Indigene Aktivistin über Klimaschutz: „Wir brauchen weder Soja noch Bergbau oder Erdöl“
Alessandra Korap Munduruku setzt nicht viel Hoffnung auf die Weltklimakonferenz. Umso besorgter ist die Aktivistin um die Natur – und macht klare Ansagen.
taz: Alessandra Korap Munduruku, spürt Ihr Volk Auswirkungen des Klimawandels?
Alessandra Korap Munduruku: Im Amazonasgebiet spüren wir die Klimakrise jetzt schon: Wenn der Fluss verschwindet, wie es im vergangenen Jahr bei uns in Terra Indígena Munduruku passiert ist. Oder wenn die Temperatur der Flüsse so stark ansteigt, dass die Fische sterben. Durch die vielen Brände war die Stadt Santarém so voller Rauch, dass die Luftqualität hier zeitweise die schlechteste in ganz Brasilien war, schlimmer als in São Paulo. Wenn Brände ausbrechen, gibt es niemanden, um sie zu löschen.
41, Mutter von drei Kindern. Sie lebt im TI Munduruku, wenn sie nicht gerade an Protesten teilnimmt oder vor den Vereinten Nationen spricht. Ihr Volk leidet durch illegalen Goldabbau in ihrem Gebiet an Quecksilbervergiftungen. Für ihren Aktivismus erhielt sie mehrere internationale Preise.
taz: Wie gehen Sie damit um?
Munduruku: Wir Indigene bilden jetzt Feuerwehrleute aus, um uns selbst zu helfen, denn wenn wir auf den Staat warten, passiert gar nichts. Oft handelt es sich bei den Bränden ja auch um Brandstiftung, da werden Brände gelegt, um Soja zu pflanzen oder Vieh zu züchten. In diesem Jahr 2025 waren manche Gebiete überflutet, in anderen herrschte gleichzeitig Dürre. Der Rhythmus von sechs Monaten Trockenzeit und sechs Monaten Regen funktioniert im Amazonasgebiet nicht mehr, so wie wir es gewohnt sind. Früher fielen die reifen Früchte in Flüsse voller Wasser, und die Fische konnten sich davon ernähren, ihren Laich ablegen und sich um den Nachwuchs kümmern. Wenn aber die Flüsse sich nicht mit Wasser füllen, fallen die Früchte auf trockenen Boden und die Fische haben nichts zu fressen. Dann magern sie ab und reproduzieren sich nicht mehr. Wir hängen vom Fisch ab, vom Wasser, vom Fluss, vom Wald, wie sollen wir hier überleben?
taz: Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?
Korap Munduruku: Viele Länder – auch Deutschland – sind sehr besorgt wegen der Klimakrise. Gleichzeitig sind Unternehmen aus manchen dieser Länder hier im Amazonasgebiet an der Umweltzerstörung beteiligt. Firmen aus Frankreich und Deutschland produzieren das Gift, das hier in den Soja-und Maispflanzungen versprüht wird. Das Gift fließt in die Igarapés, die Flüsse, vergiftet zuerst die Fische und dann unsere Gemeinschaften, unsere Kinder und Frauen. Ganz abgesehen davon, wie viel Wald abgeholzt werden muss, um Soja und Mais zu pflanzen. Wenn viele Bäume zusammenstehen, können sie sich gegenseitig stärken. Wenn aber Bäume herausgeschlagen werden, dann verlieren sie die Kraft und können den Planeten nicht mehr retten. Die Folgen davon spüren wir an unserem eigenen Leib.
taz: Der brasilianische Staat hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das den Bergbau in indigenen Gebieten erlaubt – und er befürwortet die Erdölförderung im Amazonasmündungsgebiet. Wie stehen Sie dazu?
Korap Munduruku: Nun, es gibt einerseits die Regierung Lula und andererseits den Senat und die Abgeordneten, die die Natur hassen, die indigene und traditionelle Völker hassen. Der Präsident sitzt zwischen den Stühlen. Ich beobachte, dass er einerseits ein indigenes Gebiet offiziell demarkiert, aber auf der anderen Seite Zugeständnisse ans Agrobusiness macht. Das macht uns Sorgen. Die Regierung spricht nicht nur mit den Indigenen, sie hört der anderen Seite zu, den Erdöl- und den Bergbauunternehmen. Sie sagt, sie braucht Geld. Wir brauchen kein Geld. Wir brauchen Leben, wir brauchen unser Land. Wir brauchen sauberes Wasser und Wald. Wir brauchen weder Soja, noch Bergbau, Wasserkraftwerke oder Erdöl.
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taz: Sind sich die indigenen Völker in diesem Punkt einig?
Korap Munduruku: Wer von uns sich gegen den Bergbau und gegen Soja ausspricht, wird bedroht. Wir können uns nicht offen dagegen äußern. Die andere Seite ist bewaffnet und gewalttätig. Wer von uns sich auf deren Seite stellt, ist in vielen Fällen kooptiert. Diese Menschen sind krank, sie sehen nicht die Zukunft ihrer Kinder und Enkel. Sie denken nur an sich selbst und an das Geld, das sie heute bekommen, von den Unternehmern, die sie unter Druck setzen.
taz: Verbinden Sie Hoffnung mit der Weltklimakonferenz COP30?
Korap Munduruku: Nein, ich habe keine Hoffnung bezüglich der COP. Das ist nur ein weiteres Festival, bei dem Abkommen geschlossen werden. Wir müssen kämpfen, um unser Territorium zu schützen. Bei den Vereinbarungen zwischen Banken, Unternehmen und Industrieländern geht es nur darum, seine Sorge über die Klimakrise zu zeigen. Sie wollen sich nicht an einen Tisch mit den indigenen Völkern setzen. Sie reden über Nachhaltigkeit, aber ich habe noch nie nachhaltiges Soja oder ein nachhaltiges Bergbauunternehmen gesehen. Das sind nur Marketingsprüche. Wer heute die COP hier in Brasilien finanziert, sind Unternehmen, die uns töten, die in unsere Gebiete eindringen. Deswegen vertraue ich den Entscheidungen nicht, die während der COP getroffen werden.
Christine Wollowski traf Alessandra Korap Munduruku im Rahmen einer vorbereitenden Konferenz für die COP30 in Santarém.
Dieses Interview wurde von der Christlichen Initiative Romero unterstützt.
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