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Solarparks allein helfen Kuba nicht

Die Insel ächzt unter Stromausfällen. Havanna plant die Energiewende, das System hängt aber am Öl

Von Knut Henkel

„Hoyo Colorado II“ heißt einer der zuletzt eingeweihten Solarparks. Er liegt nahe der Hafenstadt Matanzas und ist Teil der nationalen kubanischen Strategie, die den Bau von 55 solcher Anlagen bis zum Ende des Jahres und mehr als 90 Solarparks bis 2030 vorsieht. Damit will die Regierung in Havanna das Land endlich aus der Dauerenergiekrise holen. Bislang leidet die Bevölkerung unter endlosen Stromausfällen. In Matanzas etwa – und im benachbarten Cárdenas – wird der Strom täglich mal 20, mal 21 oder 22 Stunden lang abgeschaltet. Dass der neue Park seit Juni in Betrieb ist, hat daran noch nichts ändern können.

Peu à peu plant die Regierung, den Anteil regenerativer Energieträger zu steigern und weniger abhängig von Fossilen zu werden. Allerdings sind die meisten Experten davon überzeugt, dass das in Kuba geförderte Schweröl auch weiterhin verwendet werden soll. „Um das nationale Stromsystem hochzufahren, brauchen wir Erdölkraftwerke“, sagt der kubanische Ökonom Omar Everleny Pérez Villa­nueva, Direktor des Studienzentrums der Kubanischen Wirtschaft (CEEC) in Havanna. „Daher hat Präsident Miguel Díaz-Canel bei seiner Russland-Visite im Sommer Kredite zum Bau eines neuen Kraftwerks verhandelt.“

Ein bis zwei moderne 300 Megawatt-Ölkraftwerke sollen zukünftig die Anschubfunktion für das kubanische Stromsystem übernehmen, der Rest des auf 3.500 bis 4.000 Megawatt ausgelegten Stromsystems soll bis 2030 vor allem aus regenerativen Energieträgern generiert werden. Das würde bedeuten, das alle neun zwischen 30 und 40 Jahre alten und maroden Ölkraftwerke zwischen Santiago de Cuba und Pinar del Río vom Netz gehen sollen. Wie die dafür nötigen Investitionen aufgebracht werden sollen, ist unklar.

Klar ist immerhin der Plan, dass bis 2028 mit chinesischer Hilfe 92 Solarparks mit einer Kapazität von rund 2.012 Megawatt errichtet werden sollen, wie das Regierungsportal Cubadebate erstmals im Oktober 2024 berichtete. Neben Anlagen zur Nutzung von Sonnenenergie, die künftig mindestens die Hälfte zur Energieversorgung der Insel beisteuern sollen, sind auch Windparks geplant. „Die sind allerdings im Bau deutlich teurer als die Solarparks in der Konstruktion“, so Pérez Villanueva.

Zudem kursieren Befürchtungen, dass die Windräder den Hurrikanen, die immer wieder über die Insel ziehen, nicht standhalten könnten. „Das ist bei den Solarparks anders“, sagt Lothar Reininger von InterRed. Der Verein aus Frankfurt hat seit 2020 drei Solaranlagen auf Dächern von kubanischen Institutionen in Havanna installiert. Die Erfahrungen sind positiv. „Wir haben mehrere Hurrikane erlebt und danach ein Panel austauschen müssen, aber das war es dann auch“, erklärte Reininger im Gespräch mit der taz. Folgerichtig hält er die Befürchtungen der kubanischen Zivilgesellschaft für unbegründet.

Allerdings haben die Solarparks ein Defizit: Sie verfügen meist nicht über Batterien, um den generierten Strom für die Abendstunden, wo in Kuba besonders viel Energie benötigt wird, zu speichern. Sie waren nicht zu finanzieren“, meint Pérez Villanueva.

Das ist ein Grund, weshalb die Installation der ersten 20 Solarparks auf Kuba bisher keine spürbaren Effekte und die Anzahl und Dauer der Stromabschaltungen Ende Juli sogar noch zugenommen hat. Das bestätigen Mitarbeiter des christlichen Zentrums für Reflexion und Dialog (CCRD) in Cárdenas, rund 150 Kilometer entfernt von Havanna. In Cardénas sorgt eine Photovoltaikanlage auf dem Dach des Zentrums unabhängig für Energie. „So können wir die laufenden Projekte realisieren, obwohl der Strom zwischen 18 und 22 Stunden am Tag abgeschaltet ist“, sagt CCRD-Projektkoordination Lorena Conde López.

Landesweit lassen die Stromabschaltungen die Produktivität sinken. Das marode Kraftwerksnetz generiert oft kaum die Hälfte des Stroms, auf die es ausgelegt ist. Der latente Mangel an Ersatzteilen, nicht erfolgte Investitionen in Unterhalt und Reparatur sind dafür genauso verantwortlich wie die Abwanderung vieler Techniker, meint Lorena Conde López.

Für das zweite Halbjahr hatte Präsident Díaz-Canel Besserung angekündigt. Aber auch im Juli konnten die Kraftwerke weniger Energie bereitstellen als erwartet. Experten wie CEEC-Ökonom Pérez Villanueva rechnen erst zum Jahresende mit einer Entspannung.

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