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80 Jahr Weltkriegsende in AsienXi Jinping lässt die Panzer rollen

Chinas Staatschef demonstriert bei einer großen Militärparade den Schulterschluss mit Putin und Kim und unterstreicht seine geopolitischen Ambitionen.

Die Rede von Chinas Machthaber Xi Jinping wird bei der Militärparade auf dem Tiananmen-Platz auf einer großen Leindwand übertragen Foto: Andy Wong/ap/dpa

Seoul taz | Dieses Bild dürfte in die Geschichtsbücher eingehen: Chinas Staatschef Xi Jinping, gekleidet in anthraziter Mao-Jacke, betritt die Balustrade am Tor des Himmlischen Friedens. Rechts an seiner Seite: der russische Präsident Wladimir Putin. Zu seiner Linken: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un. Diese Achse der Autokraten bildet den Kern der neuen sinozentrischen Weltordnung.

Am Mittwoch hat Xi seine Vision mit einer pompösen Militärparade untermauert. Über zwei dutzend Regierungs- und Staatsoberhäupter haben sich im Zentrum Pekings versammelt, um an Chinas Gedenkfeiern zum Ende des Zweiten Weltkriegs teilzunehmen.

Über 10.000 Soldaten der Volksbefreiungsarmee marschierten auf, in synchronem Gleichschritt und mit entschlossener Miene. Tarnkappenbomber flogen über die 50.000 jubelnden Zuschauer hinweg, etliche Panzer rollten die Changan-Prachtstraße entlang, gefolgt von Hyperschallraketen, Laser-Abwehrsystemen und einem beeindruckenden Arsenal an Atomwaffen.

Was in den Augen eines westlichen Publikums unangenehme Assoziationen auslöst, wurde von den allermeisten Chinesen mit Stolz gefeiert: Die einst bitterarme Volksrepublik, gebeutelt von ausländischen Mächten, wird mittlerweile weltweit respektiert – oder eben gefürchtet.

Xi: „Wahl zwischen Frieden und Krieg“

„Heute muss die Menschheit erneut zwischen Frieden und Krieg wählen. Das chinesische Volk steht fest auf der richtigen Seite der Geschichte“, sagte Xi während seiner Eröffnungsrede. Darin mahnt er seine Landsleute auch daran, am Kurs der Kommunistischen Partei festzuhalten – und weiterhin dem Marxismus-Leninismus und der Gedankenlehre Mao Tse-tungs zu folgen.

Geschichtsschreibung ist für die KP stets auch eine politische Waffe. Und so geht es bei der Militärparade nicht nur darum, den im Westen nahezu in Vergessenheit geratenen Kampf der Chinesen gegen das faschistische Japan während des Zweiten Weltkriegs in Erinnerung zu rufen. „Chinas Kampf gegen den Faschismus begann am frühesten, dauerte am längsten und endete mit den meisten Opfern“, heißt es stolz im Staatssender CGTN.

Die Botschaft Pekings geht jedoch weit darüber hinaus: Die heroischen Opfer werden betont, um damit die politischen Ziele der Gegenwart zu erreichen. Oder in den Worten Xis: „Das chinesische Volk hat mit enormen nationalen Opfern einen wichtigen Beitrag zur Rettung der menschlichen Zivilisation und zur Wahrung des Weltfriedens geleistet. Die große Wiederbelebung der chinesischen Nation ist unaufhaltsam!“

Und diese Wiederbelebung ist in den Augen Xis nur dann vollständig, wenn man die demokratisch regierte Insel Taiwan zurück ans Mutterland geholt hat.

„Die Frage bezüglich Taiwan ist nicht, ob wir wieder vereint werden oder nicht. Es ist lediglich eine Frage des Zeitpunkts“, meint Zhou Bo, pensionierter Oberst der Volksbefreiungsarmee, im chinesischen Fernsehen. Mit zunehmender Stärke Chinas würden sich zwei Möglichkeiten ergeben: Entweder man wende Gewalt an oder nicht. Dies hänge davon ab, wie sich die Regierung in Taipeh verhalte, sagte Zhou.

Militär als Kern von Chinas Machtansprüchen

Um dies zu erreichen, dafür braucht Xi nicht nur internationale Unterstützer wie Putin, der im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über ein Vetorecht verfügt. Kern der chinesischen Machtansprüche bildet das Militär: Die Volksbefreiungsarmee soll insbesondere die USA derart einschüchtern, dass sie im Falle einer Invasion von Taiwan im Vorhinein die Konfrontation meiden.

Insofern zielt die Militärparade am Mittwoch auch auf psychologische Abschreckung. Und dafür greift Peking tief in die Tasche: Die Taipei Times beruft sich auf taiwanische Regierungskreise, die davon ausgehen, die Veranstaltung könnte insgesamt 5 Milliarden Dollar gekostet haben.

Und doch kann die Propaganda-Show nicht übertünchen, dass die chinesische Armee seit einem kurzen Zwischenspiel im Chinesisch-Vietnamesischen Krieg 1979 über keine praktischen Kampferfahrungen mehr verfügt. Zudem gab es während der letzten drei Jahre auffällig viele „Säuberungswellen“: Gegen zwei Ex-Verteidigungsminister laufen derzeit Ermittlungen, rund zwei Dutzend weitere Offiziere wurden seither geschasst. Das zeigt, dass Xi seinen Generälen nicht trauen kann.

Dennoch sieht der 72-jährige Staats- und Parteichef seine Volksrepublik auf dem aufsteigenden Ast – und den Westen im Niedergang. Dank Donald Trump im Weißen Haus, der mit seinen Strafzöllen auch langjährige Alliierte in die Arme Chinas getrieben hat, fällt Pekings Botschaft auf durchaus fruchtbaren Boden.

„Die Welt durchlebt gerade eine absolut chaotische Phase, in der es Länder gibt, die der Welt ihre Bedingungen diktieren wollen und vielen anderen Ländern mit Waffengewalt drohen“, sagt Chinas Chef-Propagandist Victor Gao – und teilt gegen die USA aus, ohne sie beim Namen zu nennen. Die Volksrepublik hingegen stellt er als verantwortungsvolle, alternative Weltmacht dar: „Wir wollen die bestehende Ordnung nicht zerstören. Wir wollen sie verbessern und neu aufbauen.“

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