg, der die Körper von Frauen und Kindern als Kriegswaffe und Kriegsstrategie benutzt“, sagt Hala al-Karib, Sudan-Direktorin der Frauenrechtsorganisation Siha.

Insbesondere in der Region Darfur, die vor gut 20 Jahren Schauplatz eines Völkermords war, habe sexuelle Gewalt durch Milizen eine lange Tradition: „Was derzeit in meinem Land passiert, ist definitiv ein Ergebnis von Jahren der Straflosigkeit und des Schweigens über Gräueltaten und Gewalt gegen Frauen und Mädchen sowie Zivilisten in Darfur.“ Frauen und Mädchen würden vor den Augen ihrer Familien vergewaltigt, auch um diese Zeugen zu demütigen und zu brechen. Es gibt Berichte über sexuelle Versklavung.

Das UN-Kinderhilfswerk hatte vor wenigen Wochen einen Bericht veröffentlicht, wonach allein im vergangenen Jahr 221 Fälle von Vergewaltigungen von Minderjährigen angezeigt worden waren. Dabei seien 16 Opfer jünger als fünf Jahre gewesen – in vier Fällen habe es sich gar um einjährige Kleinkinder gehandelt. Siha hat in einer Stellungnahme für den UN-Menschenrechtsrat mehr als 300 Fälle dokumentiert. Doch die Dunkelziffer gilt als hoch.

Wie viele Frauen und Kinder tatsächlich Opfer sexueller Gewalt sind, ist angesichts des damit verbundenen Stigmas in dem konservativen Land unbekannt. (dpa)

Krieg erreicht auch Sudans Nationalmuseum

Wo einst Statuen und Jahrhunderte alte Kunstwerke und Artefakte zu sehen waren, sind nur noch Trümmer und Leere. Die Vitrinen sind zerbrochen und geplündert. Im sudanesischen Nationalmuseum in Khartum hat der Krieg unübersehbar seine Spuren hinterlassen. Für die Zerstörung des Museums macht die sudanesische Regierung die RSF verantwortlich – die das Viertel, in dem das Gebäude liegt, während der meisten Zeit des Konflikts kontrollierten.

„Die Verluste sind extrem groß und traurig, eine große Zahl an Antiquitäten wurde gestohlen“, sagt Gamal al Din Sain al-Abdin von der Nationalen Gesellschaft für Antiquitäten und Museen. „Die RSF haben alles zerstört, was mit der Zivilisation des sudanesischen Volkes zu tun hat.“ Wertvolle Ausstellungsstücke aus der Altsteinzeit und aus den Königreichen des alten Sudans hatte das Museum gesammelt. Viele stammten aus dem achten und siebten Jahrhundert vor Christus, als Pharaonen aus dem Sudan einen Teil des alten Ägyptens beherrschten. Andere Säle enthielten spätere Werke aus christlicher und islamischer Zeit. Die Plünderer hätten auch die verschlossenen Lagerräume aufgebrochen und alle goldenen Artefakte gestohlen, erklärt Sain al-Abdin. Noch fehle aber der Überblick über die Verluste.

Im Nationalmuseum sei es zu „umfassenden Plünderungen und beträchtlichem Schaden“ gekommen, erklärte die Unesco in der vergangenen Woche. Auch aus weiteren Regionen des afrikanischen Landes meldete die UN-Organisation Zerstörungen von Museen und anderen Kulturstätten und den Diebstahl von Kulturgütern. (ap)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 17. April 2025

Liebe Kommune,

wir machen Osterpause – die Kommentarfunktion bleibt für ein paar Tage geschlossen. Ab dem 22.04.2025 sind wir wieder für euch da und freuen uns auf spannende Diskussionen.

Genießt die Feiertage 🐣🌼
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!