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Asylrecht in GroßbritannienAbschieben und Tee trinken

Weil der Druck von rechts zu stark wird, will nun ausgerechnet die linke Labourregierung das Aufenthaltsrecht verschärfen.

Verschärftes Asylgesetz in UK: Migranten an der französischen Küste versuchen sich auf den Weg nach Großbritannien zu machen Foto: Bartek Langer/imago

Es sind die schärfsten Maßnahmen gegen Einwanderung in Europa. Die britische Labourregierung erklärte, man wolle damit die Gesellschaft vor weiterer Spaltung bewahren, versprach am Wochenende Innenministerin Shabana Mahmood. Die Zeit des „goldenen Tickets“ für Einwanderung solle beendet werden und, so betonte sie wiederholt, auf diese Weise für Ordnung und Kontrolle gesorgt werden. Mahmood erklärte britischen Medien, darunter der Sunday Times und der BBC, dass die illegale Einwanderung das Land auseinanderreiße und weiter spalte. Bis Juni 2025 seien 111.000 Personen ins Land eingereist, 88.700 davon stellten Asylanträge.

Das Recht auf Asyl und das Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich hätten zukünftig für alle neu „illegal“ eingereisten Menschen keine permanente Gültigkeit mehr, sondern sollten, und dies ist neu, in 30-monatigen Abschnitten neu geprüft werden. Sobald ein Ursprungsland wieder sicher werde, müssten Menschen, die in Großbritannien Asyl erhalten hätten, dorthin zurückkehren.

Ein Recht auf eine permanente Aufenthaltsgenehmigung, durch welche gleichzeitig ein Recht auf Sozialleistungen entsteht, werde frühestens nach Ablauf von 20 Jahren möglich. Das wäre die längste Zeit im westlich-europäischen Raum. Verkürzungen werde es nur für jene Asylbewerber:innen geben, die von der Regierung festgelegten Ausbildungs- und Berufswegen nachgehen.

Was außerdem zähle, sei, inwiefern ein Flüchtling zum Wohl der britischen Gesellschaft beigetragen hätte und im Vereinigten Königreich ein rechtmäßiges Leben geführt habe. Personen, die legal ins Land eingereist seien, dürften „bereits“ nach zehn Jahren einen Antrag auf permanentes Aufenthaltsrecht stellen – länger als anderswo in Europa. Durch Auflösung einer einst ins britische Recht übernommenen ehemaligen EU-Direktive verfalle das Recht auf sozialen Unterhalt für Asylbewerber:innen, die arbeiten könnten, etwa 10 Prozent aller Bewerber:innen.

Mythos mehr Nachsicht für Asylsuchende

Bei Abschiebeverfahren sollen Gerichte künftig Argumenteöffentlicher Sicherheit höher werten als Rechte vonAsylbewerber:innen etwa auf ein Familienleben. Nebenbei werde man Abschiebungen intensiver vorantreiben sowie etwaigeRechtsbrüche von Asylbewerber:innen verfolgen. Wer das Recht breche, werde nicht mehr auf Staatskosten untergebracht und verpflegt.

Brit:innen glaubten nach Mahmoods Ansicht, dass es unfair sei, wenn illegal eingereiste Personen großzügiger behandelt würden als legal eingereiste, die schwere finanzielle Auflagen und Einbürgerungsauflagen einhalten müssten, oder nachsichtiger als britische Sozialhilfeempfänger:innen, sagte Mahmood. Das sei selbst in ihrem eigenen Wahlkreis, wo 70 Prozent aller Menschen einen Einwanderungshintergrund hätten, der Fall. Menschen dort wären der gleichen Meinung wie in anderen britischen Regionen. „Die Menschen glauben zu Recht, dass Geschwindigkeit und Ausmaß (der Einwanderung) außer Kontrolle sind.“

Asylsuchende in Frankreich glaubten den Geschichten vonMenschenschleusern, dass sie in Großbritannien in Hotels untergebracht werden, sagte Mahmood. Man müsste solche Pull-Faktoren aus der Welt schaffen. In der nächsten Woche würden auch weitere Reformenvorgestellt, etwa solche, die teure Beförderungen vonAsylsuchenden mit Taxis beenden könnten.

Es könnte noch schlimmer sein

„Ich folge nicht den Argumenten der Ultrarechten. Ich bin das Kind von Einwander:innen, die in den 1960er und 70er Jahren legal ins Land kamen“, sagte Mahmood der BBC und bezeichnete ihre Maßnahmen als moralische Mission. Sie wolle legale Einreisemöglichkeiten für Flüchtlinge verbessern, eine Forderung, die Flüchtlingsorganisationen seit Langem fordern. Dennoch hält Enver Solomon, Geschäftsführer der britischen Hilfsorganisation Refugee Council, die Maßnahmen für hart und unnötig.

Tatsächlich tritt die Regierung nicht, wie "Reform UK" und die Konservativen derzeit verlangen, aus der Europäischen Menschenrechtskonvention aus. Zudem hat Labour das Programm der Abschiebung nach Ruanda gleich nach Regierungsübernahme beendet.

Mit ihrem Programm folgt die britische Regierung vor allem dem Model der dänischen Einwanderungsverschärfungen unter der sozialdemokratischen Premierministerin Mette Frederiksen, das zu einer Reduzierung von 95 Prozent der Einwanderung geführt haben soll. Allerdings, so bestätigte auch Madeleine Sumption, Direktorin des auf Einwanderung spezialisierten wissenschaftlichen Institutes Oxford Migration Observatory, kann diese Entwicklung viele Gründe haben.

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