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EuGH-Urteil zum MindestlohnBesser als nichts

Eva Fischer

Kommentar von

Eva Fischer

Der Europäische Gerichtshof hat die Mindestlohnrichtlinie gebremst. Ganz gestoppt ist die Idee fairer Löhne in der EU aber nicht.

Arbeitende, wie er hier in Sofia, Bulgarien, würden profitieren Foto: imago/Nur Photo/Stringer

G ute Lebens- und Arbeitsbedingungen für Ar­beit­neh­me­r:in­nen in der EU: Das ist das Ziel der EU-Mindestlohnrichtlinie, die der Staatenverbund 2022 beschlossen hat. In dem Gesetzespaket gab die EU Kriterien vor, wie gesetzliche Mindestlöhne zu berechnen sind: durch die Berücksichtigung der Kaufkraft, der allgemeinen Lohnentwicklung und der Entwicklung der Produktivität.

Dänemark, zusammen mit Schweden und Ungarn Gegner der Richtlinie, hatte daraufhin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt, weil die EU nicht zuständig sei. Tatsächlich ist Arbeits- und Sozialpolitik in erster Linie Sache der Mitgliedstaaten; die EU hat nur eingeschränkte Kompetenzen. Sie kann zum Beispiel durch Gesetze dafür sorgen, dass sich Arbeitsbedingungen, soziale Sicherung und Gleichstellung in den Mitgliedsländern angleichen. Kompetenzen, was das Arbeitsentgelt angeht, hat sie aber explizit nicht.

Deswegen kam der EuGH an diesem Dienstag, fast drei Jahre nach Klageerhebung, zu dem Schluss, dass die EU keine konkreten Kriterien für die Festsetzung angemessener Mindestlöhne vorgeben darf. Sie darf auch nicht festlegen, dass Löhne nicht sinken dürfen.

Lösungen durch Umwege

Das ist erst mal eine schlechte Nachricht. Denn damit wurde ein wesentliches Instrument, um die Lebensverhältnisse der Eu­ro­päe­r:in­nen anzugleichen und zu verbessern, gekippt. Auch Deutschland hätte nach den EU-Kriterien seinen gesetzlichen Mindestlohn auf über 15 Euro anheben müssen.

Die Gute ist aber: Die Richtlinie wurde nicht komplett einkassiert, wie vom Generalanwalt gefordert. Damit haben die Rich­te­r:in­nen in Luxemburg sehr wohl bestätigt, dass die EU die Kompetenz hat, für faire Löhne zu sorgen – wenn auch über Umwege. So gilt zum Beispiel weiterhin, dass die Länder für eine hohe Tarifbindung sorgen müssen.

In Brüssel wurde bereits erkannt: Faire Löhne sind ein Grundpfeiler, um die gemeinsame europäische Idee, in Frieden und Wohlstand zusammenzuleben, zu verwirklichen. Schade, dass das in manchen Hauptstädten anders gesehen wird.

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Eva Fischer
Chefin vom Dienst
Jahrgang 1989; seit Anfang 2025 bei der taz, derzeit als Nachrichtenchefin und Chefin vom Dienst bei taz.de. Vorherige Stationen: u.a. EU-Korrespondentin in Brüssel beim Handelsblatt, Redakteurin für Internationale Politik beim Tagesspiegel, Redakteurin bei der ZDF-Talkshow "Markus Lanz". Wirtschaftspsychologie-Studium mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie und dem Nebenfach Politikwissenschaft, Besuch der Holtzbrinck-Journalistenschule, gelernte Medienkauffrau Digital und Print beim Spiegel-Verlag.
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