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Kreisliga-Siege sind jetzt Geld wert

Das Geschäft mit den Fußballwetten floriert auch in Deutschland, immer mehr Anbieter drängen auf den Markt und locken mit neuen Varianten, zum Beispiel Ergebniswetten unterer Ligen oder Vorhersage des nächsten Eckballs

HALLE taz ■ Unter Sportwettern gehört es längst zum guten Ton, regelmäßig wenigstens einen kleinen Teil des eigenen Wettvermögens auf die Vereine der englischen Conference – nichts Geringeres als die fünfte englische Fußballliga – zu setzen. Denn dort, wo Auswärtssiege des Tabellenführers noch als sicher gelten, die Städte meist derartig klein sind, dass sie nur in einem gut aufbereiteten Atlas auftauchen, und die Clubnamen so herrlich nach verregnetem britischem Gebolze klingen, ist die Sportwetten-Welt scheinbar noch in Ordnung.

Seit Anfang Februar gibt es darauf nun auch die deutsche Antwort. Denn mit Sportwetten Gera wagt sich hierzulande der erste Anbieter in die absoluten Tiefen des Amateurfußballs: Sogar bis in Kreisligen und Stadtklassen lässt sich das persönliche Fachwissen neuerdings versilbern. Veit Becker, Büroleiter beim Quotenmacher aus Thüringen: „Im Moment stecken wir noch in der Testphase, wobei die Resonanz bislang absolut zufriedenstellend ist.“ Somit sei zu erwarten, dass die Anzahl solch klangvoller Schlagerspiele wie SC Union Bergen gegen SV Phönix aus der Kreisliga Bochum bald erheblich aufgestockt werde. Eine potenzielle Gefahr, dass Clubs gerade auf Kreisebene die Gunst der Stunde nutzen könnten, um auf den eigenen Gegner zu setzen, daraufhin wundersam zu verlieren und sich mit dem Gewinn eine Kegeltour oder ein Trainingslager unter südlicher Sonne zu finanzieren, sieht Becker nicht: „Zum einen gibt es die Amateurpartien nicht als Einzelwetten, so dass diese mit mindestens zwei weiteren Begegnungen gekoppelt werden müssten, und zum anderen würden wir Spiele aus dem Programm nehmen, sollten wir gewisse Auffälligkeiten erkennen.“

Hintergrund des erweiterten Wettangebots bei Sportwetten Gera ist der harte Wettbewerb in der Branche. Denn neben dem Thüringer Unternehmen kämpfen auf privatwirtschaftlicher Ebene noch drei weitere Firmen um die Gunst des Wettvolks und gegen das Flaggschiff des staatlichen Sportwettangebots Oddset. Zum Teil mit abstrusen Quotenbringern: So lässt sich beispielsweise bei betandwin.de sogar damit Geld verdienen (respektive verlieren), dass während des laufenden Spiels online auf die nächste gelbe Karte oder den folgenden Eckball gewettet wird.

Wie Sportwetten Gera und das Neugersdorfer Unternehmen betandwin.de sind auch die zwei weiteren privaten Anbieter Interwetten und die Digibet AG in den neuen Bundesländern angesiedelt. Durchaus nicht zufällig. Schließlich verfügen die vier Firmen allesamt noch über die frühere DDR-Wettlizenz und können somit aufgrund der nicht vollständig geklärten Rechtslage die für neue oder internationale Anbieter bislang kaum überwindbaren Marktzutrittschancen umgehen.

„Mit dieser eingeschränkten Dienstleistungsfreiheit ist es allerdings vorbei. Aufgrund der jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes wird es in Zukunft einen offeneren Wettbewerb geben. Wir befinden uns in einer dramatischen Umbruchsituation“, unterstreichen die Münchner Anwälte Martin Arendts und Wulf Hambach. Die Wettrechtspezialisten sehen für die nächsten zehn Jahren auf dem deutschen Markt eine Vielfalt voraus, wie sie mit heutigen österreichischen Verhältnissen vergleichbar ist. Das bedeutet: mehr Firmen, mehr Angebote, höhere Quoten. Innovationspotenzial gibt es sowohl auf staatlicher Seite als auch unter den privaten Anbietern offenbar genug: So plant die staatliche Lotterieverwaltung angeblich zum Start der Bundesligasaison 2004/2005, die Elferwette nach mehr als 30 Jahren wieder in eine 13er-Wette umzuwandeln. Auf privater Seite stellen die beiden neuen Portale bluevex.de und mybet.com, in denen die Börsenfreaks unter den Fußballfans Ergebnisse wie Aktien handeln können, und das erweitere Angebot bei Sportwetten Gera wohl nur einen kleinen Vorgeschmack dar.

MATHIAS LIEBING

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