Humanitäre Krise wegen Bürgerkrieg: Erneut Hungersnot im Sudan bestätigt
In der Großstadt Al-Faschir verschlechtert sich die Ernährungslage, aber auch in anderen Landesteilen herrscht laut Experten bereits eine Hungersnot.
dpa | Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres hat ein Expertengremium eine Hungersnot in Teilen des Sudans bestätigt. Die weltweit als Autorität für Ernährungssicherheit anerkannte Initiative IPC (Integrated Food Security Phase Classification) habe Beweise geliefert, dass die Situation in den Städten Al-Faschir in der Region Darfur und Kadugli in der Region Süd-Kordofan den Status einer Hungersnot erreicht habe, teilte die Hilfsorganisation Aktion gegen den Hunger mit. Zudem bestehe die Gefahr einer Hungersnot in 20 weiteren Gebieten in Darfur und Kordofan.
Mehr als 375.000 Menschen sind demnach im Sudan von einer humanitären Katastrophe der höchsten Stufe betroffen; 21 Millionen sind von Hunger bedroht. Die Lage in dem ostafrikanischen Land gilt als die größte humanitäre Krise der Welt. „Nur ein sofortiger Waffenstillstand und uneingeschränkter humanitärer Zugang können weiteres Leid verhindern und Leben retten“, sagte Jan Sebastian Friedrich-Rust, Geschäftsführer von Aktion gegen den Hunger.
Ende Dezember hatte der IPC-Ausschuss bereits die Kriterien einer Hungersnot in mindestens fünf Gebieten des Landes nachgewiesen. Betroffen waren hauptsächlich Gebiete in Nord-Darfur. Eine Hungersnot ist die schlimmste – und seltene – Form der Hungerkrise. Sie bedeutet, dass bei mindestens einem Fünftel aller Haushalte extremer Nahrungsmangel herrscht und täglich mindestens zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 10.000 Menschen an akuter Unterernährung sterben.
Ethnische Faktoren
Im Sudan kämpfen seit April 2023 die Armee und die Miliz RSF (Rapid Support Forces) brutal um die Macht. Nach Angaben des Sudanesischen Ärztenetzwerks hält die RSF in der Großstadt Al-Faschir, die sie vor gut einer Woche unter ihre Kontrolle gebracht hatte, weiterhin Tausende Zivilisten fest. Zuvor hatte die RSF die heftig umkämpfte Großstadt, in der einst rund 300.000 Menschen lebten, mehr als 500 Tage belagert.
Einwohner, die versuchten, zu fliehen, würden gewaltsam in die Stadt zurückgebracht, oft mit Schussverletzungen, so die Ärztegruppe. Sie warnte vor einer Verschärfung der humanitären Katastrophe in der Stadt, in der ein akuter Mangel an Medikamenten und medizinischem Personal herrsche.
Auf der Flucht getötet
Sudanesen, denen es gelang aus Al-Faschir zu fliehen, berichten von Gräueltaten durch die RSF. Ein 24-Jähriger erzählte Mitarbeitern des UN-Bevölkerungsfonds UNFPA, er sei mit einer Gruppe von mehr als 200 Zivilisten in die westlich gelegene Stadt Tawila geflüchtet – davon hätten nur vier Menschen überlebt. Alle anderen, einschließlich Kinder, seien von der Miliz RSF hingerichtet worden; einige seien absichtlich mit Autos überfahren worden, sagte der Mann. Eine 19-Jährige, die von Al-Faschir nach Tawila flüchten konnte, sagte UNFPA sie sei von drei RSF-Mitgliedern vergewaltigt worden, bevor sie einen Kontrollpunkt passieren durfte.
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