Polnisch-deutsche Freundschaft: Ein Brief mit fatalen Folgen
Nach dem Beschwerdebrief einer Historikerin entlässt Polen seinen Deutschland-Beauftragten Ruchniewicz. Schuld ist aber auch Stimmungsmache in rechten Medien.
Vor ein paar Tagen hatte Radziejowska einen Beschwerdebrief über ihren Chef, den Historiker Krzysztof Ruchniewicz verschickt. Ruchniewicz war neben seinem Posten als Vorsitzender des Pilecki-Instituts auch der polnische Deutschland-Beauftragte und sollte für eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern sorgen, genauso wie sein deutscher Gegenpart Knut Abraham.
Radziejowska schickte ihren Beschwerdebrief an die polnische Kulturministerin und informierte auch Polens Außenminister. Sie warf Ruchniewicz vor, einen Prozess für die Rückgabe polnischer Kulturgüter an Deutschland, die Ukraine, Belarus, Litauen oder an jüdische Privatpersonen vorzubereiten. Im Institut seien dazu Seminare geplant. Tatsächlich sollte es in den Kursen aber um Provenienzforschung gehen, also um Fragen zur Herkunft von Kunstwerken.
Seltsamerweise landete der Brief mit detaillierten Informationen aus dem Innenleben des Pikecki-Instituts auch in der Redaktion der rechtskonservativen Tageszeitung Rzeczpospolita, die die Verdächtigungen gegen Ruchniewicz sofort publizierte. Polens rechte Politiker und Medien stürzten sich auf das gefundene Fressen und hetzten gegen einen angeblichen „diplomatischen Verrat“ des Historikers.
Daraufhin löste Polens Außenminister Radosław Sikorski das Amt des Deutschland-Beauftragten kurzerhand auf und entließ dadurch automatisch auch Ruchniewicz. Seine Entscheidung begründete er mit keinem Wort. Auf deutscher Seite fiel man aus allen Wolken. Den Brief von Radziejowska, der in Polen so große Kreise gezogen hatte, hatte hier kaum jemand auf dem Schirm. Abraham, der Koordinator auf deutscher Seite, stand plötzlich ohne Partner da. Den deutsch-polnischen Beziehungen dürfte der Vorgang schaden.
Ruchniewicz sollte das nationalpopulistische Institut entpolitisieren
Hanna Radziejowska, die seit 2019 die Berliner Zweigstelle des Pilecki-Instituts leitete, kam mit dem von der Mitte-Links-Regierung unter Donald Tusk neu eingesetzten Generaldirektor Ruchniewicz nicht zurecht. Im Auftrag des Kulturministeriums sollte er das stark von der nationalpopulistischen Ideologie der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) geprägte Institut entpolitisieren und es auf Wissenschaft und Forschung ausrichten, so wie es auch in den Statuten von 2017 steht.
Ihrem Protest gegen Ruchniewicz sprang sofort eine Phalanx von PiS-Politikern bei und forderte die sofortige Entlassung von Ruchniewicz.
Der konnte erst nach einigen Tagen in der Rzeczpospolita klarstellen, dass es bei der Seminarreihe lediglich um Provenienzforschung von kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern gehen sollte. Ob Eigentum zurückgegeben werde oder nicht, sei eine politische Entscheidung. Er sei aber kein Politiker, sondern Wissenschaftler. Er fordere keine Restitution, aber es müsse erlaubt sein, zu diesem Thema forschen zu dürfen.
Radziejowski, die durch ihren seltsamen Brief ihre Stelle verloren hat, ist in Berlin gut vernetzt. Vor ihrem Umzug als Historikerin und Kulturmanagerin war sie in verschiedenen Warschauer Museen und Kultureinrichtungen angestellt und wird sicher rasch einen neuen Posten finden. Doch für die deutsch-polnische Freundschaft ist der Schaden angerichtet – genauso wie für Ruchniewicz.
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