Finale der Handball-WM: Und nun zurück in die Provinz
Nach großartigem Turnier verliert das DHB-Team das WM-Finale. Die Siegerinnen aus Norwegen stehen für einen anderen Stellenwert des Frauenhandballs.
Lange hatte sein Team die norwegischen Weltmeisterinnen ins Grübeln gebracht. Erst in den Schlussminuten machten die Champions aus Skandinavien mit Cleverness und Star-Appeal (Henny Reistad, Katrine Lunde) die nächste Goldmedaille einer Handballweltmeisterschaft klar. Sie wurden beim 23:20 (11:11) erstmals in diesem Turnier gefordert, lobten später den Gegner pflichtschuldig, nahmen Pokal und Plaketten routiniert entgegen. Für die 45 Jahre alte Torhüterin Lunde war es ihr letztes Länderspiel.
Es hätte jetzt alles richtig romantisch werden können. Mit Medaillen um den Hals und in der Hand standen Markus Gaugisch und Ingo Meckes in der zugigen Interviewzone der Ahoy Arena. Sie grinsten um die Wette – unter dem Eindruck beeindruckender Auftritte des Nationalteams. Doch ewige Treue schworen sich der Bundestrainer und der Sportvorstand nicht. Wer ihren Worten lauschte, vernahm Abschiedsschwingungen.
Gaugisch hatte zuvor schon Bekenntnisse zum Deutschen Handballbund (DHB) vermieden. Sein Vertrag dort läuft Ende April 2026 aus. „Ich habe Bock auf Handball, ich habe Lust zu arbeiten, mit einer Mannschaft etwas zu entwickeln“, sagte er am Sonntagabend. Es ist kein Geheimnis, dass es ihn nach knapp vier Jahren als Frauen-Bundestrainer in den Vereinshandball zieht – den der Männer. In Rotterdam wirkte er, als habe er die Mission beim DHB im Moment des größten Erfolges gedanklich schon beendet.
Markus Gaugisch, Bundestrainer
Den Deutschen blieb der zweite Platz, die erste Auszeichnung seit 18 Jahren. Mehr noch – auch die B-Note war erfreulich, dieses Team strahlt Frische, Zusammenhalt und Mut aus. „Auf und neben dem Feld sind das gute Vorbilder“, sagte Gaugisch, „sie kämpfen für die nächste Generation an Handballerinnen.“
In der öffentlichen Debatte um Einkommensunterschiede und (fehlende) Wertschätzung mischten viele seiner Spielerinnen ohne Scheu mit. Anders als früher stimmte die Chemie im Team. Xenia Smits, die integrative Kraft der Gruppe, kullerten die Tränen: „Wir hatten hier Wochen ohne Schnickschnack. Das war einfach schön.“
Den Trainer drängt's in den Männerhandball
So schön wird es vielleicht nie wieder. Ingo Meckes vom DHB lobte zwar den Eindruck, den dieses Team unter ihrem Chef hinterließ: „Markus Gaugisch hat einen ganz, ganz großen Anteil daran.“ Also weiter mit ihm in Richtung Olympische Spiele 2028? „Wir haben uns schon vor der WM unterhalten. Wir haben einen super Kontakt“, antwortete er vielsagend. „Sehr entspannt“, sei er bezüglich der Vertragsfrage, steuerte Gaugisch bei: „Wir werden uns jetzt hinsetzen und schauen, was wir hinkriegen.“
Aus seinem Team kam viel Zuneigung. „Er hat die richtigen Knöpfe gedrückt“, sagte Xenia Smits, „ich wünsche mir, dass er bleibt.“ Kapitänin Antje Döll sagte, sie würde sich „wahnsinnig freuen“, sollte Gaugisch weitermachen. Für die 37 Jahre alte Linksaußen hielt dieses Turnier einen krönenden Abschluss bereit, wurde sie wie Emily Vogel ins „All-Star-Team“ gewählt. Rückraum-Akteurin Viola Leuchter bekam den Titel „Beste junge Spielerin“ verliehen.
Es ist ja so eine Sache mit organischem Wachstum im Teamsport. Den Französinnen hatten Schwangerschaften und Verletzungen einen Strich durch die Titelverteidigung gemacht. Als „Generation geiler Handball“, bezeichnete Gaugisch sein Team, das den Viertelfinal-Fluch aufgehoben hat. „Aber es ist keine Selbstverständlichkeit, dass es wieder passiert“, mahnte er und erinnerte daran, dass alle prägenden Norwegerinnen bei jenen Teams ihr Geld verdienen, die am Champions-League-Wochenende auf dem Treppchen stehen.
Seine Emporkömmlinge Nieke Kühne und Nina Engel hingegen versuchen, bei der HSG Blomberg/Lippe vom Handball zu leben. Beide rannten sich im Endspiel die Köpfe ein. Da war viel Luft nach oben. Was auch für die Handball-Bundesliga der Frauen gilt.
Der DHB will die Welle des Erfolges reiten – Länderspiele sollen zu Festtagen werden. Das ist eine erwartbare Entwicklung. Ob dauerhaft mehr Sichtbarkeit des Frauenhandballs über die Bundesliga erzielt werden kann, scheint fraglich: In Buxtehude, Metzingen und Bensheim werden die Spielerinnen bald wieder unter sich sein. Dem hält die Nationalmannschafts-Managerin Anja Althaus entgegen: „Jetzt haben Sponsoren doch gesehen, was in dieser Sportart steckt.“ Weiter warb sie: „Ich wünsche mir, dass mehr Sponsoren Bundesligavereine unterstützen, dass wir Hallen bauen, dass es normal wird, wenn das Fernsehen Frauenhandball zeigt und nicht bis zum nächsten großen Turnier wartet.“
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert